1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Obwohl die Barkasse hier auch zu Wasser gelassen worden war, bestand absolutes Landgangsverbot, warum, erfuhren wir nie richtig.
Das Beladen der STECKELHÖRN mit den riesigen Edelholzbäumen war schon ein Schauspiel für sich. Die Standards, die in Europa für Hafenarbeiter galten, hatten hier gar keine Bedeutung, barfuss turnten hier die Dunkelhäutigen auf den Baumstämmen umher, die rund um das Schiff lagen. Für deren Bewegung zu den richtigen Stellen zum Anbringen der Drahtseile war ein kleiner Motorschlepper im Einsatz. Die Winden an Deck wurden von den Crew-Boys bedient, auch im Laderaum waren sie für die richtige Platzierung eines jeden Stammes zuständig. Jeder Stamm dieses hochwertigen Holzes aus dem Urwald Afrikas hatte übrigens eine eigenständige Markierung, die immer am Kopfende jedes Stammes angebracht war. War neben der Nummer ein A, zeigte dies, dass es das untere, also dickste Stück eines Stammes war, ein B war das nächst höhere Stück und ein C bedeutete, dass es einmal der höchste, also dünnste Teil eines Stammes war. So ein Stamm wog schon mal fünf bis sechs Tonnen und war am untersten Ende 2,50 Meter dick.
MS „STECKELHÖRN“
Von morgens bis abends wurde jetzt an allen Luken gearbeitet. Stamm um Stamm wurde in den Laderäumen verstaut. Als die Räume voll waren, wurden sie vom Deckspersonal angedeckelt und so mit Persenningen überzogen und verschalkt, als wenn es ohne Decksladung auf See gehen würde. Danach begannen die Crew-Boys, an Deck weitere schwere Holzstämme zu lagern. Dabei entstand schon mal so manche Beule an den Geländern der Deckshäuser.
Am 17. Oktober 1957 waren die Ladungsarbeiten abgeschlossen, die Decksmannschaft ließ die Bäume herunter und verzurrte alles, was irgendwie lose war. Dann verließen wir den Ankerplatz in Takoradi. Kurze Zeit später legten wir noch einmal in Dakar an, wo die Crew-Boys von Bord gingen, diesmal mit vielen Kisten und Säcken, denn auf unserer Reise zu den anderen afrikanischen Häfen und den vielen Besuchen ihrer Angehörigen war es zu einer wundersamen Vermehrung ihrer anfangs mitgebrachten Habseligkeiten gekommen. Mit viel Wortschwall und Gestik verließen die uns vertraut gewordenen Gesichter das Schiff. Der Wachmann bekam von einem der Offiziere noch ein besonderes Geschenk für seine immerwährende Aufmerksamkeit.
Nachdem auch die Formalitäten durch die Behörden erledigt waren, legten wir endlich ab. Jetzt stand uns eine Seereise von etwa 12 bis 13 Tagen bevor, danach sollten wir Hamburg wieder sehen.
Heimreise
Gerade mal aus dem Hafen heraus, begann die Mannschaft damit, auf der Deckslast, also über die Baumstämme hinweg, Laufstege aus Brettern zu errichten. Schnell merkte ich, dass dies auch unbedingt erforderlich war, denn ein Laufen auf den glitschigen Baumstämmen, die ja schon wochenlang im Wasser gelegen hatten, war sehr gefährlich, aus diesem Grund wurden auch zusätzliche Laufseile gespannt, um sich in Notfällen festhalten zu können. Die Decksbesatzung hatte jetzt bei der Heimfahrt lange nicht so viel zu tun, denn das Deck, an dem man hätte arbeiten können, war ja nicht frei. Für mich persönlich hatten sich die Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtert, denn, immer wenn ich nach mittschiffs zum Essenholen musste, hatte ich achtern einen Aufstieg auf die Deckslast hinauf und mittschiffs wieder hinunter mit dem Essgeschirr zu bewältigen, zurück nach achtern zur Mannschaftsmesse wieder dasselbe in umgekehrter Reihenfolge.
Das Wetter war immer noch wunderbar, die Temperaturen angenehm. Allerdings wurde es in nördlicheren Breitengraden von Tag zu Tag kühler, und man musste sich immer öfter ein Kleidungsstück mehr anziehen. Ungewöhnliche Vorkommnisse gab es in den ersten Tagen auf See nicht, doch je dichter wir wieder in heimische Gefilde kamen, desto gereizter wurde die allgemeine Stimmung.
Einmal morgens beim Frühstück hatte ich wohl übersehen, dass ich auf die Back des Maschinenpersonals keine Butter hingestellt hatte. Einer der Reiniger rief daraufhin zu der Decksbesatzung hinüber: „Schmeiß mir mal die Butter rüber“, einer der Matrosen nahm dies wörtlich und warf die Butter in Richtung des Reinigers, er zog allerdings den Kopf ein und die Butter landete hinter ihm an der Verkleidung. Maschine und Deck waren nicht nur hier wie Katz und Maus. Noch auf mehreren Schiffen, in denen sie eine gemeinsame Messe hatten, konnte man eine gewisse Streitsüchtigkeit zwischen beiden Berufsgruppen beobachten.
Als wir nach einigen Tagen den Eingang der Biscaya erreichten, änderte sich das Wetter total: Wir bekamen, wie man sagt, „richtig einen auf die Mütze“. Das Schiff rollte und stampfte, und in der Messe rutschten die Teller und Tassen hin und her, die Schlingerleisten an den Seiten der Tische wurden hochgeklappt, das Essenholen wurde jetzt zu einem Erlebnis. Die Überholbewegung war manchmal so schlimm, dass mir einer von der Decksbesatzung helfen musste, und ich muss ehrlich sagen, ich hatte ganz schön die Hosen voll. Den Matrosen und anderen langjährigen Fahrensleuten machte dies alles nichts aus. Ich für meinen Teil war jedenfalls heilfroh, als wir den Ausgang der Biscaya und damit den Eingang zum Englischen Kanal erreichten. Es wurde spürbar besser mit dem Wetter, aber dafür immer kälter.
Einer der Offiziere nahm mich hier im Englischen Kanal das erste Mal mit auf die Brücke. War das eine Aussicht! Ich staunte nur so, und immer wieder griff ich zum Fernglas, um andere, manchmal gar nicht so weit entfernte Schiffe zu betrachten. Mir wurde von dem Offizier auch die Handhabung des Ruders erklärt, und ich durfte einen Blick auf den Radarbildschirm werfen. Das Kartenhaus wurde mir gezeigt und die Funkbude, aus der wir vom Funker jeden Sonntag immer das Telegramm mit den Fußballergebnissen aus unserer Heimat bekommen hatten. Alles war schon sehr beeindruckend für mich.
Bedauerlicherweise wurde mir aber auch eröffnet, dass ich in Hamburg von Bord gehen müsse. Einerseits tat es mir leid, andererseits war ich auch froh, denn ich hatte doch ein wenig Heimweh nach Lübeck. Nach dem Löschen der Holzladung in Hamburg sollte die STECKELHÖRN eine Reise in Ballast nach Archangelsk machen und dort Grubenholz für Frankreich laden, eine damals sehr häufige Fracht. Aber das sollte ich ja nun nicht miterleben. Mit mir wollten noch acht andere Mannschaftsmitglieder in Hamburg von Bord gehen, auch der andere Decksjunge, der bei dem schlechten Wetter unheimlich seekrank geworden war, wollte endlich wieder mal nach Hause.
Bei „Elbe 1“ wurde der Seelotse übernommen, dieses konnte ich früh morgens vom Achterschiff aus beobachten, viele Schiffe waren zu sehen, die aus der Elbe kamen oder in See gingen. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Hamburger Hafen.
Leider verpasste ich die Schiffsbegrüßungsanlage in Schulau. Später sollte ich aber noch öfter Gelegenheit bekommen, diese auf der Welt einmalige Einrichtung kennen zu lernen.
Schiffsbegrüßungsanlage in Schulau
Mein Seesack war natürlich längst gepackt, als wir im Hafenbecken von Waltershof festmachten, wieder an den Pfählen, denn an der Pier war kein Platz frei zum Löschen. Nach einiger Zeit musste ich zum 1. Offizier, der mir mitteilte, dass ich am nächsten Tag, dem 31. Oktober morgens nach dem Frühstück von Bord gehen könne.
Die Besatzung der STECKELHÖRN: Kapitän, 4 Offiziere, 1 ChiefIng, 3 Masch.-Ing, 3 Assis, 1 Storekeeper, 2 Reiniger, 2 Schmierer, 1 Bootsmann, 4 Matrosen, 3 Leichtmatrosen, 1 Koch, 1 Kochsmaat, 2 Jungmänner, 2 Decksjungen, 1 Messejungen, 1 Chief-Steward, 1 Funker, 1 Elektriker, 1 Zimmermann. - Insgesamt 36 Mann Besatzung.
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