Vier weitere Tage vergingen mit Arbeiten an Deck: Luken im Zwischendeck andeckeln. Immer mehr merkte ich die Ähnlichkeiten zum Alltag auf der STECKELHÖRN, der ich wahrlich nicht nachtrauerte.
Jetzt wird es richtig ernst
An Land bin ich an diesen Tagen nicht einmal gekommen, wie auch, Geld hatte ich kaum noch - und Bier hatte sogar der Moses. Auch ein Jungmann, der schon fünf Monate an Bord war, hatte reichlich Holsten-Export unter der Back stehen. Ich merkte sehr schnell, dass man sich wegen des Eigentumsrechts nicht so anstellte, mit anderen Worten, Seeleute waren zu der Zeit recht freigiebig, das schloss Bier und Zigaretten ein.
Irgendwann an einem Mittag ist das Schiff dann ausgelaufen. Ich musste mit auf die Back. Jetzt nahm ich zum ersten Mal bewusst wahr, was alles erforderlich war, um alle Landverbindungen zu lösen. Allerdings hatte ich nicht gerade viel zu tun. Mir wurde aufgetragen, die Drahtleinen, die mit Spillkopfhilfe eingehievt wurden, gleich auf die handbetriebene Trommel aufzudrehen, reine körperliche Schwerstarbeit, desto mehr Draht auf die Trommel kam. Weiterhin durfte ich mit Hand anlegen beim Aufschießen der Manila, alles musste schnell gehen. Als alle Leinen an Bord waren, genoss ich das Ablegen des Schiffes vom Kai.
Elbabwärts ging es nun in Richtung See. Bremen sollte unser nächster Ladehafen sein. Noch auf der Elbe wurden die Ladebäume heruntergelassen, wieder eine neue Erfahrung für mich. Ich durfte, bzw. musste beim Fieren des Baumes, das von einem Ma-trosen an der Winch verrichtet wurde, die Backbord-Gei einholen und darauf achten, dass der herunterkommende Baum nicht ausschwenkte. Da gutes Wetter herrschte, wurde nicht groß seeklar gemacht, der Seetörn aus der Elbe heraus und bald darauf wieder in die Weser war ja nicht lang.
Angekommen in Bremen machten wir im Europahafen fest. Hier lag alles voller großer Schiffe, einige der Schornsteinmarken waren mir bekannt, diese Reedereifarben hatte ich schon auf meiner Reise mit der STECKELHÖRN gesehen. Hier in Bremen blieben wir nur zwei Tage. An beiden Tagen musste ich beim normalen Tagewerk immer an der Seite eines Matrosen bleiben und sollte immer nur aufpassen und somit registrieren, was alles zu tun war. Der Matrose, ein umgänglicher Enddreißiger, war schon seit über einem Jahr auf der ELISABETH BORNHOFEN, erzählte mir aber wenig von den Häfen, in denen das Schiff vorher schon überall war.
Im Beisein des bulligen kleinwüchsigen Vollgrades musste ich dann auch schon mal selbständig morgens die deutsche Flagge anknoten und hoch holen, an Deck aufklaren und so manche für mich völlig neue Arbeitsgänge erledigen, aber alles ging ohne Hast und Eile.
An abendlichen Landgang war nicht zu denken. Ich war nach Feierabend fix und fertig. In Anbetracht all der vielen neuen Eindrücke trank ich am Abend zusammen mit meinem Kammerkollegen, der ja gezwungener Weise viel später Feierabend hatte, noch einige Flaschen Bier, und es wurde ein wenig erzählt und sich dann zur Ruhe begeben.
Nach der Beladung in Bremen ging es die Weser abwärts in die Nordsee in Richtung Amsterdam, auch nicht gerade eine lange Reise. Für diesen Törn waren alle Luken angedeckelt und mit nur einer Persenning abgedeckt und auch verschalkt worden, die Bäume wurden alle heruntergelassen und die Geien festgesetzt. Bei diesen Arbeiten brauchte ich nur kurz aufzupassen, wie es gemacht wurde, dann konnte ich schon selbst mit anpacken und stand nicht dumm in der Gegend herum, wie man so sagt. Auch beim Ablegen wusste ich jetzt schon, was alles zu tun war und packte immer sofort mit an.
Schon weit vor dem Einlaufen in den Hafen von Amsterdam wurden die Bäume wieder aufgestellt und die Persenninge von den Luken genommen, die ganze Decksbesatzung, außer dem Rudergänger, war im Einsatz. Angekommen am Liegeplatz in Amsterdam wurden die Bäume, die ganz hoch gestellt waren, zu der dem Land abgewandten Seite verbracht, damit sie den Kränen, mit denen hier die Ladung an Bord gebracht werden sollte, nicht im Wege waren.
Nachdem die Lukendeckel wieder in Stapeln an Deck lagen und die Scheerstöcke verschoben, waren wir ladebereit, und alsbald begannen auch die Verladearbeiten. Kisten und Kasten, Maschinenteile, deren empfindliche Teile sorgfältig verpackt waren, einiges Sackgut und auch viele Fässer kamen an Bord und verschwanden in den einzelnen Luken.
Gegen 16:30 Uhr war für mich Feierabend, schnell gewaschen und umgezogen, dann ging ich mit einem Jungmann an Land. Geld hatte ich nicht einen Cent in der Tasche, aber der Jungmann hatte mir einige Biere auf seine Kosten in Aussicht gestellt. Wie nicht anders zu erwarten, landeten wir nicht in den kulturell ansprechenden Stadtgegenden, sondern saßen schon kurze Zeit später in einer Kneipe namens „bij Marion“. Mein Begleiter war hier bekannt, seinen Erzählungen zufolge war er hier schon das dritte Mal und hatte sich wohl Chancen ausgerechnet bei der dunkelhaarigen Marion. Wie viele Jungmänner hatte diese wohl schon durch ihr fabelhaftes Aussehen geködert? Auf jeden Fall schmeckte uns das Heineken-Bier und wir bewunderten beide die vielen Geldscheine aus aller Welt, die von der Wirtin an den Tresenüberbau geklebt worden waren.
Nach noch einigen Besuchen in anderen Lokalitäten, die alle irgendwie ähnlich aussahen und ausschließlich mit Seeleuten bevölkert waren, zuckelten wir etwa gegen 23:00 Uhr wieder zurück an Bord, zu Fuß natürlich, für ein Taxi reichte es damals noch nicht.
Beim Vorbeigehen an der Mannschaftsmesse im Achterschiff sah ich, dass noch einige Matrosen darin saßen und diskutierten. Auf der Back standen etliche leere Bierflaschen und auch Brotbretter sowie Aufschnittplatten waren zu sehen. Unwillkürlich musste ich an den Moses denken. Ich wusste, dass er am nächsten Morgen alles aufklaren musste um anschließend zum Frühstück aufzubacken. Er würde fluchen und über die Verunreiniger schimpfen - genau wie ich vor noch gar nicht allzu langer Zeit. Aber Mitleid war jetzt nicht angebracht, es war nun mal so.
Der nächste Morgen begann nach dem Frühstück sogleich mit viel Arbeit. In verschiedenen Zwischendecks musste Stauholz ausgelegt werden, in einigen Unterräumen war alles bald voll. Dann musste schnell das Zwischendeck angedeckelt werden, damit zügig weitergeladen werden konnte.
Der zweite Abend hier in Amsterdam wurde von mir nicht zu einem Landgang genutzt. Ich hatte mich mit einem Messesteward angefreundet und verbrachte den Abend bei ihm in der Kammer, die mittschiffs lag. Er versuchte mich aufzuklären über die Eigenarten verschiedener Offiziere und auch über den Koch und die Kochsmaaten, mit denen er beruflich jeden Tag Kontakt hatte. Ich hörte mir alles ohne Kommentar an, was sollte ich auch sagen.
Letzte Station in Europa – Antwerpen
Unsere letzte Station in Europa sollte für dieses Mal Antwerpen sein, auch wieder nur ein Katzensprung von Amsterdam aus, trotzdem, auch hier wieder ein vorheriges Seeklarmachen, dann ging’s ab nach Belgien.
In der Nacht wurde ich plötzlich geweckt, mit dem Hinweis: „In einer halben Stunde Einlaufen Antwerpen“, und schon bald darauf stand ich auf der Back, voraus die Lichter der Schleuse vor dem Hafen. Es folgte das Festmachen in der Schleuse, Warten, Losmachen, und nach einer halben Stunde lagen wir mit Schlepperhilfe am Ladeplatz.
Noch in der Nacht wurden die Bäume wieder gestellt und die Luken geöffnet, dann war wieder Ausscheiden bis zum Frühstück, es waren aber noch gerade zwei Stunden bis dahin, also wurde es mit Schlafen nichts mehr.
Hier in Antwerpen kamen viele Händler an Bord, die uns allen etwas verkaufen wollten. Man konnte praktisch alles kaufen und brauchte sich auch wegen der Bezahlung keine Sorgen zu machen, die Händler, deren Shops immer in der Nähe des Hafens lagen, holten sich schon ihr Geld.
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