1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 »Herr Chefinspektor Oberstohner, schön, von Ihnen zu hören. Ich hätte mich morgen auch gleich bei Ihnen gemeldet.«
»Hören Sie mit den Höflichkeitsbekundungen auf und berichten Sie mir von dem toten Jogger! Warum wollten Sie mir erst morgen davon berichten?«
»Nun ja, die Sache ist die. Ich warte noch auf weitere Untersuchungsergebnisse und ich hatte gedacht, dass diese mir nun durchgegeben werden würden. Mit Ihnen hatte ich da gar nicht gerechnet.«
»Das meiste weiß ich bereits. Eine junge Dame aus der Gerichtsmedizin in Salzburg hat mich bereits auf den neuesten Stand gebracht. Ein flottes Mädchen. Weiß, was sich gehört!«
Diese Anmerkung ließ Wedelmaier unkommentiert. Es brachte nichts, seinem Vorgesetzten zu widersprechen. Er hatte sowieso immer recht und saß am längeren Hebel. Bis zu seiner Pensionierung wollte Wedelmaier nichts anbrennen lassen.
»Das ist gut, Herr Chefinspektor, dann wissen Sie ja bereits Bescheid. Die Untersuchungen laufen noch, um die Todesursache genauer zu bestimmen.«
»Richtig. Was haben Sie bisher zu der Schwester herausgefunden?«
Oh weh, die Schwester! Die hatte er über seinem Spiel am Handy ganz vergessen.
»Ja, die Schwester. Na ja, wenn wir die Todesumstände kennen, werde ich Sie informieren.«
»Haben Sie denn bereits mit den deutschen Behörden Kontakt aufgenommen, um die Schwester ausfindig zu machen?«
Wedelmaier merkte, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Ein Gebilde aus noch mehreren kleineren Flunkereien würde sicherlich sehr bald zusammenbrechen. Er entschied sich nahe an der Wahrheit zu bleiben.
»Noch nicht. Haha. Hier war noch so viel Papierkram zu erledigen. Der Bericht und so. Sie wissen schon. Nicht wahr? Hehe.« Der Bezirksinspektor versuchte die Situation durch etwas gekünsteltes Lachen zu entschärfen, was aber nicht den gewünschten Effekt hatte.
»Wedelmaier! Sie fauler Hund! Erzählen Sie mir nicht, dass es zu viel verlangt gewesen wäre, heute schon mit den deutschen Behörden Kontakt aufzunehmen und eine Wohnortbestimmung der Schwester durchführen zu lassen. Das kann doch nicht wahr sein. Ich werde morgen Vormittag um 10:00 Uhr bei Ihnen sein! Dann erwarte ich Ergebnisse!«
Wedelmaier hielt den Hörer am ausgestreckten Arm von seinem Ohr entfernt, da die Lautstärke des Chefinspektors mit jedem Wort zunahm. Dann war die Leitung tot.
♦♦♦
Der Abend neigte sich dem Ende und sie hatten die aufregenden Ereignisse des Tages zusammen besprochen. Gwen, Stefan und Phil saßen bei einer Flasche Wein und einer Cola in ihrem Appartement und amüsierten sich.
»Du hättest seine Augen sehen sollen, als ich ihm sagte, ich sei aus Deutschland und eine Kollegin. Er merkte dann endlich, dass man mit mir nicht so umspringen kann.«
»Der Dorfpolizist bewegte sich dann überhaupt erst einmal«, warf Phil ein. »Sonst saß er ja nur an seinem Schreibtisch. Ich glaube nicht, dass er viel an die frische Luft kommt.«
»Viel scheint hier wirklich nicht zu passieren«, stimmte Stefan Phil zu. »Ihr glaubt es kaum, aber nachdem ihr losgegangen wart, um Hilfe zu holen, ist hier oben keine Menschenseele vorbeigekommen. Die Leiche hätten sie bestimmt wochenlang oder sogar monatelang nicht gefunden, wenn sich hier niemand die Mühe macht auf den Berg zu wandern.«
»Sicherlich ist noch nicht die richtige Saison angebrochen«, gab Gwen zu bedenken.
»Na ja«, entgegnete ihr Stefan, »das Reisebüro meinte schon, dass es eigentlich ein schöner Wintersportort war, der aber auch in den Sommermonaten gut besucht sei. Vielleicht will nicht jeder der Besucher den ›Loser‹ erwandern, dass kann schon sein, aber, dass so gar niemand in den ganzen Stunden vorbeikam ist schon komisch.«
»Seltsam war ja auch, dass sie keinerlei Spuren gesichert hatten, als die Polizei endlich angekommen war«, wechselte Gwen das Thema.
»Das ist aber verständlich, Gwen. Überleg mal, es ist doch kein Verbrechen passiert. Ein toter Jogger im Wald. Keine offensichtliche Gewalteinwirkung. Nur ein paar Schrammen durch seinen Sturz. Da hätten wir in Deutschland auch nicht gleich das komplette Programm mit der Spurensicherung aufgefahren.«
»Vermutlich hast du recht. Aber vielleicht wurde er gejagt und ist an Erschöpfung gestorben.«
»Du hast wirklich eine blühende Fantasie, Mama«, mischte sich Phil ein, »Und wer sollte ihn gejagt haben?«
»Vielleicht ein wildes Tier, ein Kampfhund oder etwas Ähnliches.«
Stefan versuchte die Schauergeschichten im Keim zu ersticken. »Nun hört aber beide mal auf. Wir sollten uns an die Fakten halten und die sprechen eine eindeutige Sprache. Ein toter Jogger starb wahrscheinlich an Überlastung, da es keine äußeren Anzeichen eines gewaltsamen Todes gab. Punkt! Die hiesige Polizei wird das bestimmt bestätigen.«
»Das klingt vernünftig und wir sollten morgen gleich noch einmal auf der Wache nachfragen, ob sie noch weitere Informationen von uns brauchen oder wir anderweitig helfen können.«
Stefan sah Gwen ungläubig an. »Du willst hier in deinem Urlaub deine Arbeitskraft zur Verfügung stellen? Gwen, das schaffen die Jungs hier auch allein und außerdem gibt es für uns hier nichts zu helfen.«
»Wie kannst du das wissen? Wir sollten mindestens einmal nachfragen. Unser Urlaub ist in einigen Tagen beendet und wir müssen uns wieder unserem alten Trott ergeben. Da ist doch etwas Abwechslung angebracht, oder?« Gwen legte ihren Kopf auf die Seite und sah Stefan mit ihren leuchtend grünen Augen an. Sie strich sich eine ihrer roten Locken aus dem Gesicht und taxierte ihn verführerisch.
»Ich freue mich, dich so euphorisch zu sehen, aber wir wollten uns hier entspannen und nicht in einen Kriminalfall, der keiner ist, verwickeln lassen.«
Ohne etwas zu sagen schmiegte sich Gwen an Stefans Brust und schnurrte wie eine Katze.
»Du kannst mich nicht so einfach um den Finger wickeln, Gwen. Wir sollten realistisch bleiben.«
Abrupt stieß sich Gwen von Stefan ab und setzte sich wieder neben ihn. »Du bist immer so vernünftig, so strukturiert, so planvoll. Kannst du nicht auch einfach mal deinem Herzen nachgeben und machen, wozu du Lust hast? Paul stand immer zu mir und wir haben allerhand gemeinsam gemacht.« Eine Träne entstand in ihrem Augenwinkel, aber Gwen ließ sich nichts anmerken.
»Paul hat mich immer unterstützt. Er stand zu mir, auch wenn es manchmal sicherlich unsinnige Dinge gewesen waren. Aber wir hielten zusammen und haben die Dinge gemeinsam angepackt. Ich dachte, ich kann auf dich zählen. Als mein Partner im Beruf und auch in meinem Leben?« Die Träne lief ihr an der Wange herab. Stefan fing sie mit seinem Zeigefinger zärtlich auf.
»Aber natürlich kannst du dich auf mich verlassen. Ich sehe nur keinen großen Sinn darin, sich in die Polizeiarbeit hier vor Ort noch einzumischen. Aber wenn du meinst, dass wir es versuchen sollten und du dich dann besser fühlst, dann bin ich mit dabei.« Seine warme Hand führte ihren Kopf vorsichtig zu seiner Brust. Gwen ließ es geschehen.
»Dann gehen wir drei morgen nochmal zu dem Dorfpolizisten und mischen ihn ordentlich auf?«, vergewisserte sich Phil.
»Bis auf das ›aufmischen‹, werden wir das morgen nochmal in Angriff nehmen«, korrigierte Stefan ihn.
Phil trank seine Cola aus. »Prima, ich freue mich und ich gehe schon mal ins Bett, damit ich morgen bei den Ermittlungen ausgeschlafen bin«, bemerkte Phil neckisch.
Gwen blickte Phil nach und bemerkte erneut, wie ähnlich ihr Sohn ihr wurde. »Gute Nacht mein Großer!«
♦♦♦
Der Bezirksinspektor hatte die Wache am Abend zuvor direkt nach dem Anruf seines Chefs verlassen. Er sah keinen Sinn mehr darin, die deutschen Behörden noch am Abend für einen Fall zu alarmieren, der am nächsten Morgen geschlossen werden würde. Die Rückführung nach Deutschland und die Unterrichtung der Angehörigen könnten die nachfolgenden Behörden veranlassen. Darum würde er sich als kleiner Polizist nicht kümmern müssen. Also war Alois Wedelmaier wie immer um 08:00 auf der Wache und hatte somit noch zwei Stunden Zeit, um für seinen Chef den Bericht zu verfassen.
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