1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Stefan blickte Gwen fragend an, die nur mit den Schultern zuckte und den Mund zusammenkniff.
Phil bemerkte als erstes den heranrollenden Krankenwagen und wies ihn an zu halten. Zwei junge, blonde, gut trainierte Männer stiegen aus, nahmen ihre Notfallkoffer mit und gingen zügig zu dem Beamten. Die drei kannten sich offensichtlich sehr gut, bemerkte Gwen, denn ohne sich vorzustellen, schüttelten sie nur kurz die Hände.
Nach wenigen Minuten hatte die Besatzung des Krankenwagens das Offensichtliche festgestellt. Der Mann war tot.
Stefan wandte sich flüsternd an Gwen: »Wenn der Mann tot ist und die Todesursache nicht offensichtlich ist, sollte man da nicht vorsichtig agieren und vom Schlimmsten ausgehen?«
Gwen antwortete nickend: »Ja, so würden wir das in Kiel handhaben, aber offensichtlich haben diese Almpolizisten eine andere Herangehensweise.«
»Die Kollegen nehmen den Toten mit und bringen ihn in die Gerichtsmedizin nach Salzburg, um die Todesursache festzustellen. Wir brauchen bitte noch Ihre Kontaktinformationen und eine Aussage, wie Sie den Toten gefunden haben. Dann ist die Sache für Sie erledigt und Sie können ihren Urlaub fortsetzen.«
Phil, Stefan und Gwen machten dem Bezirksinspektor gegenüber alle ihre Aussagen und er notierte sich flüchtig ein paar wenige Stichworte. Es war ihm anzumerken, dass er endlich Feierabend machen wollte, der Tote ihm den Feierabend schon ausreichend verdorben hatte und er sich nicht weiter mit den Besserwissern aus Deutschland abgeben wollte. Die Leiche war mittlerweile abtransportiert worden und als die drei mit ihren Aussagen fertig waren, fragte Wedelmaier so freundlich er konnte, ob er die drei noch mit hinunter ins Tal nehmen oder woanders hinbringen könnte. Da es bereits dämmerte und sich der Rückweg sonst bis in die Dunkelheit hinziehen würde, nahmen sie dankbar an. Wedelmaier setzte die Familie an ihrer Hütte in der Siedlung am Fuße des ›Loser‹ ab, bedankte sich förmlich, aber nicht herzlich für die Zusammenarbeit und verschwand in der Dunkelheit.
»Was war das denn für eine Vorstellung?«, fragte Gwen ungläubig.
»Andere Länder, andere Sitten«, gab Stefan schmunzelnd zurück.
Phil sah beide amüsiert an, denn auch er hatte verstanden, dass es in Deutschland auf Grund der vielen Vorschriften sicherlich eine andere Prozedur gegeben hätte, um mit der Situation umzugehen. Dies aber, würde nun ein Problem der österreichischen Behörden sein.
♦♦♦
Der Bezirksinspektor saß in seiner kleinen Amtsstube und spielte ein Spiel auf seinem Mobiltelefon, als es klingelte. Er unterbrach das Spiel, erkannte die Nummer und nahm den Anruf entgegen.
»Wedelmaier. Was habt ihr herausgefunden?«
»Herr Bezirksinspektor. Hier ist Luisa Steiner von der Gerichtsmedizin in Salzburg. Ich habe das Ergebnis der Untersuchungen für Sie.«
Luisa Steiner war Anfang dreißig, zierlich und hatte blonde, kurze Haare. Es war ihre erste Anstellung nach ihrem abgeschlossenen Studium und als Neuankömmling in der Gerichtsmedizin wurde ihr die Ehre zuteil, Untersuchungsergebnisse telefonisch durchzugeben. Ihre Vorgesetzten verfassten die Berichte oder unterschrieben solche, delegierten die Telefonate aber an ihre jüngeren Teammitglieder. In diesem Fall traf es Luisa, die nervös mit der Zunge an ihrer kleinen Zahnlücke spielte, während sie die Reaktion abwartete.
»Berichten Sie!«
Der Bezirksinspektor war offensichtlich schon ungeduldig und wollte nicht länger auf die Folter gespannt werden oder er war einfach nur ein unhöflicher und unangenehmer Zeitgenosse. Soviel Menschenkenntnis besaß Luisa, um auch am Telefon die Stimmung zweifelsfrei einzuschätzen. Also kam sie gleich zum Punkt.
»Zuerst kann ich berichten, dass wir die Identität des Toten bestimmen konnten. Wir glichen seine Fingerabdrücke mit den internationalen Datenbanken ab und hatten einen Treffer, da er einen neuen Reisepass besaß. Hierfür werden ja seit einigen Jahren biometrische Merkmale als zusätzliche Identifikationsmöglichkeiten gespeichert. Sowohl sein Gesicht als auch seine Fingerabdrücke konnten wir so sehr schnell in Einklang bringen und bekamen seinen Namen. Es handelt sich um Andreas Schörff. Er verbrachte seinen Urlaub hier bei uns in Österreich. Er war ein selbstständiger Sicherheitsberater aus Deutschland. Schörff hatte eine Schwester. Vielleicht könnten sie in der Zwischenzeit ihre Kontaktinformationen ausfindig machen?«
»Später! Sehr gut bisher …«, unterbrach sie Wedelmaier herrisch, der diesen Fall so schnell wie möglich abschließen wollte, »… irgendwelche Verletzungen oder war es ein natürlicher Tod?«
»Dazu wollte ich gerade kommen, Herr Bezirksinspektor. Außer einigen Schürf- und Schnittwunden in seinem Gesicht, an den Handinnenflächen und an seinen Knien, konnten wir keine Anzeichen von äußerer Gewaltanwendung feststellen. Wie es scheint, war er beim Joggen, als er stürzte. Vielleicht war ihm schwindelig oder er hatte einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Ohne weitere Untersuchungen werden wir uns hier aber nicht festlegen können. Ich wollte Sie aber so schnell wie möglich informieren, damit Sie erste Anhaltspunkte für Ihren Bericht haben. Sobald wir unsere Untersuchungen abgeschlossen haben, werde ich mich wieder melden. Vielleicht bekommen wir durch die Obduktion weitere Anhaltspunkte, wie er gestorben ist.«
Wedelmaier merkte, dass das Gespräch beendet war und antwortete: »Tun Sie das, Fräulein!« Er legte auf.
Jetzt kam der Teil, den er am meisten hasste. Er musste seinen Bericht verfassen. Warum hatte er nur immer Dienst, wenn es solche außergewöhnlichen Vorfälle gab? Sein Chef würde ihm so lange keine Ruhe geben, bis der Bericht geschrieben und der Fall abgeschlossen war. Er war immer so penibel und hing an seinen Fersen, da er es nicht leiden konnte, wenn die Dinge lange offen waren oder vor sich hergeschoben wurden.
Wedelmaier tippte auf seiner alten Schreibmaschine. Seine beiden Zeigefinger suchten Buchstabe für Buchstabe und schlugen die jeweiligen Tasten an. Seine Vorgesetzten waren der Meinung, dass sich hier so wenig Fälle ereigneten, dass sich weder eine Anbindung an das Datennetz der Polizei und Gendarmerie noch die Anschaffung eines Computers lohnte. Für die drei bis vier Berichte im Jahr war es zumutbar die gute alte Schreibmaschine zu bemühen.
Nachdem er das Unfallformular, welches seiner Meinung nach am besten passte, mit den vorhandenen Informationen ausgefüllt hatte, zog er den Zettel zwischen den Walzen heraus und begutachtete das Papier sowie seine zwei Durchschläge. Wedelmaier legte es zur Seite und nahm sein Handy zur Hand, um sich weiter seinem Spiel zu widmen. Er würde warten müssen, bis sich die Gerichtsmedizin aus Salzburg wieder melden würde, um über die Umstände des Todes zu berichten. Bis dahin bräuchte er sich keine Gedanken um irgendwelche Untersuchungen zu machen und auch bei einem natürlichen Tod, würde der Fall sehr schnell zu den Akten gelegt werden können.
Der Tag neigte sich dem Ende und der Bezirksinspektor wollte zusammenräumen, als es erneut klingelte. Hastig nahm Wedelmaier das Telefon ab und blaffte in den Hörer.
»Was können Sie mir berichten?«
»Wie bitte? Wedelmaier, was erlauben Sie sich? Können Sie sich nicht vernünftig melden?«
Der Chefinspektor! DER hatte ihm gerade noch gefehlt. Karl Oberstohner erkundigte sich gerne nach dem Stand der Untersuchungen, insofern er davon wusste. Ansonsten ließ er diese Zweigstelle der Polizei, in der sehr selten etwas Aufregendes passierte, links liegen. Wedelmaier grübelte, wie sein Vorgesetzter nur so schnell davon Wind bekommen haben konnte. Er hatte geplant, ihn am nächsten Tag von dem neuen und sogleich abgeschlossenen Vorfall zu unterrichten, aber irgendwie wusste er bereits Bescheid. Wedelmaier entschied sich für die Flucht nach vorne, denn ein Versteckspiel mochte Oberstohner gar nicht. Hoffentlich würde sein Feierabend nicht darunter leiden. Der Chefinspektor war ein kleiner, stämmiger Mann, Anfang fünfzig mit dunklem Haar. Ihm machte niemand so schnell etwas vor und er war sehr fordernd.
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