Dirk Biermann
IM SCHATTEN DER DEPRESSION
DIRK BIERMANN
Im Schatten der Depression
Was Angehörige durch schwere Zeiten tragen kann
© 2019 Arbor Verlag GmbH, Freiburg
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
E-Book 2020
Titelfoto: ©Sime Basioli/unsplash.com
Lektorat: Ralf Lay
Hergestellt von mediengenossen.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-332-7
INHALT
VORWORT: Depression geht alle an
EINLEITUNG: Im Schatten der Depression
TEIL 1
Sehen, wie es ist
ALLES, WAS ICH MACHE, IST FALSCH:
Angehörige und die Ohnmacht der Gefühle
HILF MIR, ABER LASS MICH BLOSS IN RUHE:
Kommunikation in Zeiten der Depression
AM LIEBSTEN WÜRDE ICH GAR NICHT MEHR AUFWACHEN:
Depression und Suizid
AUF DER SPIRALE IN DIE PASSIVITÄT:
Wenn Fürsorge ausufert
ANGEHÖRIGE UND BURNOUT:
Der Erschöpfung vorbeugen
TEIL 2
Eine innere Haltung einnehmen
EIN BEDEUTSAMER UNTERSCHIED:
Warum Mitgefühl so heilsam wirkt – und Mitleid nicht
BEWEGLICH IM KOPF, WEICH IM HERZ:
Was Achtsamkeit bewirken kann
DURCH WELCHE BRILLE BETRACHTE ICH DIE WELT?
Wenn Wahrnehmung auf Bewertung trifft
DARF DEPRESSION SEIN?
Plädoyer für einen offenen und mutigen Blick
auf das Phänomen depressiven Erlebens
TEIL 3
Neue Möglichkeiten entdecken
DER LANGE ATEM DER DEPRESSION:
Von der Last mit der Rolle
GRENZEN SETZEN STATT MAUERN BAUEN:
Die Anerkennung der Freiwilligkeit
VOM TUN-KÖNNEN UND BESSER-BLEIBEN-LASSEN:
Ideen für den Alltag
RÜCKSCHAU:
Zeit für ein Schlusswort
ANHANG
INSPIRATION
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
WEITERFÜHRENDE SEMINARE
ZUM AUTOR
Nicht immer einfach.
Oft schön.
Ich weiß es nicht
Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, depressiv zu erleben. Wirklich tief depressiv zu erleben. Die Welt wie durch eine Milchglasscheibe wahrzunehmen und sich zu fühlen wie innen mit Watte ausgestopft. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, keinen Sinn mehr in allem zu sehen. Am liebsten gar nicht mehr da sein zu wollen, weil die Verzweiflung einfach zu groß ist. Die Lieben, die mit am Tisch sitzen, zwar zu bemerken, aber keine wirkliche Verbindung zu ihnen zu spüren. Und ich weiß nicht, wie es ist, mit all seinen Gedanken und Sinnen nur noch um sich selbst und die eigenen Befindlichkeiten kreisen zu können, obwohl man das gar nicht will. Ich weiß das alles nicht. Vielleicht habe ich hin und wieder an diesem Erleben genippt, gewiss auch mal intensiver, doch wirklich wissen tue ich es nicht .
Deshalb gebührt allen Menschen, die den Zustand der Depression aus eigenem Erleben kennen, die sich der Angst und der Panik immer wieder mutig stellen, mein allergrößter Respekt. Wenn es in diesem Buch um eine andere Perspektive geht, um die gleichfalls schwierige Situation der nahen Angehörigen und engen Freunde, dann soll das die Lebensleistung der von Depression, Burnout, Angst und Panik direkt betroffenen Menschen keinen Deut schmälern .
VORWORT:
Depression geht alle an
Sie lesen die ersten Zeilen eines Buches, das sich mit dem Thema „Depression“ beschäftigt. Praktisches Interesse mag Sie dazu bewogen haben. Vielleicht, weil Sie ratlos sind und nicht mehr wissen, wie das alles weitergehen soll. „Das“ mit der Depression, mit den Ängsten und der Panik. Vielleicht sind Sie der nahe Angehörige eines Menschen, der an Depressionen oder Burnout leidet, ein Ehe- oder Lebenspartner, ein erwachsenes Kind oder ein Elternteil. Oder ein enger Freund, eine Freundin, eine Arbeitskollegin. Vielleicht beschäftigen Sie sich beruflich mit dem Thema als Berater, Ärztin oder Therapeutin und wollen sich der Situation von Angehörigen depressiv erlebender Menschen noch weiter öffnen. Warum auch immer Sie beschlossen haben, dieses Buch aufzuschlagen und die ersten Zeilen zu lesen: Sie sollten wissen, was Sie hier erwartet.
Allen voran eine Praxisnähe, die mutig genug ist, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und die auch die unangenehmen Begleiterscheinungen einer Depression beim Namen nennt. Mir ist daran gelegen, dass Sie beim Lesen immer wieder den Eindruck haben: Ja, so ist das bei mir auch. Oder: Ja, das habe ich auch schon beobachtet. Im Umkehrschluss bedeutet das: keine Tipps, die gegen die gefühlte Wucht der Depression keine Chance haben. Keine rosa Decke, die die wichtigen Themen aus Verlegenheit außen vor lässt. Und keine voreiligen Lösungen, die der komplexen Situation nicht gerecht werden können. Angehörige von depressiv leidenden Menschen haben in erster Linie eins: ganz wenig Zeit. Deshalb ist dieses Buch so umfangreich wie nötig und so kompakt wie möglich. Es sollen Gedanken zur Sprache kommen, die wirklich tragen.
Depression kann irritieren, anstrengen und frustrieren. Das gilt für alle, die an diesem Prozess beteiligt sind. Auch Angehörige von depressiv erlebenden Menschen leiden oft unter der Situation, weil sich ihr Leben meist grundlegend wandelt und verkompliziert, wenn der Partner oder ein enger Familienangehöriger in das schwarze Loch der Depression fällt. Die Sorgen um den geliebten Menschen sind rund um die Uhr spürbar und beanspruchen fast die gesamte Energie. Dabei wäre diese so nötig für die Bewältigung des Alltags; gibt es doch plötzlich so viel mehr zu tun, so viel mehr Verantwortung zu tragen und so viel mehr auszuhalten.
Angehörige fühlen sich davon oft überstrapaziert und beginnen zu leiden – nur anders als die primär von der Depression Betroffenen. Bei dieser Aussage geht es ausdrücklich nicht darum, Leid bilanzieren und gegeneinander aufrechnen zu wollen nach der Devise: Wer leidet mehr? Wer leidet warum? Oder gar: Wer ist verantwortlich für wessen Leid? Es geht nicht um Schuld oder persönliches Versagen. Und es geht schon gar nicht um den Versuch, einander gegenüberstehende Lager zu bilden und primär Betroffene und Angehörige voneinander zu trennen. Alle blicken auf dasselbe Thema – wenngleich aus unterschiedlichen Perspektiven. Diese gilt es zu erspüren und zu verstehen.
Das Zusammenleben mit einem depressiv erlebenden Partner kann aus vielerlei Gründen belasten. Dies mag dazu führen, dass sich Angehörige mit der Zeit als Opfer der Gegebenheiten fühlen. Das erscheint nachvollziehbar, gründen die eigenen Schwierigkeiten doch ursächlich in den Problemen eines anderen Menschen. Doch gerade dieses „Opfer“-Empfinden lässt viele Angehörige an der Situation verzweifeln – und sie viel länger und intensiver leiden als nötig. Das Gefühl, vom Leben ungerecht behandelt zu werden, kann es erschweren, der Depression und ihren Auswirkungen mit Akzeptanz und Offenheit zu begegnen. Das führt auf Dauer fast zwangsläufig zu Groll – und der wendet sich mit seiner destruktiven Energie irgendwann gegen den Angehörigen selbst und begleitet ihn meist weit über die aktuelle depressive Phase des Partners hinaus.
Bleiben wir also schon aus Eigeninteresse bei dieser Ausgangsthese: Angehörige sind keine Opfer. Aber sie sind Teil einer Dynamik, die keine Rücksicht auf persönliche Grenzen nimmt und die mit ihrer durchdringenden Negativität und Schwere den Alltag von Familien, Partnerschaften und Freundschaften zu durchdringen und auf die Probe zu stellen weiß. Depression hat das Potenzial, Beziehungen und Partnerschaften massiv zu belasten und manchmal sogar zu sprengen. Je unbewusster und unwissender die Beteiligten dieser Dynamik und dem Wesen der Depression begegnen, desto anstrengender und schmerzhafter gestaltet sich das alltägliche Zusammenleben – und damit das Leben der Angehörigen an sich.
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