„Ich nehme die U-Bahn.“ Sie neigt also zum Plappern, wenn sie aufgeregt ist. Interessant.
Cami erreicht das Ende des Flurs und bleibt direkt vor dem Aufzug stehen. Kurz wirft sie mir einen Blick zu, sieht aber sofort wieder weg. Sie macht mir Platz, damit ich den Knopf für das Parkdeck drücken kann. Der Aufzug braucht eine halbe Ewigkeit. Ich sehe sie nicht an, sondern nur geradeaus. Meine Hose fühlt sich schon eng genug an.
Der Aufzug kommt endlich an und öffnet seine Türen. Fast hätte ich vergessen, wie beengt der Platz hier drinnen ist. Ich warte, bis Cami eingestiegen ist, dann folge ich ihr. Seit ich sie vorhin angesprochen habe, errötet sie die ganze Zeit über, und ich hasse es, wie sehr mir das gefällt. Ich hasse es, dass sich meine Kontrolle bei ihr verflüchtigt, gerade wenn ich sie am dringendsten brauche.
Wir stehen nur einen halben Meter voneinander entfernt. Gerade jetzt bin ich froh darüber, dass dieser Aufzug keine Spiegel besitzt, denn ihr Geruch alleine genügt, um mein Blut in Wallung zu bringen und das Problem mit der Hose zu verschlimmern, deshalb raffe ich meine Anzugjacke vor meinem Schoß zusammen. Kurz zuckt ihr Blick von der Seite zu mir und sie lächelt verlegen. Diese grünen Augen sind verdammt schön und von diesem Mund wäre beinahe jeder Mann besessen. Als ich sie direkt ansehe, sieht sie sofort weg und atmet hörbar aus. Die Spannung ist zu groß für diesen Raum.
„Mist! Ich habe vergessen, den Knopf zu drücken.“
Kaum sind ihre Worte ausgesprochen, lehnt sie sich zu mir, um an die Tasten zu kommen. Dabei fallen ein paar ihrer hellen Strähnen nach vorn und ihre Haarspitzen kitzeln meinen Unterarm. Ihr süßer Geruch dringt mir direkt in die Nase und ich bekomme leichte Gänsehaut. Obwohl ich so etwas wie ihr Boss bin und obwohl ich sie erst seit Kurzem kenne, will ich nur eins: sie an mich ziehen und sie an die Wand pressen, bis sie keuchend nach mir verlangt. Ich versuche meine Gedanken in Zaum zu halten und diese erregende Fantasie zu verscheuchen. Als die Schiebetüren sich öffnen, bin ich derjenige, der laut ausatmet.
Cami zögert, ehe sie ihre atemberaubenden Beine in Bewegung setzt. Sie lächelt mich sanft an.
„Gute Nacht, Connor.“
Bitte geh endlich!
Ehe ich noch etwas tue, das ich bereuen werde.
„Gute Nacht, Cami“, sage ich mit erzwungener Ruhe.
Ich schaffe es nicht, ihr Lächeln auch nur ansatzweise zu erwidern. Langsam dreht sie sich um und geht. Ich beiße mir auf die Lippe, bis der Fahrstuhl sich schließt. Verdammt!
Ich will diese Frau mit Haut und Haar, wird mir klar, als ich nach unten fahre. Aber ich kann sie nicht haben, ich darf sie nicht verführen. Wenn sie wüsste, wer ich wirklich bin, was aus mir geworden ist und welche Art von Umgang ich mittlerweile zu Frauen pflege, wäre sie entsetzt. Dann würde sie mich wohl nicht mehr so ansehen. Fast genau so, wie ich sie immer ansehen muss. Aber vielleicht wäre genau das gut so.
Ich habe meinen Weg gewählt. Obwohl es mir seit Jahren nicht mehr so schwergefallen ist, auf ihm zu bleiben. Doch ich kenne die Konsequenzen, wenn man mehr zulässt. Ich kenne die möglichen Folgen, wenn man seiner Begierde folgt. Wenn man dumm genug ist, seinen Gefühlen die Kontrolle zu überlassen. Meine Besessenheit von ihr kann nur in eine Katastrophe führen, sowohl für sie als auch für mich. Deshalb werde ich weiter die Finger von ihr lassen, auch wenn es mich umbringt, sie nicht zu haben.
Cami
Die letzten zwei Wochen bestanden im Grunde nur aus Arbeit, dem Einrichten der Wohnung und verbotenen Träumen von Connor Veith. Seit der spannungsgeladenen Begegnung im Aufzug in jener Nacht suchen sie mich mehrmals die Woche heim. Es sind Träume, wie ich sie noch nie hatte. Um ehrlich zu sein, sind die Träume von Connor erotischer und intensiver als alles, was ich bisher mit Männern erlebt habe. Das ist deprimierend, aber wahr. Leider machen es die heißen Träume und Fantasien zu einer Tortur, in Connors Nähe zu sein oder mit ihm zu sprechen. Beides ist in den letzten Tagen nur äußerst selten vorgekommen. Wenn es nicht völlig absurd wäre, würde ich denken, er geht mir absichtlich aus dem Weg. Doch das ist nur Unsinn. Er ist der Besitzer einer florierenden Agentur, sehr beschäftigt und warum sollte er seine Zeit mit einer seiner Grafikerinnen verschwenden. Obwohl ich ständig darauf brenne, ihn zu sehen, halte ich es für besser, dass es dafür kaum Gelegenheiten gibt. Meine Reaktion auf seine bloße Nähe in diesem Aufzug beweist es. Ich war völlig neben der Spur. Nur weil er so nahe bei mir stand, zog und pochte es in meinem Unterleib, und meine Haut brannte und prickelte wie verrückt. Eine derartige Anziehungskraft habe ich bisher noch nie verspürt. Beinahe schon beängstigend. Vor allem die Intensität meiner nächtlichen Heimsuchungen.
Letzte Nacht war es besonders heiß und intensiv. Ich wachte in meinem Traum auf, weil es an der Wohnungstür geklopft hatte. Ohne nachzudenken, öffnete ich die Tür und Connor stand vor mir, mit gelockerter Krawatte, in einem weißen Hemd. Sein Bartschatten sah herrlich verwegen und kratzig aus, also fasste ich danach und rieb mich ungeniert an seinem Gesicht. Als er daraufhin nach mir fasste, fühlte ich, wie dünn das Nachthemd war, das ich trug. Ich hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen, als er seine Hände über meinen Körper wandern ließ. Ich stöhne und keuchte, als könne ich mich keinen Moment länger beherrschen. Er sah mich aus diesen faszinierenden grauen Augen an und sagte mir, dass er mich haben müsse, und ich gab mich ihm hin, auf dem Boden meiner Wohnung. Schamlos. Ich tat in diesem Traum all das, was ich im Leben nicht getan oder nicht genossen hatte. Doch mit ihm war es heiß und intensiv. Als ich aufgewacht bin, hatte ich erneut die Hand zwischen meinen Beinen und schnaubte frustriert. Der verdammte Wecker hatte mich um diese Traumfantasie gebracht. Selbst als ich mir kurze Zeit später die Zähne putzte, schlug mein Herz immer noch schneller als normal, und das feine Haar an meinen Schläfen war noch immer nassgeschwitzt von dem unglaublichen Sex-Traum der letzten Nacht.
Wie soll ich nur das heutige Agenturmeeting durchstehen, ohne dass Connor mir an der Nase, oder wohl eher an meinen erröteten Wangen, ansieht, was ich von ihm träume? Leider habe ich die ganze Woche keine Zeit gehabt, um mich mit Sascha oder Ella zu treffen, denn ich hätte gerne einen Rat von ihnen, wie ich meinen heißen Auftraggeber aus dem Kopf bekomme.
In meinem Boho-Kleid und den pinken Fransenstiefeletten fühle ich mich wenigstens ganz wie ich selbst und nicht wie diese Frau, die in meinen Träumen mein Gesicht trägt. Auf dem Weg in die Agentur muss ich ständig an Richard, meinen Ex, denken, was meine Laune nicht gerade verbessert. Ich höre förmlich seine Worte, wenn ich an mir herabsehe.
„Wie kannst du nur solche Sachen tragen? Musst du jedem zeigen, was du zu bieten hast, und erst diese Schuhe … Also wirklich!“
Richard war nicht immer so gewesen, zumindest nicht am Anfang. Aber er hatte seine Vorstellungen davon, wie ich zu sein hatte, wie unsere Beziehung zu sein hatte, und aus einem Grund, den ich mir bis heute nicht erklären kann, ließ ich es geschehen, dass er mehr und mehr nahm und ich mich mit der Zeit immer weiter von mir selbst entfernte. Anfangs bemerkte ich es kaum. Es waren nur Kleinigkeiten. Erst als er mich drängte, den Job in der großen Firma anzunehmen, weil Cami Designs nicht gut genug lief und er einfach nicht glaubte, dass ich daran etwas ändern könnte, kam mir langsam die Erkenntnis, dass wir vielleicht nicht zusammen sein sollten. Doch es war zu spät. Nach zwei Jahren miteinander, wobei die großen Gefühle meinerseits immer ausgeblieben waren, hatte ich den Großteil meines Freundeskreises verloren, weil wir immer nur mit seinen Freunden Zeit verbrachten. Ich bemerkte auch, dass es ihm mehr bedeutete, mich vorzuführen, als tatsächlich mit mir zusammen zu sein. Anfangs hatte er mir immer gesagt, wie schön ich sei, und ich habe ihm geglaubt, doch später ging mir auf, dass er nur an meinem Aussehen interessiert war, weil es ihn besser dastehen ließ. Es passte in seine Vorstellung von einem perfekten Vorzeigepaar. Es ging ihm nie wirklich um mich. Weder unterstützte er mich und meinen Berufswunsch noch war er für mich da, als es anfing, mit meinem Boss schlimm zu werden. Er sagte, ich solle mich nicht so haben und einfach tun, was er mir sagte. Ständig genervt von mir rollte er am Ende nur noch die Augen, wenn ich von der Arbeit sprach. Und der Sex? Schon kurz nachdem wir zusammengezogen waren, war er gerade mal lau, und ich hatte das Gefühl, dass es nur noch um ihn ging, darum, was er wollte, was ihn befriedigte. Die große Leidenschaft war es nie gewesen, von Anfang an nicht. Aber er hatte mir die ersten Wochen das Gefühl gegeben, ich sei begehrenswert, und gab sich Mühe. Ich begnügte mich damit und begann mich dafür zu hassen. Ich erkannte in meinem Verhalten meine Mutter, und als mir das klar wurde, zog ich die Reißleine und beendete es, kurz nachdem ich gekündigt hatte und er deshalb einen Streit vom Zaun brach. Ich hatte einfach genug, ich wollte nicht, dass ständig jemand an mir herumkritisierte und mich nicht wie eine erwachsene Frau behandelte. Schließlich habe ich dafür bereits meine Mutter. Die Beziehung zu ihr ist nie leicht gewesen, aber es gibt Gründe dafür. Ich schüttle den Kopf und versuche diese düsteren Gedanken zu vertreiben.
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