Adele Mann
Lilly Blaze - In Love
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Adele Mann Lilly Blaze - In Love Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Informationen
Impressum neobooks
Mom hasste den Krebs. Sie hasste ihn, weil er ihren Körper zerfraß, und auch, weil er ihrer Meinung nach unsere Familie zerstört hatte. Ich konnte ihr all die Jahre über nicht die Wahrheit sagen. Dass Dad uns so oder so verlassen hätte. Ich glaube, er hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, uns endlich loszuwerden, und der Krebs hat sie ihm geliefert. Wie sonst soll ich es mir erklären, dass Dad keine zehn Monate nach Moms Krebsdiagnose eine Siebenundzwanzigjährige geheiratet hat, die bereits wenige Monate später ein Baby bekam. Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass sich Miss Siebenundzwanzig Dad bereits vor seinem glorreichen Abgang geschnappt hatte. Sie bekamen ihren Sohn, und ich verlor einen Vater, der sich bis dahin ohnehin nie besonders für mich interessiert hat. Damals wurde mir mehr denn je klar, dass Dad Mom nur geheiratet hatte, weil sie mit mir schwanger war. Mir schien es, als hätte er stets auf den Moment gewartet, wann er sich dafür rächen konnte.
Mom hat es das Herz gebrochen. Sie erlaubte sich bis zum Schluss nicht, zuzugeben, dass Dad nur getan hat, was anständig war, als er sie zur Frau nahm, weil Großvater, der Geldspender der Familie, ein halbwegs anständiger Mensch war und es von ihm verlangte. Sobald Grandpa tot war, musste mein sogenannter Vater, den ich in den letzten Jahren nur Erzeuger nannte, den Schein der Anständigkeit nicht länger wahren. Und dann kam die erste Krebsdiagnose. Für Mom und mich ein Schock. Für Dad die perfekte Gelegenheit. Von da an gab es nur noch Mom und mich. Und jetzt gibt es nicht mal mehr das.
Mom hasst den Krebs nun nicht mehr. Denn inzwischen ist sie tot. Der verdammte Krebs hat am Ende der zweiten Runde doch noch gewonnen und sie mir für immer weggenommen.
„Lilly Blaze?“ Eine Sekretärin mit langen, braunen Haaren und vorsichtiger Stimme steckt ihren Kopf durch die Tür und unterbricht meine Gedanken, indem sie mich anspricht.
„Ja?“
„Sie können jetzt reingehen.“ Aufmunternd lächelt sie mich an. Ich hasse dieses mitleidige Lächeln. Seit Monaten folgt es mir überallhin.
„Danke.“ Ich stehe auf und gehe vom Wartebereich in die Kanzlei. Das Büro von James Falcon ist nicht zu verfehlen. Ich klopfe kurz und betrete sein Arbeitszimmer. Sofort sieht er von seinem Schreibtisch hoch. James ist Ende fünfzig, füllig und trägt, wie immer, wenn ich ihn sehe, einen guten Anzug. Der Großteil seines Haars ist ergraut. Einen Zustand, den meine Mom niemals erreichen wird. Nicht mehr. Sofort brennen meine Augen. Ich räuspere mich, um das Gefühl, jeden Moment heulen zu müssen, zurückzudrängen. James mustert mich betroffen. Er bemerkt es. Schließlich hat unser Familienanwalt mich viel zu oft in diesem Zustand erleben müssen.
„James.“
„Ich würde gerne sagen, dass ich mich freue, dich zu sehen, junge Dame, aber die Umstände deiner Besuche machen mir das unmöglich.“ Er nennt mich immer noch junge Dame. Schon seit der Scheidung meiner Eltern, als ich ein Teenager war.
„Da kann ich nur zustimmen.“ Ich atme durch und setze mich auf den gepolsterten Sitz vor seinem Schreibtisch. Der Raum riecht nach asiatischem Take-Away-Essen und seinem etwas zu süßlichen Eau de Cologne.
„Wir müssen auf niemanden warten. Bill hatte …“ Er stoppt, denn James wird klar, dass er den Satz nicht auf gute Weise beenden kann. Da der Satz in der Luft hängt, beende ich ihn:
„… er hatte nicht viel Familie übrig, seit Mom tot ist.“
Ich spüre wieder das Brennen im Magen. Seit ihrer Beerdigung quält es mich. Selbst als die Tränen versiegten, blieb mir das hohle Brennen im Bauch, mal mehr, mal weniger heftig. Mein ständiger Begleiter.
„Ja.“ Er rutscht auf seinem Stuhl vor, als wäre ihm das unangenehm, was ich verstehen kann. Wer muss schon innerhalb weniger Wochen zwei Testamentseröffnungen in einer Familie abhandeln, bis nur noch der jüngste Spross dieser vom Glück verlassenen Familie vor einem sitzt, weil niemand übrig ist, dem er das Testament verlesen kann. Vor nicht allzu langer Zeit war ich mit Onkel Bill hier, um Moms Testamentseröffnung hinter mich zu bringen, und jetzt bin ich wieder hier, um dasselbe für Bill zu tun. Das alles war zu viel für ihn. Bill hatte einen Herzinfarkt und hat mich mit all dem Schmerz und Kummer alleingelassen. Ich weiß, das klingt egoistisch, aber genauso fühlt es sich an. Jetzt ist niemand mehr da, auf den man zählen kann. Ich bin allein.
„Bitte, James, lass es uns einfach hinter uns bringen!“
Er lächelt mich mit gerunzelter Stirn an. „Das ist auch in meinem Sinne. Aber vorher muss ich wissen, wie es dir geht.“
Wie es mir geht? Ständig werde ich das gefragt. Wie soll es mir schon gehen? Ich bin gerade einundzwanzig geworden, musste die Uni abbrechen, um Mom zu pflegen, die in meinen Armen gestorben ist, mein Lieblingsonkel ist ihr schneller gefolgt, als ich verkraften konnte, und ich habe so gut wie kein Geld mehr und keine Aussicht auf irgendeinen richtigen Job. Nicht mal für eine Mindestlohnstelle tauge ich.
„Ich habe keine Ahnung … Fakt ist, in einem Monat muss ich aus der Wohnung ausziehen. Moms Schulden sind zwar fast alle abbezahlt, aber Dads Blutgeld reicht nicht, um weiter dort wohnen zu bleiben, also bräuchte ich dringend einen Job. Doch wie sich herausgestellt hat, ist eine Elite-College-Abbrecherin ohne Ausbildung keine attraktive Kandidatin für den Arbeitsmarkt … So in etwa geht’s mir. Und der Einzige, zu dem ich hätte gehen können, ist mir gerade weggestorben.“ Zornige Tränen rollen mir über die Wangen und tropfen unerhört warm in meine verkrampften Hände. Ich schäme mich.
James presst die Lippen fest zusammen. Er reicht mir ein Taschentuch aus der riesigen Box auf seinem Tisch.
„Danke.“ Ich atme lange aus, bis ich mich beruhigt habe. „Tut mir leid … Es ist nur … Bill wollte, dass ich bei ihm einziehe, sobald ich hier alles geregelt habe. Aber dann kam dieser Anruf, und ich musste wieder auf eine Beerdigung, um mich von jemandem zu verabschieden, den ich geliebt habe. Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles wirklich passiert ist.“
Während ich mir die Nase putze, streiche ich das schwarze Baumwollkleid glatt. Dass gerade heute ein warmer, schöner Frühlingstag ist, empfinde ich als Schlag ins Gesicht.
James steht auf. Er setzt sich auf den Stuhl neben mir. Seine warmen, dicklichen Finger legen sich über meine Faust.
„Lilly“, sagt er streng, aber sanft. „Ich weiß, dass es sich für dich anfühlt, als würdest du gerade an einem Abgrund stehen, aber ich schwöre dir, dass deine Lage nicht hoffnungslos ist. Denn die Menschen, die dich lieben, hatten nur eins im Sinn: so gut sie konnten für dich zu sorgen.“
Verständnislos sehe ich ihn an.
James zieht eine Akte von seinem Tisch auf seinen Schoß.
„Scheiß auf den offiziellen Mist! Du musstest dir das schon bei deiner Mutter anhören. Wenn du einverstanden bist, werde ich dir einfach sagen, was in Bills Testament steht.“
Читать дальше