1 ...6 7 8 10 11 12 ...42 Als wir wieder in das Casino kommen, sehe ich direkt die Bescherung. Nina steht mit hochrotem Kopf vor dem Tableau. Sie ist im Brand! So hatte ich mir ihr Warten nicht gedacht!
Ich setze mich an das freie Tableau und sehe mir das Elend an. Glühend vor Erregung starrt sie wie hypnotisiert auf die laufende Kugel. Dann hastet sie, kurz bevor die Spielabsage kommen muss, an das Tableau, kann sich jedoch nicht entscheiden wohin sie ihre Jetons setzen soll. Erst als der Bouleur sie auffordert zu setzen oder dieses Spiel auszulassen, platziert sie unsicher ihre Stücke. Sie verliert!
Als um vier Uhr morgens die letzten drei Spiele gelaufen sind, hat meine Freundin dreihundert Mark verloren. Für sie sehr viel Geld! Sie ist kotzsauer!
Auf der Fahrt nach Hause muss ich mir ihr Gejaule anhören. Als ich es endlich nicht mehr hören kann, hole ich einhundert fünfzig Mark aus der Tasche und gebe sie ihr. Dabei erkläre ich ihr, dass ich mich nun an ihrem Verlust beteiligt habe, nun solle sie aber mit ihrer Jammerei aufhören. Vor ihrer Wohnung angekommen, fährt sie erst dreimal um den Block. Dann steigen wir aus und nähern uns, nach allen Seiten umsehend, der Haustür. Nina hält eine kleine Gas-Pistole in der Hand. Obwohl sie an einer hellbeleuchteten Hauptstraße wohnt, hat sie diese Abwehr-Waffe immer griffbereit. Sie ist ein ausgesprochener Angsthase.
Nina benutzt den Aufzug, während ich bis zur 2.Etage die Treppe hinaufsteige. Ich hasse Aufzüge! Als sie ihre Wohnungstür, mit den vielen Riegeln und Schlössern hinter uns verschlossen hat, atmen wir beide erleichtert auf. Ihre Ängstlichkeit wirkt ansteckend. Im Stillen muss ich über ihre mehrfach gesicherte Tür grinsen. Wer sollte sie schon klauen? Auch in der Wohnung gibt es nichts Wertvolles, nur Klimbim, für das es sich lohnen würde, einzubrechen. Sie übertreibt ihre Vorsicht wirklich! Während sie in die Küche geht, um eine Kleinigkeit zu essen zu machen, mache ich es mir auf der Couch bequem. Aus der Küche ertönt ihr Geschnatter. Sie erzählt schon wieder von ihrem Pech beim Spiel vorhin. Ihre Worte fliegen ungeachtet an mir vorbei. Mich beschäftigen wichtigere Dinge.
Wenn die vier Kollegen in meinen Vorschlag einwilligen würden, müsste ich nur noch die Renovierung mit der damit verbundenen Geschäfts- Pause vorschlagen. Sicherlich würden diese geschäftlich klugen Leute die Argumente für diese Massnahme verstehen und einwilligen. Es war ja wirklich ein guter Gedanke. Außerdem hatten die Räume es dringend nötig. In Gedanken rechnete ich das mir bald zur Verfügung stehende Geld schon einmal durch. Auch wenn ich mich anteilmässig an den Kosten beteiligen musste, meinen Finanzier Nino auszahlen müsste, würde mir noch ein bisschen übrigbleiben. Ich nahm mir jetzt schon vor, sollte die Sache klappen, Nina zu einem kurzen Urlaub einzuladen. Da sie ewig im finanziellen Engpass war, weil sie mit ihrem Einkommen nie auskam, würde sie sich über die Einladung sicher freuen. Außerdem hatte ich weder die Lust noch den Nerv alleine zu fahren. Ihre etwas vorlaute, aufgedrehte Art würde mich dann von meinem Stress ablenken.
Die Gedanken an die schlimme Auseinandersetzung kann ich nicht so einfach auslöschen. Noch dazu bleibt mir als Erinnerung der hilflose Rest einer verfehlten Beziehung: meine süsse, kleine Rabea. Obwohl ich dieses niedliche Wesen mit den schwarzen Augen über alles liebte, kann ich jetzt nicht mehr verstehen, wie es soweit kommen konnte, dass ich, von diesem Dreckskerl, noch ein Kind bekommen konnte. Heute ist mir klar, dass ich mit Blindheit und Taubheit geschlagen gewesen sein musste.
Nachdem ich das erste Mal aus einer Trotzreaktion heraus, mit Franco geschlafen hatte, wollte ich es eigentlich auch dabei belassen. Er hatte sich jedoch die Sache anders vorgestellt. Also spielte er den sentimentalen, verliebten Romantiker. Obwohl es die immer gleichbleibende Ausrede aller verheirateten Männer war, glaubte ich ihm den unglücklichen Ehemann. Geschickt wickelte er mich ein, indem er mir erklärte, er fühle sich hin und her gerissen zwischen der Liebe zu mir und der Verantwortung seiner Familie gegenüber. Hauptsächlich seiner sechsjährigen Tochter könne er doch nicht im Stich lassen. Seine Frau sei ihm schon lange gleichgültig. Er habe sie nur deshalb sehr jung geheiratet, weil er in einer üblen Bande am Abrutschen war. Damit es nicht soweit komme, habe er lieber eine Familie gegründet. Zum damaligen Zeitpunkt habe er drei Freundinnen gehabt, zwischen denen er sich hätte nicht entscheiden können. Nachdem er dann beschlossen hatte den rechten Weg zu gehen, hätte er seine Ehefrau ausgewählt, indem er ‚Pinnchen’ gezogen
hätte. Das Kleinste, der verschieden langen, Hölzchen hätte die Entscheidung auf seine jetzige Frau gefällt. Prompt fiel ich auf das italienisch-sentimentale Schauspiel herein.
In den ersten sechs Wochen war ich trotzdem etwas wankelmütig. Mal fühlte ich mich angezogen, mal abgestoßen. Ich wusste selbst nicht, was ich wollte. Als er dann jedoch, mit seinem Gepäck in der Hand, vor meiner Tür stehend erklärte, nur ich wäre für ihn die Frau fürs Leben, glaubte ich es tatsächlich.
Da meine Schwester seit Jahren mit einem Italiener verheiratet und dabei sehr glücklich war, mein Schwager ein Bilderbuch-Ehemann und Familienvater war, glaubte ich, dies sei vielleicht Mentalitätsbedingt bei dieser Nation. Welch ein Irrtum !
Nach meiner Scheidung hatte ich ein unruhiges, unstetes Leben mit Udo geführt, deshalb sehnte ich mich mit reifen 36 Jahren nun nach einem ruhigen Familienleben. Und genau das bot Franco mir.
Er malte unsere Zukunft in den rosigsten Farben aus. Erst wollte er einige Jahre hart arbeiten und sparen (natürlich in meiner Branche, auf die er schon so lange scharf war) und danach ein solides Geschäfts-und Familienleben aufbauen. Er überschüttete mich mit sexuellen Zärtlichkeiten, um seine Lügen zu unterstützen. Dadurch glaubte ich nun zu wissen, warum meine Schwester so glücklich und zufrieden war. Weil Italiener eben alle nur an Heim und Familie denken. Endlich, so glaubte ich, hatte auch ich einen Mann gefunden, der mir ein ruhiges, familiäres Leben bieten würde. Warum meine Angehörigen, ja sogar mein Schwager, Franco gegenüber so skeptisch waren, verstand ich nicht. Selbst mein Schwager, Francos Landsmann? Von meinen Eltern war ich diese Art Ablehnung nicht anders gewohnt. Weder Robert noch Udo waren von meinen Eltern akzeptiert worden. Aber wieso waren sie auch gegen Franco? In meiner frohen, erwartungsvollen Stimmung ließ ich mich nicht beeindrucken. Ich schwebte auf einer Wolke. Bis ich nach ein paar Wochen plötzlich das Gefühl hatte, dass er irgendetwas vermisste. Er war so brummig. Sorgenvoll zerbrach ich mir den Kopf, was wohl mit ihm los sei? Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Das war es. Jedes Mal, wenn seine Frau die gemeinsame Tochter als Köder benutzte, um mit ihm in Kontakt zu kommen, war er anschließend nicht ansprechbar. Das Kind fehlte ihm also! Aber das konnte ich ihm auch geben. Wenn es sonst nichts war. Plötzlich fühlte ich mich wieder jung genug, noch ein Kind zu bekommen. Obwohl ich nach der Geburt meines Sohnes vor 13 Jahren keine weiteren Kinder mehr wollte, änderte ich jetzt spontan meine Meinung. Schließlich hatte ich immer ein Kind haben wollen, das mir glich. Mit dunklen Haaren und braunen Augen. Das meine beiden Großen blonde Typen waren, hatte mich immer ein wenig frustriert.
Bei dem fast schwarzhaarigen Franco und mir konnte doch nur ein Wunschkind rauskommen. Ich ging also zu meinem Arzt und ließ mich beraten, wie ich in meinem Alter den Nachwuchs planen konnte. Als ich drei Monate später schwanger war, bemerkte ich erst nicht. Inzwischen hatte ich mit meinem Chef, hauptsächlich wegen meiner Beziehung zu Franco, einige grobe Differenzen gehabt, da ich Klaus Versuche wieder bei mir zu landen, konsequent abgelehnt hatte. Mehrmals hatte er mittags vor meiner Wohnungstür gestanden und ich hatte ihm den Einlass verwehrt. Auch alle anderen Kollegen waren wegen der aggressiven, ausfallenden Art unseres Chefs sehr unzufrieden. Franco war dann der Initiator unseres Ausstieges.
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