Wolfram ergreift meinen Arm und fordert mich auf: „Komm, lass uns in die Halle gehen. Der Kaffee wird gleich gebracht.“
Als wir uns in der schweren Clubgarnitur gegenüber sitzen, muss ich mir erst seinen Vortrag über dieses Casino anhören. Er erzählt: sie hätten dieses Geschäft erst vor drei Monaten eröffnet. Leider wäre der Betrieb noch nicht so recht angelaufen. Das läge wahrscheinlich an dem strengen Winter. Da dieses Hotel, etwas abgelegen auf einer Anhöhe am Waldrand, im Winter etwas schwierig zu erreichen wäre. Diese Nachteile würden sich auf den Casino-Betrieb nachteilig auswirken.
Die nette Bedienung stellt mir ein kleines Tablettchen auf den Marmortisch. Außer der Tasse mit duftendem Kaffee, waren Sahne, Zucker, Süßstoff, ein verpacktes Plätzchen und ein kleines Täfelchen Schokolade darauf. (Nobel!) Als die junge Dame gegangen ist, kommt er endlich zum Thema: „Erzähle was hast Du auf dem Herzen? Was kann ich für Dich tun?“ Leise, dabei in meinem Kaffee rührend erkläre ich: „Ich bin gekommen, um Dir die Beteiligung in meinem Laden anzubieten. Für mich alleine ist die Arbeit etwas zu viel. Nicht nur arbeitsmäßig, auch finanziell. Außerdem brauche ich dringend Erholung. Warum brauche ich Dir wohl nicht zu sagen. Der Stress der letzten Monate, sowie das Theater der vergangenen Wochen haben mich ziemlich geschafft. Ich brauche einfach Entlastung. Was hältst Du davon? Hättest Du daran Interesse?“ Während er nachdenklich seinen Kopf wiegt, warte ich gespannt auf seine Antwort.
„Interesse habe ich auf jeden Fall. Das kannst Du Dir selbst denken. Aber Du weißt ja auch, dass ich mit einer Mannschaft zusammenarbeite. Das hat sich die letzten zwei Jahre als vorteilhaft erwiesen, da man arbeitsmäßig nicht so überlastet ist, und auf diese Art auch gleich mehrere Geschäfte machen kann. Ich müsste es mal meinen Partnern vorschlagen. Wie viel willst Du denn abgeben, und was willst Du für einen Preis haben?“ Meine Preisvorstellung für 50 % des Geschäftes kommt wie aus der Pistole geschossen. Dabei hatte ich mir auf der Fahrt hierhin darüber noch gar keine Gedanken gemacht.
Erstaunt sagt er: „Das ist nicht wenig. Sicher weißt Du auch, dass Franco schon vor längerer Zeit einmal, 40% des Ladens für die Hälfte des Preises angeboten hat. Dem Dicken und auch dem Klaus. Findest Du Deine Vorstellung nicht überhöht?“
Kopfschüttelnd, jedoch ruhig und sachlich erkläre ich ihm: „Nein, das finde ich nicht. Sonst hätte ich diesen Preis nicht genannt. Obwohl Franco mit der Sache nun nichts mehr zu tun hat, kann ich Dir den Unterschied gern erklären. Er hat die Beteiligung damals jedem wie faules Obst angeboten. Du weißt, dass es sich bei diesem Geschäft nicht um ein faules Angebot handelt. Der Laden hat eine optimale Lage in einer Zockerstadt. Außerdem noch konkurrenzlos. Franco ist damals von Angebot zu Angebot deshalb billiger geworden, weil alle abgelehnt haben. Ich weiß zwar bis heute nicht warum, aber es war ihm nicht gelungen, einen Interessenten zu finden. Dir ist doch auch klar, dass der Reutlinger mit Kusshand zugreifen würde. Er würde mir sogar einen wesentlich höheren Preis zahlen. Aber das will ich nicht. Es liegt klar auf der Hand, warum ich ihn vorhin nicht darauf angesprochen habe. Die Story mit dem ‚Wiener’ hast Du ja aus nächster Nähe mitbekommen. Ich möchte sie ungern wiederholen. An Euch habe ich deshalb gedacht, weil ich Euch gut kenne und weil Ihr in der Nähe wohnt. Ihr könntet mich auch arbeitsmäßig entlasten. Es gibt bestimmt noch einige, wenn auch wenige Interessenten, die ich ansprechen könnte, aber Ihr wäret mir am liebsten. Ich bin Dir zwar keine Erklärung schuldig, aber Du musst bedenken, dass ich auch noch unseren Finanzier auszahlen muss. Der ist immer noch mit einem Drittel beteiligt, und ich bin bei ihm noch gewaltig in der Kreide. Das soll zwar nicht Eure Sorge sein, aber ich muss das beim Verkaufspreis berücksichtigen. An dem Preis ist also nicht zu rütteln, das sage ich Dir gleich. Sprich es durch und überlegt es Euch, dann gib mir Bescheid!“ dabei sehe ich ihm ernsthaft und fest in die Augen.
Nachdem er mir aufmerksam zugehört hat, meint er in leicht verächtlichem Ton: „Warum bei Franco keiner angebissen hat, liegt doch klar auf der Hand! Du wirst doch nicht wirklich so naiv sein, dass Du das nicht weißt!“ Hohn und Abscheu tropft aus seinen Worten: „Mit diesem Strolch wollte doch niemand etwas zu tun haben! Das hieße gleich: sich mit dem König der Diebe verbünden! Der hätte mit Gold behangen sein können, kein vernünftiger Veranstalter hätte je ein Geschäft mit ihm gemacht.“ Zunehmend redet er sich in Rage: „Bitte nimm es mir nicht übel, ich will Dich nicht kritisieren, aber kein Mensch, der Dich kennt, weiß was Du an dem je gefunden hast. Das ist zwar Deine Angelegenheit, nur gepasst hat er nie zu Dir! Das war der absolute soziale Abstieg. Dass er in unserer Branche von Anfang an auf Ablehnung gestoßen ist, musst Du doch bemerkt haben. Na ja, das Thema ist nun endlich abgehakt.“ Er macht eine Pause und räuspert sich, dann legt er seine Hand auf meine und fragt mitleidig:“ Mädchen, wir kennen uns jetzt schon sehr lange. Ich will mich auch nicht in Deine Privatsachen mischen, das weißt Du. Ich konnte Dich immer gut leiden. Aber sag mal ehrlich, glaubst Du denn wirklich, dass die Sache ausgestanden ist? Fürchtest Du einen Racheakt? Die ganze Branche spricht ja darüber, dass Du Dich in Acht nehmen musst.“
Er tätschelt beruhigend meine Hand, während er heiser weiterspricht: „Mach Dir keine Gedanken, mich kann der ‚Großkotz’ nicht erschrecken. Euer Theater hat für mich mit der geschäftlichen Sache nichts zu tun. Mir ist auch klar, dass Du jetzt, da Du alleine bist, noch mehrere Interessenten finden würdest. Wie meine Partner darüber denken, weiß ich nicht. Aber wenn die aus irgendeinem Grund nicht wollen, mach ich es alleine. Ich kenne Dich gut genug, um zu wissen, dass wir beide miteinander klar kommen werden. Was Du aber auch immer am Hals hast, armes Mädchen. Erst dieser versoffene Udo, der Deine Kohle noch mit verzockt hat, dann diese italienische Ratte! Guck mich nicht so entsetzt an, Ratte ist der richtige Ausdruck für ihn! Für Deinen Mut, wie Du ihn abserviert hast, muss man Dich ja bewundern, auch wie Du Dich immer wieder auf die Füße stellst ist für eine Frau erstaunlich. Wenn wir geschäftlich zusammenarbeiten, hast Du endlich mal vernünftige Partner. Dann wirst Du wenigstens in finanziellen Dingen mehr Glück haben als bisher, das verspreche ich Dir.“ Nun strafft er sitzend den Oberkörper und nimmt eine drohende Haltung ein: „Wenn ich mit in Deinem Laden bin, kann sich dieser Strolch ja mal wagen, irgendetwas gegen Dich zu unternehmen. Dann wird er schon sehen, was er davon hat. Ich werde ihm dann durch seinen Bruder ausrichten lassen, dass er es sich nicht wagen soll, sich eine Dummheit einfallen zu lassen. Rino ist ja ein ganz vernünftiger Junge. Das krasse Gegenteil von Franco. Er arbeitet nun schon über ein Jahr als Croupier bei uns und wir sind sehr zufrieden mit ihm. Wenn unser Geschäft zum Abschluss kommt, werde ich mit dem mal reden. Ich werde die Marsch-Richtung ganz klar festlegen. Wo ist Franco jetzt eigentlich?“
Mit einem desinteressierten Schulterzucken antworte ich: „Keine Ahnung! Die Jungens sind der Meinung, dass er nach Italien abgehauen ist. Mir auch egal! Ich weiß nur eins: er soll es sich in seinem Leben nicht mehr wagen, mir über den Weg zu laufen. Dann passiert ihm ein Unglück, darauf kann er sich verlassen!“
Hellhörig geworden fragt Ede verwundert: „Wo sind die Jungens eigentlich? Ich denke Du hast ‚rund um die Uhr Bewachung’? Ich habe doch keinen von denen gesehen.“
Spitzbübisch grinsend entgegne ich: „Aber ich bitte Dich! Wenn ich zu Dir gehe, brauche ich doch keine Leibwächter! An Dich wagt sich doch so schnell keiner ran. Spaß beiseite, ich habe den Jungs frei gegeben, die hatten heute Schwierigkeiten mit ihrer Diensteinteilung. So Wolfram, sind wir soweit klar? Wann kannst Du mir Bescheid geben?“ Wir erheben uns gleichzeitig; auf dem Weg zum Spielraum erwidert er: „Spätestens übermorgen. Ich spreche das mit den anderen Morgen kurz durch. So lange hat es doch sicher Zeit?“
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