Auf mein Nicken sagt Heinrich warnend: „Dumm ist das zwar nicht gedacht, aber auch nicht ungefährlich. Weißt Du eigentlich, dass Du damit gegen das Lotterie-Gesetz verstößt?“
Als er meinen erstaunten Blick sieht, fährt er fort: „Siehst Du, das dachte ich mir. Es ist nämlich verboten, Geldgewinne zu verlosen. Sachpreise sind erlaubt. Ich glaube, darüber müssen wir uns noch mal genauere Gedanken machen. Jetzt mal was anderes, wie sind denn die Kaffee-Mädels? Sind die ordentlich und fleißig?“
Bestätigend erwidere ich: „Ja! Am Service möchte ich auf gar keinen Fall was ändern. Von den beiden Aushilfen ist eine meine Nichte. Sie ist ein nettes, fleißiges Mädel und sehr flott im Arbeiten. Die andere ist zwar ein bisschen langsamer, aber sehr freundlich und zuvorkommend zu den Gästen. Unsere Festkraft ist zwar schon älter, aber eine wahre Perle. Das werdet Ihr sehr bald selbst feststellen. Die sind alle okay! Wie ist es denn mit den Portiers? Die können doch auch bleiben? Ich möchte sie schon deshalb behalten, weil sie mir in den letzten Monaten gegen alle möglichen Angriffe den Rücken freigehalten haben. Für den Spielbetrieb habe ich sie zwar nie gebraucht, aber das ist auch gut so.“ Sofort springt Ede ein: „Es kann zwar sein, dass Du ein ruhiges Publikum hast, aber vielleicht ist gerade deswegen nie was gewesen, weil die Leute wussten, dass Du die nötige Rückendeckung hast. Das weiß man nicht. Ihr seid doch mit mir einer Meinung, dass wir die Portiers behalten? Schließlich kennen wir die Jungens seit Jahren.“
Als die anderen nicken, sagt er entschieden: „Die behalten wir, das ist klar. Die Kaffee-Frauen genauso. Nur bei dem Kölner habe ich Bedenken. Sollten wir ihn übernehmen, werde ich ihm besonders auf die Finger sehen. Es kann zwar sein, dass ich da falsch liege, vielleicht tue ich dem Mann sogar unrecht, aber mir wäre es lieber, wenn er nicht bliebe.“ Vermittelnd greift Heinrich ein: „Wir sollten uns den Kölner erst mal ansehen. Vielleicht ist es wirklich nur ein Vorurteil von Dir. Dann kann man später darüber entscheiden. Jetzt müssten wir mal über die Renovierung und den Start sprechen. Wäre es möglich, Ruth, dass Du die Sache in die Hand nimmst? Du kennst doch bestimmt einige Handwerker, schließlich wohnst Du quasi vor der Türe. Mach alles klar, gib einem Maler den Auftrag und sag Bescheid, wann wir danach eröffnen können. Willst Du das übernehmen?“
Zögernd entgegne ich: „Kein Problem! Am liebsten würde ich meinen Ex-Mann nehmen. Er ist Malermeister und ein wirklich guter Meister seines Faches. Ich kann ihn nachher gleich anrufen und einen Termin mit ihm vereinbaren. Aber einer von Euch müsste dabei sein, schließlich müsst Ihr die Arbeit bezahlen. Außerdem würde ich Euch raten, den Material-Einkauf selbst zu machen. So könnt Ihr die Prozente sparen, die der Handwerker kassiert. Sagt mir, für wann ich den Termin klarmachen soll.“
Doch Heinrich winkt ab: „Ich bin gerne bereit, den Termin mit Dir wahrzunehmen. Ich habe die nächsten Tage Zeit. Aber wegen der paar Mark Unterschied für die Tapeten, habe ich keine Lust selbst einkaufen zu gehen. Wenn Du das übernehmen willst, kannst Du es gerne machen!“ Ungläubig über seine Gleichgültigkeit gebe ich zu bedenken: „Ich glaube, Du weißt gar nicht, wie groß der Laden ist. Auf die Tapeten mag es zutreffen, dass es sich nur um ein paar Mark handelt. Aber da wir einhundert fünfzig Quadratmeter Teppichboden benötigen, ist der finanzielle Unterschied schon gewaltig. Bei dem Maler wirst Du den nicht unter vierzig Mark pro Quadratmeter bekommen. Gehst Du aber in einen Teppich-Markt, kannst Du schon ab zehn oder fünfzehn Mark schöne Böden kriegen. Rechne Dir den Unterschied mal aus. Außerdem muss man doch auch die farbliche Zusammenstellung abstimmen. Da Maler mit solchen Dingen täglich zu tun haben, stimmt denen ihr Farbgeschmack sowieso nicht. Das möchte ich schon selbst entscheiden, Ihr nicht?“ frage ich verwundert. Spontan sagt Heinrich: „Dann mach Du das doch. Uns ist das eigentlich egal, Hauptsache es sieht ordentlich und sauber aus. Geh Du einkaufen, dann hast Du die Möglichkeit die Farbzusammenstellung ganz nach Deinem Geschmack auszusuchen. Ich traue Dir guten Geschmack zu. Was meint Ihr?“ dabei blickt er beifallsheischend in die Runde. Gleichgültig nicken die anderen.
Mir ist es nicht egal, deshalb antworte ich: „Nun gut, dann werde ich den Einkauf erledigen. Obwohl es nicht meine Knete kostet, könnt Ihr sicher sein, dass ich preisbewusst einkaufen werde. Mir ist es nämlich nicht egal, wie der Raum aussieht, in dem ich mich fast täglich aufhalte.“ Desinteressiert zucken sie die Schultern. Den versteckten Tadel überhören die Herren.
Klaus steht schon, als er sagt: „Na, dann ist ja alles klar. Wir hören von Dir. Grüß Dich!“ Gelassen geht er zur Tür. Auch die anderen erheben sich. Während er väterlich seinen Arm um meine Schultern legt, sagt Heinrich: „Also gib mir den Termin durch. Am besten kannst Du mich ab mittags hier erreichen. Und denke bitte an die schriftliche Bestätigung. Das wär’s dann für Heute. Tschüs.“
Wilhelm schüttelt mir wortlos die Hand, dann geht er schwerfällig hinter den beiden Anderen her, auf die Karten-Ecke zu. Nur Wolfram bleibt, nachdem wir die Tür des ‚Blumengartens* hinter uns zugezogen haben, noch bei mir stehen. Er meint freundschaftlich: „Ich bin sicher Kleines, dass Du die richtige Wahl getroffen hast. Glaub mir, schon durch unseren Namen wird der Laden guten Aufschwung kriegen. Dabei wirst Du auch endlich mal Geld verdienen. Wird auch Zeit, bist ja nun schon Jahre in der Branche. Eines will ich Dir noch sagen, solltest Du irgendwelche Fragen oder Probleme haben, kannst Du mich jederzeit anrufen. Ich werde immer für Dich da sein. Mach Dir keine Sorgen, mit uns als Rückendeckung kann Dir nicht passieren. Alles klar?“
Ich nicke. Ob er meine Befürchtungen ahnt?
Auf der zwanzigminütigen Rückfahrt denke ich über das Gespräch und die Vier nach. Der Dicke hatte wie immer so gut wie gar nichts von sich gegeben. Man sagt allgemein, er würde sich grundsätzlich Heinrichs Meinung anschließen. Wie eine Marionette, lässt er es zu, dass ein anderer für ihn die Fäden zieht. Der Grund für die Abhängigkeit oder Dankbarkeit dem ‚Senior’ gegenüber ist allgemein bekannt. Ich hatte es damals kaum glauben können, dass ein Koloss von Mann, stur wie ein Panzer, energiegeladen und clever, einmal kurz vor dem Selbstmord gestanden haben soll, weil er sich mit Zocken total ruiniert hatte. Heinrich soll damals gerade im rechten Moment gekommen sein und den Dicken gerettet und auf den richtigen Weg geführt haben. Seit diesem Tag wäre es mit Wilhelm geschäftlich bergauf gegangen, weil er brav alles getan habe, was sein Meister ihm be fahl.
Glaubwürdig erschien mir die Geschichte deshalb, weil Zeugen berichteten, dass der Dicke ein Puff-Freier sei und sich von den ‚Damen des Gewerbes’ gerne versklaven und an der Leine führen ließ. Sogar bellen und das Bein heben soll er dabei. Masochistische Unterwürfigkeit, gleich welchen dominanten Wesen gegenüber, schien des Dicken Hobby zu sein. Unglaublich! Denn wer den ruhigen 3 Zentner Mann nicht näher kannte, würde ihn für einen seriösen Geschäftsmann halten.
Der Boxer hatte seine nette, kumpelhaft-brüderliche Art mir gegenüber beibehalten. So war er auch früher immer. Ich hatte Ede schon immer gemocht, weil er zu den ‚Starken’ gehört, die ihre Stärken nicht dadurch beweisen, indem sie die ‚Schwachen’ zu unterdrücken versuchen. Obwohl ich zu Udos Zeiten, aus geschäftlichen Gründen, einmal fürchterlich mit Ede aneinander geraten war, konnte ich ihm nicht böse sein. Er ist ein Mann, zu dessen Wort man Vertrauen haben kann. Seine abschließenden freundschaftlichen Worte hatten in mir tatsächlich eine Art vertrauenserweckende Sicherheit hervorgerufen. Was mir besonders an Wolfram imponierte, war, dass er der einzige treue Mann war, den ich kannte. An welchen Orten zu welchen Zeiten und unter welchen Umständen ich ihn traf, immer allein oder mit Kumpels. Nie mit fremden Frauen. Außer Zocken und Sport schien er keinerlei Außerhäusliche Interessen zu haben. Dumme Sprüche, abfällige Reden oder lüsterne Blicke auf fremde weibliche Hinterteile, all diese Dinge gab es bei ihm nicht! Deshalb war seine Frau um ihn zu beneiden!
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