Selbstsicher antworte ich: „Nein, zu Hause sitzen will ich bestimmt nicht. Ich möchte gerne am Wochenende frei machen, die anderen Tage arbeite ich mit. Das lässt sich doch sicher einrichten?“
Nun muss Klaus seinen Senf dazugeben: „Wozu willst Du arbeiten. Bleib zu Hause und kümmre Dich um Dein Kind! Bei uns brauchst Du Dir keine Sorgen um Dein Geld zu machen. Wir sind eine korrekte Firma. Nicht solche Penner wie die, mit denen Du bisher zu tun hattest. Wir beklauen unsere Partner nicht! Was willst Du Dir die Nächte um die Ohren schlagen?“ schimpft er aggressiv.
Irritiert protestiere ich energisch: „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde mich auf gar keinen Fall aus dem Geschäft zurückziehen. Eine solche Vereinbarung wird es nicht geben. Ich misstraue Euch zwar nicht, aber die Kontrolle werde ich trotzdem behalten. Ich werde auch weiterhin die Bücher führen. Ihr müsst verstehen, dass ich das meinem Vater schuldig bin. Im Interesse meines Vaters möchte ich selbst sehen, dass alles korrekt geregelt und bezahlt wird. Wir wollen doch einmal ganz ehrlich sein, was ich von Euch brauche ist keine Bevormundung, sondern finanzielle Rückendeckung, ein neu aufpoliertes Image, eine arbeitsmäßige Entlastung wegen der freien Tage und eine strenge Hand bei der Personalführung. Da sind wir bei einem Thema angelangt, was für mich von besonderer Wichtigkeit ist. Dass das gesamte Personal übernommen wird ist eine Grund-Voraussetzung unserer Vereinbarung. Ich will nicht, dass die Leute ihren Arbeitsplatz verlieren. Es gibt aber welche darunter, denen ein Ortswechsel nicht schaden könnte. Da Ihr ja noch andere Läden habt, wäre eine Umbesetzung doch leicht möglich. Allgemein müssten in meinem Laden die Zügel mal etwas straffer gezogen werden. Das habe ich in den letzten Monaten nervlich nicht geschafft. Vielleicht werden sich ja gewisse Leute bei neuen Chefs zusammennehmen, das werden wir sehen.“
Abwinkend meint Wolfram: „Das sind nebensächliche Dinge, die wir schnell im Griff haben. Dein Vorschlag mit der Umbesetzung kommt unseren Vorstellungen sehr entgegen. Wir wollten sowieso ein oder zwei Leute von uns mitbringen. Das ist ja ganz einfach durch einen Austausch möglich. Auf die Art gibt es keinen Engpass in den Läden, personalmässig. Aber einen von Deinen Leuten möchte ich nicht gerne haben, das sag ich ganz ehrlich. Den ‚Kölner’ möchte ich nicht behalten. Ich kenne ihn zwar kaum, habe aber zu viel Negatives von ihm gehört.“
Seine Vermutungen reizen mich zum Widerspruch: „Ich weiß zwar nicht, was Du über ihn gehört hast, aber es wird viel erzählt, davon darf man nicht alles glauben. Mir gegenüber war er immer korrekt. Ich kenne ihn schon lange und bin immer gut mit ihm zurechtgekommen. Es täte mir leid, wenn Ihr ihn nicht behalten wollt. Darüber müsst Ihr Euch noch mal Gedanken machen. Einen besseren Bouleur hatte ich noch nicht und ich kenne eine Menge!“
Alle reden durcheinander, bis Heinrich sich wieder Gehör verschafft: „Das Wort Bouleur kennen wir nicht. Diesen Quatsch gibt es bei uns nicht. Bei uns gibt es nur Croupiers. Sondervereinbarungen oder Bezahlungen kennen wir auch nicht. Wir stehen auf dem Standpunkt, wenn der Kessel in Ordnung ist, kann jeder werfen. Hattest Du denn mit dem Kölner eine besondere Vereinbarung?“
Gespannt warten sie auf meine Antwort und ich spüre ihren Unmut. Ich nicke: „Ja! Er bekommt fünf Prozent. Die Abmachung hatte Franco noch getroffen. Bis jetzt habe ich das beibehalten. Aber dass es bei einer neuen Inhaberschaft geändert wird, wird der Kölner sich sicher selbst denken können. Ich will Euch jedoch eines sagen, der Kölner ist besser als sein Ruf! Ihr würdet mir einen persönlichen Gefallen tun, wenn Ihr es wenigstens mal mit ihm versuchen würdet. Der Mann ist ein zuverlässiger, fleißiger und ruhiger Mitarbeiter. Wegen seiner freundlichen, ruhigen Art ist er bei allen Gästen sehr beliebt. Sein Namensvetter, Perücke, dagegen wäre der erste, den ich für einen Tapetenwechsel vorschlagen würde. Er ist zeitweilig derart launisch, dass er schon mit einigen Gästen aneinandergeraten ist. Er gehört zu den Menschen, die nach Sympathie entscheiden. Ausländer sind ihm grundsätzlich von Haus aus unsympathisch, und das zeigt er ihnen auch. Ein paar wenigen, bestimmten Leuten bringt er Freundlichkeit entgegen. Das sind nach seinen Worten ‚gute Jungens’. Wenn die gewinnen, zeigt er seine Freude darüber. Gewinnt aber ein Ausländer, zahlt er mürrisch den Gewinn an. Vielleicht liegt es auch daran, dass er schon zu lange in meinem Laden arbeitet. Eine Versetzung könnte ihm nicht schaden.“
Aufmerksam geworden, sagt Heinrich: „Das geht natürlich nicht. Da Du Deine Leute ja am besten kennst, werden wir uns wegen der Auswahl dann mit Dir noch beraten. Aber das hat ja noch Zeit. Hör mal, “ er macht eine kleine Pause, dabei nimmt sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an: „wie viel Croupiers hast Du denn beschäftigt?“
„Mit dem Kölner fünf“, antworte ich spontan, „und drei Kaffee-Frauen. Eine Festkraft und zwei Wochenend-Aushi1fen.“
„Wozu brauchst Du am Wochenende zwei Service-Kräfte? Ist der Betrieb so stark?“ fragt er erstaunt.
„Nur samstags arbeiten zwei Mädels, wegen dem Büffet. Dass schafft eine nicht alleine. Allerdings ist der Sonntag auch ein gut besuchter Tag, wohl wegen der Verlosung. Ich hatte mir schon überlegt, für sonntags auch eine zweite Bedienung einzusetzen“, erkläre ich die Gegebenheiten. Ärgerlich fällt Klaus mir ins Wort: „Diesen Quatsch mit Verlosung und dem Frusttag machst Du immer noch? Das hast Du doch nicht nötig! Du bist doch konkurrenzlos. Das ist zum Fenster rausgeworfenes Geld. Diesen Blödsinn schaffen wir mal als erstes ab. Wäre ja noch schöner. Die Leute sollen zocken, nicht fressen. Wem ist denn der Unfug mit der Verlosung eingefallen?“
Seine aggressive Art macht mich sauer, deshalb sage ich kampflustig: „Was hast Du denn für eine Ahnung? Nur weil Du früher, in der illegalen Zeit, mal in unserer Gegend veranstaltet hast, kennst Du Dich besser mit den Gegebenheiten aus als ich? Wenn Du glaubst, ich mache das, weil ich meinem Geld böse bin, hast Du Dich geirrt. Was ich in dem Geschäft bisher an Extras veranstaltet habe, war nötig. Wenn das Büffet abgeschafft wird, haben wir samstags ‚Totentanz’ und ohne Verlosung ist der Sonntag nicht halb so gut besucht. Ich weiß schon, was ich tue! Die paar Mark, die diese Veranstaltungen kosten, holt man doppelt und dreifach wieder rein. Ich hab’s ausprobiert, dass könnt Ihr mir glauben! Du darfst nicht von früheren Zeiten ausgehen, Klaus. Heute ist es doch so, dass Steuern, Sozialabgaben, sogar die enorm hohe Miete eine gewaltige Belastung sind, die Du ja früher nicht kanntest. Wenn man bei diesen hohen Kosten dann auch noch zwei laue Tage in der Woche hat, bleibt unterm Strich nichts mehr hängen. Und außerdem fängt man mit Speck bekanntlich Mäuse. Außer Klaus kennt keiner von Euch unsere Zocker richtig. Es ist ein recht solides Publikum, die am Wochenende ‚Familientag’ machen. Um die auch an solchen Tagen anzulocken, muss man was Besonderes bieten. Eines könnt Ihr mir glauben, schafft Ihr diese beiden Anreize ab, geht das Geschäft stark zurück. Das wäre ein Fehler!“
Zum ersten Mal äußert sich der Dicke: „Ich bin der Meinung, dass die Ruth recht hat. Wenn wir solche Extras abschaffen, halten die Leute uns für geizig, denn sie sind diese Vorteile ja bisher gewöhnt gewesen. Und wenn sich dann, wegen der paar Mark Ersparnis, die Besucherzahl verringert, haben wir am falschen Fleck gespart. An diesen Dingen sollten wir vorerst nichts ändern. Wie handhabst Du denn die Verlosung?“ will er nähere Einzelheiten wissen.
„Die Lose werden beim Einwechseln an der Kasse ausgegeben. Für jeden Hunderter bekommen die Spieler ein Los. Auf diese Weise sammeln die Leute die ganze Woche ihre Losnummern bis sonntags. Dann werden ab acht Uhr stündlich die drei Gewinne gezogen. „erkläre ich den Ablauf. „Nicht dumm.“ grinst Wolfram, „auf die Art zwingst Du die Spieler sonntags zu kommen und bis zum Ende der Verlosung zu bleiben. Sicher ziehst Du den Hauptgewinn zuerst, damit der Gewinner noch Gelegenheit hat damit zu zocken, oder?“
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