Schnell nutzte ich die Gelegenheit ins Wohnzimmer zum Telefon zu laufen. Zitternd und weinend rief ich hastig die Polizei an und bat um Hilfe. Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, als er hinter mir stand. Wütend schrie er mich an, mit wem ich telefoniert hätte. Weil ich nicht antwortete wurde er immer rasender. Während er mir gegen die Rippen trat, befahl er mir zornig schreiend, den Gesprächspartner zu nennen. Ich konnte nur noch vor Schmerzen wimmern. Nach endlosen Minuten ließ er von mir ab und ging ins Schlafzimmer. Wie durch Watte hörte ich seinen Befehl, jetzt endlich die Kleine zu füttern. Mühselig schleppte ich mich ins Bad um mein Gesicht zu waschen. Als er in dem Türrahmen erschien konnte ich meine Todesangst kaum verbergen. Doch er sah mir nur zynisch grinsend zu und wiegte dabei das Baby im Arm. Als er dann mit dem Kind wieder ins Bett verschwunden war, klingelte es.
So schnell ich konnte sprang ich an die Tür und öffnete. Als die beiden großen Uniformierten die Wohnung betraten, sah er diese erstaunt-dumm an. Damit hatte er nicht gerechnet. Die eindeutige Situation erkennend, forderten die Beamten den Übeltäter auf, sofort die Wohnung zu verlassen. Da sie Franco mit Namen ansprachen, war er ihnen offensichtlich kein Fremder. Mir noch einen bösen Blick zuwerfend verließ er kommentarlos die Wohnung.
Kurze Zeit später erschienen Ramona und Annette. Meine Freundin überzeugte mich, dass ich zur Untersuchung ins Krankenhaus müsse, schließlich wäre ein Rippenbruch nicht auszuschließen. Dort stellte man jedoch nur Prellungen, Quetschungen und Blutergüsse fest, wobei mein Gesicht noch am übelsten zugerichtet war.
Schon am nächsten Morgen war es derartig geschwollen, dass ich bis zur Unkenntlichkeit entstellt war. Durch die Rippenquetschung und den in Mitleidenschaft gezogenen linken Arm war ich nur unter starken Schmerzen in der Lage das Kind zu heben.
Plötzlich erschien meine Mutter. Sie war wohl von Ramona verständigt worden. Schweigend versorgte sie, mit zorniger Miene, das Baby und erledigte die anfallenden Hausarbeiten. Obwohl ich genau wusste, dass ich ihr nichts verbergen konnte, log ich trotzdem, als ich ihren besorgten Blick auffing: „Mir geht es gut, Mutti. Mach Dir keine Sorgen um mich. Ich schaff es schon.“ Zwei Tage später gab ich meinem zukünftigen Chef telefonisch Bescheid, dass ich meinen Arbeitsantritt um eine Woche verschieben müsse.
„Hallo, Hallo! Was ist los? Hast Du Alpträume? Steh auf! Ich habe schon den Kaffee fertig und den Tisch gedeckt,“ höre ich eine männliche Stimme. Ich reibe mir verschlafen die Augen und sehe Micki groß und breitschultrig, grinsend im Türrahmen stehen. Mein erleichtertes Lächeln kommt ein wenig gequält. Sicher grinst er belustigt über die Weiber, das schwache Geschlecht. Er ist der typische Macho mit dieser Einstellung. Wie aus weiter Ferne antworte ich mechanisch: „Ja. Gott sei Dank war es nur ein Traum. Alptraum ist der richtige Ausdruck.“
Als er mit seinem einer Raubkatze ähnelnden Gang in die Küche verschwindet, werfe ich den Bademantel über. Beim Zähne putzen denke ich: wenn auch die starken Männer verächtlich grinsen, ich möchte die Mal in einer solch brenzligen Situation sehen. Ob die dann wirklich so cool und überlegen bleiben? Nachdem ich mir kurz Gesicht und Hände gewaschen und über das Haar gestrichen habe, nehme ich ihm gegenüber Platz. Das es mir gar nichts ausmacht, einem Mann ungeschminkt, mit zerzausten Haaren vis a vis zu sitzen, wundert mich doch etwas. Das bestätigt mir, dass ich die natürliche weibliche Eitelkeit, aus Abneigung gegen das andere Geschlecht, verloren habe.
„Hast Du schon geduscht? Welches Handtuch hast Du denn genommen?“ erstaunt mich sein frisches Aussehen. „Das große Badetuch, von der Stange. War das nicht richtig?“ wundert er sich.
Nachsichtig erkläre ich ihm: „Eigentlich nicht. Das hatte ich gestern schon benutzt. Aber es war ja meine Schuld. Ich war gestern Abend so kaputt, dass ich total vergessen habe, Dir ein frisches Handtuch hinzulegen. Entschuldige meine Nachlässigkeit.“
„Mein Gott, das macht doch nichts. Davon geht die Welt auch nicht unter. Wie Du siehst lebe ich noch, obwohl ich Dein Badetuch benutzt habe.“ amüsiert er sich köstlich.
Dabei fällt mir auf, dass es mir Abneigung verursacht, mir damit das Gesicht abgewischt zu haben.
Als ihm auffällt: „Warum isst Du nichts? Ich hab mir solche Mühe gegeben und sogar ein Ei für Dich gekocht. Du magst doch Eier?“ lenkt er mich auf andere Gedanken. Seine komisch-geknickte Mimik reizt mich zum Lachen.
„Doch, allgemein schon. Aber ich frühstücke nie. Morgens habe ich keinen Hunger. Es ist sehr lieb von Dir, dass Du Dir so viel Arbeit gemacht hast. Aber sei mir bitte nicht böse, mein Magen ist morgens wie zugeschnürt. Ich trinke nur einen Kaffee. Iß Du nur. Lass Dich durch mich nicht stören.“ lehne ich ab.
Häusliche Fähigkeiten hätte ich diesem brutalen Menschen gar nicht zugetraut. Wie man sich doch täuschen kann, eigentlich war er mir auf Anhieb unsympathisch, denke ich.
Energisch schüttelt er seine dunkelbraunen, schulterlangen Locken und befiehlt: „Das kommt nicht in Frage. Es wird Zeit, dass mal jemand darauf achtet, dass Du regelmäßig isst. Nun sitzt du einmal am gedeckten Tisch und jetzt isst Du auch! Wenigstens das Ei und eine kleine Scheibe Brot wirst Du bestimmt schaffen. Versuch es einfach mal.“
Da ich ihn nicht kränken will, zwinge ich mir tatsächlich eine Kleinigkeit rein. Als ich genüsslich den duftenden Kaffee schlürfen will, setze ich die Tasse entsetzt wieder ab. „Igitt! Wie kann man nur eine solche Brühe trinken? Der springt ja vor Kraft aus der Tasse! Den muss ich verdünnen, so kriege ich den nicht runter. Wenn ich bei der Menge täglich, den Kaffee so stark trinken würde, hätte ich bestimmt bald Herzbeschwerden !“
Missbilligend sieht er zu, als ich die Hälfte in den Ausguss schütte und dann die Tasse mit heißem Wasser auffülle. Eine Stunde später bringt er mich zum Casino.
Ganz gegen meine Gewohnheit treffe ich um 3 Uhr schon im Laden ein. Der Kölner ist bereits zur Stelle. Pflichtbewusst nimmt er seine Aufgabe als Kessel-Croupier sehr ernst. Deshalb kommt er täglich eine Stunde früher um die Maschine einzustellen und zu testen, da der Holzkessel sich täglich verändern kann.
Erstaunt über mein frühes Erscheinen meint er leicht eingeschnappt: „Watt is denn mit Dir loss? Bisse ausem Bett gefalle? Oder willse misch kontrolliere? Meinse isch wär nit pünktlisch?“
Gut gelaunt lache ich: „Dich sicher nicht, Franz! Ich weiß, dass das nicht nötig ist. Aber bei einigen Kollegen wird es sicher interessant sein, wann die zum Dienst erscheinen. Mal sehen, wen ich heute beim zu spät kommen erwische, übrigens Franz, heute musst Du den Kessel messerscharf einstellen. Ich denke, dass heute ein paar Räuber mehr kommen werden. Sicher hat es sich schon rumgesprochen, dass wir eine Macke im Kessel haben. Wir werden uns heute bestimmt gegen einige Geier wehren müssen. Wahrscheinlich wird auch der Lange heute wiederkommen. Die vier Mille haben ihm gestern mit Sicherheit so gut geschmeckt, dass er großen Appetit bekommen hat. Wenn der mal abgebissen hat, wird der gefräßig wie ein Haifisch. Ich werd mal erst nen Kaffee aufsetzen, dann seh ich mir die Einstellung an.“
Als ich zur Theke komme, will Micki gerade das Kaffemehl in den Filter füllen. Entsetzt wehre ich die freundliche Geste ab: „Nein, bitte nicht schon wieder! Das ist zwar lieb gemeint, aber lass mich das besser machen. Dein Kaffee ist ja nun wirklich nicht jedermanns Sache!“ Beleidigt setzt er sich in einen Sessel. Nachdem ich die Kaffeemaschine eingeschaltet habe, gehe ich wieder in den Saal. Franz hat immer noch den Messklotz mit der elektronischen Waage aufliegen. Mit sorgenvollen Dackelfalten auf der Stirn sieht er sich das Messergebniss an. Mehrmals dreht er den Klotz und misst drei Stellen im Kessel unter denen sich die Beine der Stahl-Unterkonstruktion, welche das Spielgerät trägt, befinden. Er überlegt angestrengt.
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