Wir hatten uns lange nicht gesehen, deshalb fiel die Begrüßung sehr erfreut aus. Obwohl ich von Kartenspielen wenig Ahnung hatte, sah ich den Grund seiner Sorgenfalten sofort. Ein Spieler hatte einige Stapel Jetons vor sich stehen. Er war im Gewinn-Lauf. Arthur bat mich leise, ich möge schnell Adalbert verständigen. Eilig ging ich zu Bert und machte ihn auf die gespannte Situation aufmerksam. Mit ungehaltenem Gesichtsausdruck wendete er sich sofort dem Spielgeschehen zu. Neugierig folgte auch Udo. Da ich von Krisen im Moment genug hatte, ließ ich mich, den Kampf am Spieltisch ignorierend, wieder auf der Couch nieder.
Während Bert und Udo gespannt das Spiel verfolgten, hatte ich Gelegenheit die beiden unterschiedlichen Männer-Typen miteinander zu vergleichen. Adalbert, groß mit naturgewelltem, blondem Haar, kämpfte ständig mit Gewichtsproblemen. Zurzeit war er schlank. Seine konservative Art, sich nur mit dezenten, maßgeschneiderten Anzügen zu kleiden, ließ ihn wesentlich älter erscheinen als er war. Aus einem guten Elternhaus stammend, und wegen seines Besuches einer Hotelfachschule, verfügte er über ein gewandtes, selbstsicheres Auftreten, und hatte eine feine, vornehme Art sich auszudrücken. Ich wusste jedoch, dass diese feine englische Art reine Täuschung war. Er war für seine 32 Jahre ein cleverer, harter Geschäftsmann, der sich in der Casino-Branche lange einen Namen gemacht hatte. Seine ausschweifende Lebensweise, die sogar Bisexualität beinhaltete, traute man seiner äußerlich soliden, eleganten Erscheinung nicht zu. Udo, neben ihm, gleichaltrig, wirkte dagegen wie ein Koloss. Noch um einen halben Kopf Größer, mit dem inzwischen gewaltig gewordenen Bauch, (mir war nicht klar ob der vom Fressen oder Saufen kam) war fast schwarzhaarig, trug einen kleinen-dünnen Schnäuzer. Obwohl Anzug und Krawatte sicher teuer waren, wirkte er unordentlich, nahezu schlampig darin. Das lag wohl daran, dass er Kragenknopf und Schlips immer locker, die Jacke ständig offen und die Hose unter dem Bauch hängend trug. Bei meiner Betrachtung war mir nicht mehr klar, wieso ich fünf Jahre meines Lebens mit ihm hatte verbringen können. Zwar war er zu meiner Zeit wesentlich schlanker und auch gepflegter, doch konnte er mit noch so viel Mühe, seine asoziale Herkunft nicht verleugnen. Sicher würde er nicht allen Ernstes annehmen, dass ich seinetwegen nach Amsterdam gekommen war. Nach circa einer halben Stunde war die kritische Phase beendet. Der Spieler hatte den größten Teil wieder verloren. Dann verließen wir das Casino. Zu dritt. fuhren wir zu Adalberts Domizil. Er hatte im gleichen Hotel ein Zimmer für mich reserviert. Während ich mich umzog warteten die Herren in der Hotelbar. Als ich diese betrat, war auch Berts Freundin an wesend. Diesmal war es die kleine, langhaarige Spanierin Magdalena. Da Bert immer mehrere feste Freundinnen gleichzeitig hatte, musste man sich überraschen lassen, welche ihn gerade begleitete. Seine ‚Harems-Damen’ verstand er geschickt voreinander zu verbergen, indem er sie in seinen weit auseinander liegenden Geschäften als Aufsicht einsetzte. Grundsätzlich reiste er deshalb auf seinen Kontrollfahrten alleine. Am Ort wartete ja immer eine Gefährtin auf ihn. In Berts schwere Limousine stieg Udo, Gott sei Dank, vorne ein. Meine Bemühung mit Magdalena eine Unterhaltung zustande zu bringen scheiterte, da sie nur spanisch und französisch sprach. Sie hatte unsere Sprache also noch immer nicht gelernt. Wie Bert wohl mit ihr zu Recht kam? Schließlich sprach er nur deutsch.
Beim Rembrants-Plein fanden wir mit Mühe einen Parkplatz. Als wir das Nachtlokal ‚Nachtwache’ betraten, glaubte ich, schon einmal dort gewesen zu sein. Die Herren bestätigten es. Obwohl das schon drei Jahre zurück lag, erinnerte ich mich gut daran. Damals war Bert, vom nahegelegenen Belgien, mit Udo und mir hierhin gefahren, um uns ein Karten-Casino anzubieten. Auch damals hatten wir hier gegessen und uns über das zu erwartende Geschäft unterhalten. Udo war von Amsterdam sofort begeistert gewesen, er wäre gerne geblieben. Mir jedoch hatte dieses hektische, nächtliche Treiben gar nicht zugesagt. Nun musste ich mir von Udo anhören, dass mein damaliges Ablehnen dieses Geschäftes ein großer Fehler war. Inzwischen liefe dieser kleine Laden unter der Leitung des Reutlingers auf Hochtouren. Berts damalige Idee, Black-Jack in dem Lädchen zu veranstalten, hatte sich inzwischen bezahlt gemacht. Dieses Spiel stand derzeit hoch im Kurs.
Nach dem Essen beratschlagten die beiden Männer, wohin man gehen solle. Da ich nicht unhöflich sein wollte, ließ ich mir meine Unlust nicht anmerken. Eigentlich war ich ja nur hierhergekommen, um Bert nach einem Job für mich zu fragen. Doch war ich mittlerweile etwas unsicher geworden. Was sollte ich in Berts Casino machen? Von dieser Art Spielen hatte ich wenig Ahnung.
Die Frage gedanklich verschiebend, ging ich lustlos mit. Dann sah ich desinteressiert dem Kabarett-Programm und Udos reichhaltigen Alkoholgenuss zu. Die ganze Zeit hatte Bert versucht festzustellen, ob ich noch Interesse am Zusammensein mit Udo hätte. Ich überhörte seine Anspielungen diskret. Da ich den anderen nicht die Stimmung verderben wollte, zeigte ich auch meine Müdigkeit nicht. Endlich brachen wir auf. Im Hotel angekommen gingen wir Frauen sofort auf unsere Zimmer. Die Männer fuhren noch mal ins Casino. Dies war ja rund um die Uhr geöffnet. Zuvor hatte Bert mir vorgeschlagen, mich bei ihm zu melden wenn ich ausgeschlafen hätte. Traumlos und fest schlief ich bis in den Nachmittag. Während das Badewasser lief rief ich Bert an. Wir verabredeten uns in einer Stunde in der Halle. Dort traf ich ihn dann endlich alleine.
Anfänglich etwas unsicher, erklärte ich ihm meine Situation. Nachdem er mir schweigend zugehört hatte, bot er mir an, bei ihm als Kassiererin anzufangen. Über sein spontanes Entgegenkommen war ich sehr erfreut. Wir vereinbarten, dass ich eine Woche später zurückkommen und den Dienst antreten solle. Am Ende des Gespräches fragte ich etwas beschämt, ob er eines meiner Schmuckstücke kaufen wolle. Ich zeigte ihm das mitgebrachte Weißgold-Armband. Das schöne Schmuckstück in Spangenform hatte eine Schiene, auf der zwei kleine Brillanten die Enden markierten, und ein Größerer Stein in der Mitte bei jeder Bewegung hin und her lief. Trotzdem hatte ich dieses Geschenk von Udo nie sonderlich gemocht. Da ich nun dringend Geld brauchte wollte ich es verkaufen. Sicher war mir anzumerken, dass mir dieses Anliegen peinlich war. Höflich bestätigte er die ausgefallene Schönheit dieses Stückes und fragte nach meiner Preisvorstellung. Nachdem ich den Preis zögernd gesagt hatte, griff er wortlos in die Tasche und gab mir mehr als ich verlangt hatte. Der Mehrbetrag wäre für die Reisekosten. War mir das unangenehm! Die beschämende Situation überspielte er geschickt indem er mir die Aufgabe an der Casino-Kasse erklärte. Mir war sofort klar, dass er mich nicht für dumm hielt, sondern lediglich die Peinlichkeit des Momentes verdecken wollte. Die folgenden Stunden verbrachte ich in hoffnungsvoller, fröhlicher Stimmung. Glücklich endlich wieder eigens Geld in der Tasche und einen Verdienst in Aussicht zu haben, sah die Zukunft für mich wieder rosiger aus. Als wir dann später in seinem Geschäft waren, bat ich, telefonieren zu dürfen. Meiner Freundin berichtete ich freudig die guten Neuigkeiten. Doch sie versetzte mir einen Tiefschlag. Franco hatte auf der Suche nach mir das Kind bei ihr entdeckt. Es hatte riesigen Protest gegeben. Zwar hatte Annette ihm nicht verraten wohin ich gefahren war, jedoch das es bei meiner Rückkehr Probleme geben würde, war mir klar. Sie bat mich bei Ramona anzurufen, da Franco von dieser meinen Wohnungsschlüssel verlangt hatte. Als ich wusste, dass es meinem Baby gut ging, rief ich meine Aufregung. Sie wollte unbedingt wissen wo ich mich aufhielt, doch diese Auskunft lehnte ich konsequent ab. Franco hatte ihr erklärt, seine Frau habe ihn meinetwegen hinausgeworfen, nun stünde er auf der Straße. Sie solle ihm den Schlüssel zu meiner Wohnung geben, oder er werde die Türe aufbrechen. Da ich mir Arger mit Nachbarn und Vermieter ersparen wollte, erlaubte ich meiner Tochter, den Schlüssel an Franco auszuhändigen. Ich werde am nächsten Tag zurückkommen und die Sache selbst klären. Meine ä ngstlichen Gedanken an die bevorstehende Auseinandersetzung schob ich vorerst beiseite. Dieses erfolgreiche Wochenende wollte ich mir nicht verderben lassen.
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