Sie dachte nach. Über ihre Zukunft, ihre Wünsche und und und... und wie sehr sie sich eigentlich wünschte, dass sich nichts verändernd würde... Die Zukunft konnte einem Angst machen. Diesen Zeitpunkt hier in ihrem Leben einfrieren zu können, ewig jung zu sein, nie sich dem tatsächlichen Leben stellen zu müssen... das war eine Vorstellung die ihr gefallen würde.
Plötzlich schien sich etwas zu verändern, ein mulmiges Gefühl baute sich in Emilia auf. Ihre Magengegend begann zu flattern. Ihr Täschchen an ihrer Hüfte schien plötzlich viel mehr Gewicht zu haben und- und wurde das Ding etwa heiß? Sie fühlte wieder diesen Druck auf ihren Lungen als würde sie nicht mehr Atmen können. Plötzlich hatte sie das Verlangen, die blaue Skarabäuskette aus der Tasche zu holen und sich um den Hals zu legen. Denn dann würde sie wieder atmen können, dann wäre sie frei, dann wäre alles besser... Sie spürte wie Corrinn und Alex den Druck um ihre rechte und linke Hand genau im selben Moment verstärkten. Der Druck wurde immer stärker, die Luft immer schwerer und dann geschah – nichts!
Emilia öffnete ihre braunen Augen.
„Wow, Nichts! Das war der Wahnsinn… tolle Geschichte Mel“ sagte Alex gelangweilt.
Und mit seiner Aussage war jegliche gruselige Atmosphäre verschwunden. Corrinn fing an zu kichern und Ben versuchte in seinem Schneidersitz nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Langsam schien er wohl wieder nüchtern zu werden.
Mel zog erbost die Brauen zusammen, es gefiel ihr nicht von den anderen verspottet zu werden: "Ihr habt es gar nicht richtig versucht! Kommt schon konzentriert eu-" sie wurde von einem Geräusch abgelenkt.
Von draußen hörten sie Motorenlärm. Mel drehte blitzschnell den Kopf herum um durch die gläsernen Wände hinaus auf die Straße zu spähen. Einzelne Lichter sausten in der Dunkelheit vorbei. Sobald der Schwarm an Lichtern vorbeigezogen war, erstarben auch die Motorengeräusche - weil die Maschinen geparkt wurden. Motorräder.
Ungläubig sah Emilia auf Mel. Das war ein Scherz oder? Die Terrinotypen parkten gerade nicht wirklich auf der Straße neben Mels Haus oder?
Mel schnellte hoch und sauste ohne Erklärung zur Tür hinaus.
Emilia überkam leichte Panik, sie hatte den gestressten und verängstigten Ausdruck auf Mels Gesicht gesehen. Irgendetwas stimmte nicht.
Emilia überkam die pure Verwirrung; arbeitete Mel mit diesen Typen jetzt zusammen oder hatte sie Angst vor ihnen? Hatte Emilia die Sache auf dem Parkplatz gestern falsch interpretiert? Waren die Kerle jetzt hier um Stress zu machen? Wenn ja, weswegen?
Ben, Corrinn und Alex bekamen von alledem nichts mit und sahen Mel überrumpelt nach.
Alex war der erste der sich fing, galant aufstand und verkündete: "Wenn Mel sich einfach verzieht, kann ich mich anschließen. Falls ihr mich braucht, findet ihr mich bei dem kläglichen Versuch aus meiner Freundin schlau zu werden: Sie ist sauer und ich habe keine Ahnung wieso. Mal wieder. Ciao." Er strich seinen Anzug glatt und verschwand genervt durch die Glastür.
"Okay, was war das jetzt?" Drehte sich Corrinn sofort zu Emilia herum.
Emilia antwortete zögerlich: "Ich weiß es nicht. Sie führt sich schon die ganze Zeit seltsam auf." Das war gelogen, Emilia saß auf glühenden Kohlen. Sie wusste das gerade irgendein krummes Ding auf Mels Party ablief, weswegen waren die Typen sonst vorgefahren? Sie war zwar sauer auf Mel, wollt sie aber nicht noch mehr in Schwierigkeiten reiten. Außerdem musste sie die anderen schützen: sie würden sich Strafbar machen, wenn Emilia ihnen von den Drogen erzählte und dann aber keiner zur Polizei ging. Nein es war besser sie im Unklaren zu lassen. Corrinn sah Emilia kurz schweigend an. Leider war Corrinn viel zu schlau um sich etwas vorspielen zu lassen. Ihre Oberflächlichkeit war reine Tarnung, hinter der sich eine Intelligenzbestie versteckte. Sie wusste das Emilia log. Sie interpretierte es als ein Geheimnis zwischen Emilia und Mel. Was sie somit ausschloss. Verärgert stand sie auf. "Schön, dann ist ja alles paletti." Sagte sie säuerlich und bevor Emilia noch irgendetwas sagen konnte war sie davon gerauscht.
"Warum sind heute eigentlich alle so schlecht gelaunt?" Fragte Ben stöhnend und rieb sich die roten Augen, während er recht ungraziös mit Anzug im Schneidersitz saß. Aha, der war geistig anscheinend wieder anwesend.
"Ben, auf einer Skala von 1 bis 10, wie betrunken bist du?" Fragte Emilia, sie musste wissen wie aufnahmefähig er war.
"5" sagte Ben und sah sie müde an. Das war nüchtern genug. Emilia dachte nicht wirklich groß darüber nach: Diese Terrino Kerle waren vielleicht gefährlich. Sie brauchte Hilfe. Auch wenn Ben dadurch Strafrechtlich verfolgt werden konnte, musste sie ihm alles erzählen. Ben war stark, er würde sich zwar niemals prügeln, aber eine einschüchternde Statur genügte vielleicht schon um das Ganze zu deeskalieren. Außerdem liebte er Mel. Er würde also auf Mel aufpassen und die Sache mit den Drogen nicht verraten. Hoffentlich.
"Ben, hör mit jetzt mal ganz genau zu, ich muss dir was erzählen." Ihr eindringlicher Ton führte dazu das Ben hellwach war. Sie erzählte im von A bis Z alles, über die Auktion, über den Parkplatz und wer gerade draußen vorgefahren war. Noch während sie sprach, wusste sie, dass es keine gute Idee gewesen war ihn einzuweihen. Seine Miene verfinsterte sich zu einer düsteren Grimasse. Plötzlich war sich Emilia gar nicht mehr so sicher ob sich Ben niemals prügeln würde.
Ohne Vorwarnung sprang Ben auf: "Ich kümmere mich darum." Er schlug die Tür auf und verschwand mit energischen Schritten. Mist! Emilia folgte ihm auf dem Fuße:
"Ben, warte nein, ich-" doch er hörte ihr nicht zu, sondern beschleunigte seine Schritte und lief zur Eingangshalle des Hauses.
Na toll, sie wollte das Ben eine Eskalation verhinderte, jetzt sah es eher so als würde er sie verursachen. Emilia lief hinunter ins Erdgeschoss, sie musste endlich wissen was los war, jetzt oder nie! Also Mel, wo bist du?
Aus den Augenwinkeln nahm sie einen blutroten Farbklecks war, der gerade auf einen der Hinterausgänge zulief und nach draußen verschwand. Emilia raffte ihr silbernes Kleid hoch und legte trotz Higheels einen Sprint zur Hintertür hin (sie hätte jedem Sportler alle Ehre gemacht). Einige Partygäste, die es sich in der Küche gemütlich gemacht hatten, sahen ihr verwundert hinterher.
"MEL!" Brüllte sie lautstark als sie aus der Tür ins Freie platzte.
Ein roter Haarschopf, der gerade auf dem Weg zu einem Seitentor in der Gartenmauer war, sprang zu Tode erschrocken herum. Hä? Wollte Mel gerade abhauen?
"WAS?" Fragte sie gehetzt zurück. "Ach du bist es." Sagte sie und kam wieder zu Atem.
"Warum erschreckst du mich denn so?" Fragte sie bemüht unbekümmert. Sie versuchte sich ganz normal zu verhalten, doch sie scheiterte kläglich. Angespannt lief ihr der Schweiß über die Schläfen.
"Mel. Was ist hier los?"
Mel stellte sich dumm und sah sie verwirrt an. "Was meinst du? Was soll den los sein?"
"Ich hab dich gestern gesehen. Auf dem Parkplatz mit diesen Typen vor der Schule."
Mels Gesicht schien ihr kurz zu entgleiten
"Und?" Fragte sie mit undefinierbarer Stimme. Sie wusste nicht wieviel Emilia wusste und stellte sich weiterhin dumm. Emilia legte die Karten auf den Tisch.
Sie griff an ihre Tasche und holte den Schlüssel, die Kette und das Drogensäckchen heraus.
Mel gab keinen Mucks von sich. Sie bewegte sich nicht einen Millimeter während sie die Gegenstände anstarrte. Emilia konnte förmlich Rädchen in Mels Kopf rattern hören während sie fieberhaft nachdachte.
"Nichts?! Hast du dazu nichts zu sagen?" schnaubte Emilia.
"Wo hast du die Sachen her?" Fragte Mel mit Grabesstimme.
"Vollkommen egal! Warum hattest DU diese Sachen?!" Platzte es aus Emilia heraus.
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