“Welp mein Name, Hauptkommissar Welp, Mordkommission Köln, guten Tag. Verbinden Sie mich bitte mit Dr. Greiner!”, bat er in dem Bemühen, so zuvorkommend und freundlich, wie möglich zu klingen.
„Tut mir leid Herr Kommissar, aber das ist zurzeit leider nicht möglich. Dr. Greiner befindet sich gerade auf einer Forschungsreise in Ägypten. Kann ich ihm etwas ausrichten? Er wird sich dann bei Ihnen melden, sobald er wieder in Hamburg ist.”
“Wann wird das sein? Ich muss ihn dringend sprechen! Es ist sehr, sehr dringend, ich wiederhole: absolut DRINGEND!“, drängelte Welp. „Geben Sie mir am besten seine Nummer, unter der ich ihn in Ägypten erreichen kann. Mobil, Satellit, Festnetz, ganz egal.”
“Es tut mir sehr leid, aber das ist uns ausdrücklich untersagt, Telefonnummern unserer Mitarbeiter herauszugeben. Aber, wenn Sie mir eine Rückrufnummer geben, werde ich diese gerne Herrn Dr. Greiner weiterleiten. Er wird sich dann bei Ihnen melden.” Marie Liebermann schien solche Anrufe häufiger zu bekommen, so routiniert und ruhig, wie sie dem Kommissar das Nichterreichen Dr. Greiners versuchte klar zu machen.
“Gibt es denn keine andere Möglichkeit?”, fragte Welp, mittlerweile schon reichlich genervt.
“Nein, leider nicht.” säuselte ihm die honigsüße Stimme ins Ohr. “Wenn Sie mir jetzt Ihre Telefonnummer geben wollen. Ich werde tun, was ich kann, um ihn so schnell wie möglich für Sie zu erreichen.”, bot sie ihm an.
“Nun gut. Welp ist mein Name, Hauptkommissar Reinhard Welp, von der Mordkommission in Köln. Und machen Sie bitte Dr. Greiner deutlich, dass es sich wirklich um eine wichtige und dringende Angelegenheit handelt. Ich erwarte seinen Rückruf spätestens heute Abend um 20Uhr, sagen Sie ihm das! Richten Sie ihm weiterhin aus, falls er es nicht für nötig halten sollte zurückzurufen, werde ich alle Hebel in Bewegung setzen und alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen ihn hierher zu bekommen!” Nun klang Welp schon sehr drohend, was ihm allerdings völlig gleichgültig war. Auch das es mit der Dame die Falsche traf, aber in so einer Situation musste er stets seinen Unmut sofort loswerden.
“Selbstverständlich Herr Kommissar Welp, ich werde Ihre Nachricht genau so weitergeben.”, flötete Marie Liebermann in den Hörer.
Welp legte ohne ein weiteres Wort auf. Im Stillen dachte er bei sich, wäre er an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit, da wäre er stark versucht gewesen, sich mit dieser netten Stimme zu verabreden. Jemand mit so einer süßen Stimme musste doch auch entsprechend aussehen. Und er hatte schon lange keine amouröse Verabredung mehr gehabt. Na ja, hätte, wenn und aber.
Bevor er sich aufmachte, etwas zu essen zu bekommen, unterrichte er McAllister von seinem vergeblichen Versuch Dr. Greiner zu erreichen. McAllister war ja schon froh, dass überhaupt ein Geologe schon auf dem Plan stand.
Welp machte sich auf in sein Lieblingsrestaurant, er brauchte erst mal ein schönes, kaltes Bier und ein großes Steak. Es war zwar gerade mal Mittag durch, aber das war ihm in dem Moment doch relativ gleichgültig.
Aus einem Bier wurden dann doch drei. Gegen 16Uhr war er erst zurück ins Revier gegangen, ein Anruf war noch nicht gekommen, sonst hätte er eine Notiz auf dem Schreibtisch liegen gehabt.
Am liebsten würde er jetzt schlafen gehen, aber was, wenn er dann das Telefon nicht hörte? Er ging also zum Kaffeeautomaten und holte sich einen doppelten Espresso, um wieder etwas nüchterner und vor allem wacher zu werden.
Er kam gerade mit seinem Becher heißen, dampfenden Wachmacher zurück an seinen Schreibtisch, als sein Telefon klingelte.
“Ja!” schrie er fast in den Hörer.
“Kommissar Welp? Hier spricht die Telefonzentrale. Wir haben ein Gespräch für Sie, ein Dr. Greiner. Er lässt fragen, ob Sie die Kosten für das Telefonat übernehmen.”
Spinnt der? Welp konnte es nicht glauben, so was Freches war ihm noch nicht untergekommen. Sollte das eine Retourkutsche für seine Drohungen sein? Das wird ihm noch leidtun!
“Ja doch, sicher übernehme ich die Kosten. Und nun stellen Sie mich durch!”, forderte Welp die Dame von der Telefonzentrale auf.
“Ich verbinde.” Es erklang ein Klacken und Knistern in der Leitung, bevor Geräusche von fahrenden Autos ertönten. Die Verbindung war hergestellt.
“Dr. Greiner?”, rief Welp in den Hörer.
“Ja. Und wer sind Sie? Herr Welp? Wie kann ich Ihnen in ihrer ach so dringenden Angelegenheit weiterhelfen?” Es war offensichtlich, dass die Drohungen gewirkt haben, aber auch andererseits Dr. Greiner alles andere als erpicht darauf war, zu erfahren, worum es ging.
“Nun kommen Sie mir nicht mit so einer Überheblichkeit daher! Hören Sie lieber zu!” Welp erklärte ihm wer er war und wofür sie ihn brauchten. Über das Bauvorhaben als Solches, über das schnelle Vorankommen der Arbeiten bis zum plötzlichen Stillstand auf beiden Seiten. Die Höhle und den tödlichen Unfall der Kinder Westerfeld ließ er zunächst außen vor.
“Und nun kommen Sie ins Spiel, Dr. Greiner. Wir, bzw. die ECTA, brauchen Sie und Ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Geologie. Sie, und niemand anderen! Sie sollen der Beste sein, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe. Kooperieren Sie, werden Sie und Ihr Institut es sicher nicht bereuen. Denke ich jedenfalls. Tun Sie es nicht, dann…” er vollendete den Satz nicht. “Also, was sagen Sie?”
Stille am anderen Ende der Leitung. Nach ein paar Sekunden drang ein Räuspern in Welps Ohr, dann wieder nichts.
“Hallo? Dr. Greiner, sind Sie noch dran? Ich habe nicht ewig Zeit!” Wieder stand Welp kurz vor einem Wutausbruch. Wenn das mit diesem Greiner so weiter geht, kann das noch lustig werden.
“Ja, ja, warten Sie noch einen Moment, ich hab es gleich. So… ah, OK, alles klar. Entschuldigen Sie, aber ich habe nur die Verbindungen von Kairo nach Köln geprüft. Ich werde um 22.42Uhr auf dem Flughafen Köln-Bonn landen. Früher kann ich nicht dort sein, das ist die schnellste Verbindung, die ich bekommen kann. Sorgen Sie nur dafür, dass ich dort abgeholt werde. Ich gehe davon aus, Sie werden selber vor Ort sein. Dann können wir alles Weitere besprechen. Und entschuldigen Sie meine etwas unflätige Art, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass es sich tatsächlich um so etwas Großes handelt. Und wenn Petra, also Frau Dr. Althing, da mit drin verstrickt ist, hätte es auch ausgereicht mir das zu sagen.”
“Schon in Ordnung, wir stehen hier alle unter gewaltigem Druck. Wenn es nicht schneller geht, müssen Sie die Verbindung nehmen. Wir sehen uns dann am Flughafen. Woran erkenne ich Sie?” Welp war erleichtert.
“Am ehesten an meinen dreckigen Klamotten. Zum Umziehen werde ich nicht mehr kommen. Halten Sie nach einem 1,90m großen Mann in verstaubter Safari-Kleidung Ausschau. Schwarze, kinnlange Haare, Dreitagebart, Sonnenbrille, das werde ich sein!”
“Alles klar, dann bis heute Abend. Eine Frage noch Dr. Greiner. Woher wissen Sie, dass Dr. Althing involviert ist?“
„Ganz einfach!“ Greiner lachte. „Sie sprachen von einer sicheren Quelle, die Ihnen mich als absoluten Experten genannt hat. Ich kenne nur eine einzige Person, die so von mir spricht und das ist Dr. Althing.“
Welp rief McAllister an, um ihm mitzuteilen, dass er mit Dr. Greiner gesprochen hat und er noch am heutigen Abend in Köln eintreffen wird.
McAllister wies ihn an, nach der Ankunft Dr. Greiners sofort zur Baustelle zu fahren. Sie würden sich dort mit ihm, Boilague, dem französischen, und Dickmer, dem deutschen Vertreter der ECTA, treffen, um gleich an die Arbeit zu gehen.
Nachdem Welp auch dieses Telefonat beendet hatte, fuhr er nach Hause, um sich noch ein bisschen hinzulegen und zu schlafen. 22.42Uhr, da konnte er jetzt noch locker fünf Stunden die Augen zu machen.
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