1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Ich wollte mich gerade umdrehen, als etwas Weiches meine Hand berührte. Erschrocken erstarrte ich und ließ langsam meinen Blick sinken. Bingo rieb seinen Kopf an meiner Hand und sah mich dabei an. Dann fiepte er wieder leise. Was wollte der Köter von mir? Sollte ich ihn jetzt etwa streicheln? Normalerweise mied ich den Kontakt zu Tieren. Es war ja bekannt, dass deren Fell vor Ungeziefer nur so strotzte. Auch wenn die Haare des Malinois‘ ziemlich kurz waren, so konnte doch niemand garantieren, dass dort keine Läuse, Flöhe oder Zecken hausten. Doch ein erneutes Fiepen veranlasste mich, über das weiche Fell zu streicheln. „Guter Bingo. Braver Bingo“, redete ich auf das Tier ein. „Herr Weser hat mich geschickt ...“
In der Diele fand ich die Hundeleine und als ich sie in die Hand nahm, gab der Hund einen freudigen Laut von sich. „Wir machen jetzt einen Ausflug“, erklärte ich dem Tier und es ließ sich bereitwillig die Leine anlegen. Ich grinste. Ja, Jonathan Lärpers konnte auch mit Hunden umgehen ...
Auf dem kurzen Weg zu meinem Auto hob der Köter drei Mal das Bein und bewässerte eine Mauerecke, eine Laterne und einen Autoreifen. Dummerweise den meines postgelben Kias und ich fragte mich, ob er mir damit zeigen wollte, was er von meinem Wagen hielt. Schließlich ließ er sich aber problemlos auf den Rücksitz verfrachten. Zum Tierheim musste ich wieder quer durch Mönchengladbach, doch es war noch früh genug, so dass ich zeitig ins Chez Duedo zu meinem Riesensteak kommen würde.
Als wir uns dem Tierheim näherten, vernahm ich schon von weitem das Kläffen der Hunde dort und im Rückspiegel sah ich, wie sich die Ohren des Malinois lauschend aufstellten. „Gleich bist du bei deinen Artgenossen, dort wird es dir gutgehen“, erklärte ich und grinste. Das hatte ja besser geklappt, als gedacht.
Ich parkte direkt vor der Eingangstüre. „Du wartest hier im Wagen“, sprach ich auf Bingo ein. „Ich hole jemanden, der sich um dich kümmern wird.“
An der Eingangstüre prangte ein Schild mit den Öffnungszeiten und ich warf einen Blick auf meine Uhr. Laut den Angaben war ich exakt dreißig Minuten zu spät dran, das Tierheim schloss seine Pforten schon um siebzehn Uhr. Doch bevor ich nun einfach die Flinte ins Korn warf - schließlich war dies hier ein Notfall - drückte ich den Klingelknopf. Irgendjemand würde schon noch da sein und mir den Köter abnehmen. Es war ja nur für eine kurze Zeit.
Auf mein Klingeln erfolgte keine Reaktion, doch ich wollte noch nicht aufgeben. Also schelle ich erneut. Leise vernahm ich drinnen den Klang der Klingel. Jedoch tat sich wieder nichts. Alles blieb ruhig, fast wie ausgestorben. Lediglich die Hunde kläfften weiter im Hintergrund.
Also versuchte ich es jetzt mit intervallartigem Drücken des Knopfes. Irgendjemand musste doch merken, dass hier ein Notfall vorlag. Dass Jonathan Lärpers endlich diesen Scheißköter loswerden wollte.
Eine ganze Weile später ging ich dazu über, Dauerton zu klingeln. Wenn jetzt niemand reagierte, dann war das Tierheim vielleicht wirklich nicht besetzt. Aber war so etwas überhaupt möglich?
Es dauerte exakt fünf Minuten, dann öffnete sich endlich die Eingangstür. Eine junge Frau, die mich ziemlich entnervt und böse ansah, erschien vor mir.
„Verdammt, sind sie bekloppt? Oder können sie einfach nur nicht lesen? Wir haben geschlossen. Steht doch da groß und breit. Und jetzt nehmen sie endlich den Finger von der Klingel!“
Ich lächelte die Frau gewinnend an und gab den Knopf frei. Das schrille Klingeln im Hintergrund erstarb. „Das hier ist ein Notfall.“
„So ein Quatsch“, herrschte die junge Frau mich an. „Kommen sie während der Öffnungszeiten wieder.“
„Ich muss einen Hund abgeben. Also für eine gewisse Zeit, verstehen sie?“
Die junge Frau schüttelte den Kopf. „Nein, verstehe ich nicht und ich will’s auch nicht verstehen. Wir haben feste Öffnungszeiten. Rufen sie die Feuerwehr, wenn es um einen Notfall geht.“
„Die Feuerwehr?“ Ich konnte mir keinen Reim auf ihre Worte machen. „Es brennt doch nicht. Ich möchte lediglich den Hund hier abgeben. Das wird doch wohl möglich sein.“
„Nein, das ist nicht möglich“, kreischte sie nun. „Wir haben geschlossen. Was an ‚geschlossen‘ verstehen sie nicht? Warum wollen sie überhaupt ihren Hund abgeben? Wohl auf dem Weg in den Urlaub, oder was?“
„Nein, das nicht. Es ist doch gar nicht mein Hund.“ Ich lächelte sie erneut bittend an.
„Grinsen sie doch nicht so dämlich“, entfuhr es ihr. „Haben sie den Hund gefunden?“
„Nein, das nicht. Er gehört Herrn Weser.“
Die Frau schüttelte erneut den Kopf. „Dann geben sie ihn doch diesem Herrn Weser zurück. Oder kommen sie morgen wieder. Wenn das aber nicht ihr Hund ist, dann brauchen wir eine Einverständniserklärung von ihrem Herrn Weser. Besser wäre allerdings, er kommt selber her, wenn er das Tier loswerden will.“
Ich stöhnte. Es konnte doch nicht so schwer sein, den Köter loszuwerden. „Also, Herr Weser liegt im Krankenhaus, deswegen brauche ich eine Unterkunft für den Hund.“ Dann überlegte ich, denn bei dem Gedanken an das Krankenhaus fiel mir etwas ein. Ich fügte rasch hinzu: „Also, der Köter gehört ja gar nicht Herrn Weser ...“
Jetzt sah mich das junge Mädchen an, als hätte sie einen Geistesgestörten vor sich. Sie räusperte sich. „Der Hund gehört einem Herrn Weser, aber auch wieder nicht. Und sie sind hier, um ihn abzugeben? Wem gehört das Tier denn nun?“
„Das weiß ich nicht“, gab ich zu. Weser hatte mir schließlich den Namen seines Bekannten nicht genannt.
„Also haben sie den Hund doch gefunden?“
„Nein, ich habe ihn bei Herrn Weser abgeholt.“
Die junge Frau wich einen Schritt zurück und blickte jetzt ein wenig ängstlich. „Ich denke das Tier gehört nicht Herrn Weser? Wissen sie was: Kommen sie morgen wieder. Während der Öffnungszeiten.“
Jetzt war es an mir, Hartnäckigkeit zu zeigen. Ich ließ mir den Abend im Chez Duedo doch nicht wegen so eines dummen Hundes versauen. „Fräulein, das geht leider nicht. Ich muss ihnen das Tier jetzt geben, das kann doch nicht so schwer sein.“ Mir fiel keine wirklich passende Ausrede ein, deswegen fügte ich hinzu: „Ich muss doch heute noch ins Chez Duedo.“
Leider schien sie das Restaurant zu kennen, denn nun grinste sie verschmitzt. „Sie wollen den Hund hier abgeben, um ins Steakhaus zu gehen? Pfui, schämen sie sich. Außerdem darf ich keine Tiere aufnehmen, das kann nur die Chefin. Und die ist nicht mehr hier. Ich sag‘ ihnen aber, was wir machen können: Ich gehe jetzt hinein, sie kommen morgen wieder und wenn sie auch nur noch einmal klingeln, dann rufe ich die Polizei. Verstanden?“ Sie schob noch ein ‚Blödmann‘ hinterher, doch in dem Moment schlug sie auch schon die Türe zu.
Da stand ich nun. Ich warf einen Blick auf meinen gelben Wagen und bemerkte, dass mich der Malinois vom Rücksitz her intensiv beobachtete. Weidete er sich etwa an meiner Niederlage? Grimmig drückte ich den Klingelknopf, stürzte aber dann hinter das Steuer meines Fahrzeuges und sah zu, dass ich genügend Entfernung zum Tierheim zurücklegte, bevor die Polizei eintraf. Wenn das junge Mädchen überhaupt die Polizei gerufen hatte. Doch darauf wollte ich es jetzt nicht ankommen lassen.
Als ich den Wagen auf dem Parkstreifen vor Wesers Haus abstellte, hatte ich einen Plan B ausgearbeitet: Jennifer, unser blondes Mädchen für alles, würde sich des Köters annehmen müssen. Ich wollte nur schnell das Hundekörbchen, sowie die Spielsachen und einige Dosen Futter aus dem Haus holen und danach so schnell wie möglich zum Krav Maga Studio fahren. Noch war es nicht so spät, dass Jenny nicht mehr dort sein würde.
„Ich muss noch mal eben ins Haus, Bingo“, erklärte ich dem Hund. „Wir brauchen ja noch deinen Korb und etwas zu fressen. Du wartest schön brav hier, ich bin gleich wieder da.“
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