1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 Den Gedanken, noch einmal bei ihm zu klingeln, verwarf ich.
Die nächste Adresse befand sich etwas außerhalb Mönchengladbachs, im Ortsteil Wanlo. Es handelte sich um eine großzügig angelegte Villa in der Nähe eines Golfplatzes. Laut Jennifers Notizen sollte es sich um einen Anwalt namens Maximilian Mürkens handeln. Dr. Maximilian Mürkens. Es war natürlich durchaus möglich, dass der Mann bedroht wurde. Vielleicht hatte er den einen oder anderen Kriminellen nicht gut genug vertreten und die waren jetzt sauer auf ihn.
Bevor ich aber an dem Haus klingeln konnte, musste ich mit Bingo ein paar Schritte gehen. Der Hund verhielt sich ziemlich unruhig auf dem Rücksitz und ich wollte nicht, dass er mir vielleicht noch den Wagen versaute. Zum Glück gab es hier viel Grün, Felder und Wiesen, so dass er ungestört sein großes Geschäft machen konnte. Ich erinnerte mich daran, dass die Hundehalter verpflichtet waren, die Hinterlassenschaften ihrer Schützlinge zu entsorgen und mir graute schon jetzt davor, dies in der Stadt machen zu müssen. Selbstverständlich war ich kein Freund dieser ‚Tretminen‘, doch mit der bloßen Hand - auch wenn ein dünnes Tütchen darum lag - diese Häufchen wegmachen zu müssen, erzeugte in mir einen Schauer von Ekel. Als Bingo wieder vor mir stand und ich sah, was er hinterlassen hatte, konnte ich ein leichtes Würgen nicht unterdrücken. Dies war auf jeden Fall ein Grund mehr, den Köter so schnell wie möglich loszuwerden.
Ich leinte den Hund rasch wieder an, brachte ihn in den Wagen zurück und ging zu der Villa. Schon nach dem ersten Klingeln wurde die Tür geöffnet und eine Frau von vielleicht fünfunddreißig Jahren stand mir mit fragendem Gesichtsausdruck gegenüber. Sie war gut und gerne über einen Kopf kleiner als ich und zeigte eine leichte Tendenz zur Übergewichtigkeit. Das Kleid, das sie trug, konnte man eher schlicht nennen und sie machte auf mich insgesamt einen recht einfachen Eindruck. Vielleicht war dies ja die Putzfrau ...
„Guten Tag. Mein Name ist Jonathan Lärpers. Ich hätte gerne“, ich warf einen raschen Blick auf meinen Zettel, „mit Herrn Mürkens gesprochen.“
„Mein Mann ist nicht da“, erklärte mir die Frau. Also war sie doch nicht die Putzfrau. „Er ist von der Kanzlei noch zu einem Mandanten gefahren. Worum geht es denn?“
„Das ist ein wenig schwierig ... Ich habe einen Anruf bekommen, der vermutlich ihren Mann betrifft und das wollte ich mit ihm besprechen. Ihr Wagen hat doch gebrannt, oder?“
Die Frau sah mich erschrocken an. „Mein Wagen?“, stöhnte sie dann und schlug ihren Handrücken vor den Mund. „Oh mein Gott, wie konnte das denn passieren? Und wieso habe ich davon nichts gemerkt. Warten sie eine Sekunde!“
Sie ging in den Hausflur zurück und kam kurze Zeit später mit einem Schlüsselbund und einem kleinen Kästchen in der Hand zurück. „Kommen sie, gehen wir zur Garage. Das muss ich mir selbst ansehen. Nur gut, dass die Garage oder das ganze Haus nicht abgebrannt sind.“
Während ich ihr zu einer Doppelgarage neben der Villa folgte, erklärte ich: „Der Wagen hat in Rheydt gebrannt, nicht in ihrer Garage.“
Sie blieb abrupt stehen und schlug erneut die Hand vor den Mund. „Oh Gott, das wird ja immer schlimmer. Hat man den Wagen gestohlen? Die Diebe werden auch immer dreister. Ich war doch den ganzen Tag im Haus. Nein, was hätte nicht alles passieren können!“ Jetzt drückte sie auf einen Knopf an dem Kasten und wie von Zauberhand öffnete sich das breite Garagentor. Ich erblickte zuerst einen leeren Stellplatz und daneben ein rotes BMW Cabriolet.
Ich hörte die Frau neben mir vernehmlich aufseufzen. „Da haben sie mir aber einen ordentlichen Schreck eingejagt. Sehen sie doch, da steht er: mein Wagen. Den hat niemand gestohlen.“
Ich nickte. „Es wird sich ja vermutlich auch um den Wagen ihres Mannes handeln. Wissen sie, ob er gebrannt hat?“
Während das Garagentor wieder herunterfuhr, gingen wir zum Haus zurück. „Nein, davon weiß ich nichts. Mein Mann ist heute noch nicht nach Hause gekommen und er hat auch nicht angerufen. Da kann ich ihnen leider nicht helfen. Und ich weiß auch nicht, wann er nach Hause kommt, das kann spät in der Nacht sein.“
Ich kramte eine Visitenkarte hervor und hielt sie der Frau hin. „Er kann mich ja anrufen, wenn er wieder da ist. Ich bin ab neun Uhr in meinem Büro.“
Frau Mürkens nahm die Karte, warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf: „Privatdetektiv? Nun, ich glaube nicht, dass Max sie anrufen wird. Er ist Anwalt, da müssen sie schon zu ihm in die Kanzlei gehen. Aber ich werde es ihm sagen ...“
„Heute funktioniert auch gar nichts“, stöhnte ich während der Fahrt nach Wickrath. Der Hund saß auf der Rückbank und blickte aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. „Der blöde Anwalt ist nicht zu Hause, Jennifer kann nicht auf dich aufpassen und das Tierheim hatte auch schon geschlossen. Das ist einfach nicht mein Tag heute.“ Im Rückspiegel sah ich, dass mich Bingo jetzt aufmerksam beobachtete. Mir schien, als würde der Hund schadenfroh grinsen.
Zu allem Überfluss bekam ich in der Nähe meiner Wohnung keinen Parkplatz, so dass wir ein ganzes Stück zu Fuß gehen mussten. Ich war schwer bepackt mit dem Hundekörbchen und dem Futter, doch der Malinois trottete gehorsam neben mir her. Nur hin und wieder mussten wir stehenbleiben, damit er eine Laterne oder eine Hausecke bewässern konnte.
„Da vorne wohne ich, gleich sind wir da. Weißt du, Bingo, genau unter meiner Wohnung wohnt Christine. Eine sehr nette Kollegin.“ Leider gehörte Chrissi ebenfalls zu den Frauen, die mir schon frühzeitig klargemacht hatten, dass irgendwelche Annäherungsversuche bei ihr nicht fruchten würden. Aber wir waren sehr gute Freunde und hatten uns gegenseitig schon so manches Mal aus der Patsche geholfen. „Schade, dass du sie nicht kennenlernen wirst“, fügte ich mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. Morgen Vormittag würde ich den Hund direkt ins Tierheim bringen, dann war ich ihn endlich los. Doch plötzlich fiel mir ein, dass das Heim nur von fünfzehn Uhr bis siebzehn Uhr geöffnet hatte und ich fluchte leise vor mich hin. Wieder schien es, als würde der Malinois grinsen, doch ich musste mich täuschen. Konnten Hunde eigentlich Gedanken lesen?
Meine Wohnung war so unaufgeräumt wie immer. Bingo schien das nicht zu stören, denn er durchschnupperte Raum für Raum. Ich wartete darauf, dass er ein Bein heben und sein Revier markieren würde, doch der Malinois schien gut erzogen und stubenrein zu sein. „Ja, schau dich ruhig um“, bemerkte ich, während meiner Suche nach einem geeigneten Platz für den Hundekorb. Gedanken, den Hund im Bad unterzubringen, verwarf ich rasch wieder. Dann müsste ich die Tür offenstehen lassen. Das war keine gute Idee. Schließlich räumte ich eine Ecke im Wohnzimmer frei, in der sich allerlei Krimskrams angesammelt hatte. „Hier ist dein Platz, Bingo“, machte ich dem Köter klar. Das war möglichst weit von meiner Couch entfernt, so dass er mich beim Fernsehgucken nicht stören würde.
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich mich noch in Ruhe würde duschen und umziehen können. Danach wollte ich ins Chez Duedo. Aber ohne den Hund. Der könnte es sich hier gemütlich machen.
Dann kamen mir Zweifel an meiner Idee. Was, wenn das Tier anfing, hier etwas zu zerstören? Die Couch oder den Sessel ankaute? Oder mir die Gardinen von den Fenstern riss? Allerdings hatte er bei Herrn Weser auch nichts zerstört. Doch in meinem Hinterkopf regte sich der Gedanke, dass die Umgebung hier ja für das Tier neu war. Er müsste sich erst einmal eingewöhnen, dann könnte ich ihn auch alleine lassen. Wesers Haus hatte der Hund ja schon zur Genüge gekannt. Und was wäre, wenn er plötzlich zu kläffen anfing? Die alte Frau, die gegenüber von Chrissis Wohnung lebte, würde garantiert die Polizei rufen.
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