„Lärpers“, korrigierte ich automatisch. Hier ging es um irgendeinen verdammten Köter und es musste ausgerechnet mich treffen! Stöhnend dachte ich an meinen Termin, der immer näher rückte. Jonathan Lärpers war wirklich auf den Hund gekommen.
„Gehen sie, Särpers und kümmern sie sich um den Hund. Das ist ein ganz liebes Tier und sobald ich aus dem Krankenhaus wieder heraus bin, können sie Bingo wieder zu mir bringen.“
„Was ist das denn für ein Hund?“, fragte ich noch, während ich schon in Richtung Tür ging.
„Ein Mallenar. Und Futter finden sie in der Küche und im Keller. Sie können aber auch selber Futter kaufen. Die Hundeleine hängt übrigens an der Garderobe.“
Ich drehte mich noch einmal um und sah, wie der Alte überlegte.
„Ach ja. Das Hundespielzeug liegt neben seinem Körbchen in dem hinteren Raum neben dem Wohnzimmer. Vergessen sie ja nichts mitzunehmen! Und fassen sie auf keinen Fall etwas in meinem Haus an!“ Weser seufzte wieder lautstark. „Ach, wäre doch Christine hier.“
Ich machte mir Gedanken um den Köter. Mit Hunden kannte ich mich nicht aus und was in aller Welt war ein ‚Mallenar‘? Ein Dackel, ein Mops oder was? „Was ist ein Mallenar?“, fragte ich, um in dieser Beziehung wenigstens vorbereitet zu sein.
Weser knurrte. „Das wissen sie nicht? Wie ungebildet sind sie eigentlich, Märpers? Ein Mallenar ist ein belgischer Schäferhund. Mann, das weiß doch jedes Kind.“
Während Weser weiter leise vor sich hin schimpfte, verließ ich das Zimmer. Im Gang kam mir die Schwester entgegen und ich wandte mich kurz an sie: „Entschuldigen sie. Können sie mir sagen, was Herr Weser für eine Krankheit hat? Wie lange wird er hierbleiben müssen?“ Je eher ich den Köter wieder loswurde, desto besser.
Die Schwester schüttelte den Kopf: „Das kann ich ihnen nicht sagen, da ich es nicht weiß. Herr Weser muss erst noch untersucht werden. Aber auch wenn ich es wüsste, dürfte ich es ihnen nicht sagen. Datenschutz, verstehen sie. Sie sind doch kein Angehöriger.“
Ich nickte und wollte gerade weitergehen, als sie hinzufügte: „Ich kann ihnen aber verraten, dass ein Nachbar Herrn Weser bewusstlos auf dem Gehweg vor seinem Haus gefunden und die Ambulanz verständigt hat.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Was dem Mann nun aber fehlt, werden wir erst noch feststellen müssen.“
Fluchend quälte ich mich durch den Verkehr. Hunde, Hunde und immer wieder Hunde. Ich stand diesen Tieren an sich neutral gegenüber, doch lieber waren sie mir, wenn sie sich weit genug entfernt befanden. Nicht, dass ich Angst vor Hunden hätte, doch im Grunde konnte ich mit ihnen nichts anfangen. Wozu war so ein Tier schon gut? Es kostete eine Menge Geld, fraß Unmengen an Futter und hinterließ überall Tretminen.
Ich hupte und quetschte mich in eine Lücke. Hinter mir erschall ein wütendes Hupkonzert und im Rückspiegel sah ich den ausgestreckten Mittelfinger des Fahrers. Was interessierte mich das schon! Jonathan Lärpers, Privatdetektiv und Personenschützer, hatte einen Termin und musste pünktlich erscheinen. Trotzdem ging es nur schleppend voran und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich auf jeden Fall zu spät kommen würde.
Scheiß Herr Weser, scheiß Hunde und scheiß Nachbarschaftsstreit. Wieso hatte Bernd eigentlich nicht mich anstelle von Birgit zum Schutz dieser Musikerin abgestellt? Dass diese Künstlerin unbedingt nach einer Frau als Personenschutz verlangt hatte, war doch eigentlich kein Argument.
Die kleine Eigenheimsiedlung lag weit im Norden Mönchengladbachs. Akkurat geschnittene Rasenflächen, penibel saubere Vorgärten und Gehwege, sowie streng den Vorschriften entsprechend geparkte Fahrzeuge verrieten mir, dass es sich um eine äußerst gut bürgerliche Siedlung handelte. Ich parkte direkt vor der Garageneinfahrt des Herrn Bersmann, dem Mann mit dem Hund.
Keine zwei Minuten später klopfte es an meine Seitenscheibe. Ein dürrer Mann mit schulterlangen, fettigen Haaren bedeutete mir, das Fenster herunterzukurbeln. Ich lächelte ihn an und stieg aus meinem Wagen.
„Hier können sie nicht parken“, begrüßte mich der Dürre, der einen halben Kopf kleiner war als ich. Ich schätzte ihn auf einen Meter fünfundsiebzig. „Sie stehen genau vor der Garageneinfahrt, also steigen sie mal schnell wieder ein und fahren sie woanders hin!“
„Herr Bersmann? Edgar Bersmann?“
„Woher wissen sie meinen Namen?“
Ich lächelte und streckte dem Mann meine Hand entgegen. Bersmann war neunundsechzig Jahre alt und Rentner. Soviel wusste ich immerhin aus der Akte. „Jonathan Lärpers von der Detektei Argus. Sie haben uns angerufen wegen ihres Streits mit dem Nachbarn. Es wurde ein Termin mit ihnen gemacht.“
Bersmann blickte auf seine Uhr am Handgelenk. „Lärpens? Sie sind zehn Minuten zu spät. Unser Termin war um fünfzehn Uhr und jetzt ist es fünfzehn Uhr zehn.“ Er sah mich kopfschüttelnd an und blickte dann auf mein Auto. „Sind sie bei der Post beschäftigt?“
„Detektei Argus. Und es tut mir leid, wenn ich etwas später dran bin, doch der Verkehr hat mich aufgehalten. Und dann war da noch eine Baustelle in ...“
„Schon mal davon gehört, dass man auch früher losfahren kann? Heutzutage müssen sie mit viel Verkehr rechnen. Das ist keine Ausrede!“ Dann meinte er eine Spur freundlicher: „Na, dann kommen sie mal ins Haus, ich erkläre ihnen, worum es geht.“
Im Haus empfing uns ein fürchterlich kläffendes Wollknäuel von zirka zwanzig Zentimeter Länge. Der Hund - sofern man so etwas Hund nennen konnte - bellte mich an, wich aber ständig vor mir zurück.
„Niedlich“, bemerkte ich und verschluckte ein: ‚Eine Fußhupe.‘ „Was ist das für eine Rasse, ein Pudel?“
Bersmann lachte. „Ein Pudel? Hallo, sie kennen sich aber mit Hunden wohl überhaupt nicht aus. Das ist Mopsi, ein ...“
„Ein Mops?“, fiel ich ihm ins Wort. Der Name ‚Mopsi‘ ließ ja auf kaum etwas anderes schließen.
„Ein Lhasa Apso.“
Ich sah mir den Hund genauer an, was der mit einem fürchterlichen Knurren quittierte. „Aha“, meinte ich dann.
„Kommen sie ins Wohnzimmer, dort ist es gemütlicher.“
Wieder wich der Köter vor mir zurück, doch wenigstens knurrte und bellte er jetzt nicht mehr. Bersmann wies auf einen Sessel. „Setzen sie sich. Sehen sie, Mopsi hat sich schon an sie gewöhnt. Sie werden noch beste Freunde werden.“
Daran glaubte ich zwar nicht, nickte aber ergeben.
„Darf ich ihnen einen Kaffee anbieten? Ich habe extra welchen aufgesetzt.“
Bevor ich noch antworten konnte, war der Mann auch schon wieder verschwunden. Ich sah mich unter dem wachsamen Blick des Hundes im Wohnzimmer um. Alles war penibel sauber und ordentlich. Ein Musterhaushalt. Als ich mich ein wenig erhob, um einen Blick aus der Glasfront in den Garten zu werfen, knurrte ‚Mopsi‘ warnend. Rasch ließ ich mich in den Sessel zurückfallen.
Ein paar Minuten später kehrte Bersmann mit zwei Bechern zurück, in der sich eine ziemlich dunkle Brühe befand. „Steht schon einige Zeit auf der Platte“, meinte der Dürre entschuldigend und nahm einen Schluck. Dann setzte er sich auf die Couch und Mopsi ließ sich mit einem Grunzen neben ihm nieder. Ich nippte an dem Gebräu und schaffte es, mein Gesicht nicht zu verziehen. Der Kaffee war ungenießbar.
„Nun, Herr Bersmann“, wandte ich mich an den Hundehalter, der inzwischen mechanisch das Wollknäuel streichelte. „Wie sie uns mitteilten, geht es um ihren Nachbarn, der von dem Hund gebissen wurde und sie nun verklagen möchte. Was stellen sie sich vor, soll die Detektei Argus in diesem Fall für sie tun?“
„Mopsi hat Guido nicht gebissen. Der ist absolut friedfertig.“
Dass der Hund so friedfertig sein sollte, bezweifelte ich zwar, meinte aber fragend: „Guido?“
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