„Sein Hobbyraum? Meinen sie, dass sie dort etwas finden werden?“
Ich zuckte mit den Schultern: „Das kann ich immer erst nachher sagen. Wenn es etwas zu finden gibt, das uns helfen wird, ihren Mann zu finden, dann finde ich es auch.“ Ich musste lächeln, der Satz beherbergte drei ‚finden‘. Ich sinnierte an weiteren Kombinationen. ‚Finde ich etwas Findenswertes, dann habe ich das Gefundene gefunden.‘ Klang nicht wirklich gut, vielleicht das: ‚Ching Chang Chong, ich find fand fong‘. Nein, das war nicht halbwegs so gut, wie der ers...
„Herr Privatdetektiv?“, unterbrach die Anwaltsfrau meine Gedanken. „Wollen sie noch in den Keller? Sie stehen schon eine ganze Weile mit diesem merkwürdigen Grinsen im Gesicht hier. Kommen sie mit oder ist ihnen noch etwas eingefallen?“
Ich beeilte mich, mit der Frau in den Keller zu gelangen. Wenn mir einmal etwas mehr Zeit blieb, würde ich die Thematik der Sätze mit mehreren gleichen Worten noch einmal überdenken.
Der ‚Hobbyraum‘ stand dem Büro in seiner Größe in nichts nach. Wie oben das Zimmer, befanden sich hier auch die allerfeinsten Möbel, die besten Werkzeuge und elektrischen Maschinen und alles war penibel sauber und ordentlich. Allerdings war zu erkennen, dass der Raum schon eine ganze Weile nicht mehr genutzt worden war und hier lediglich noch die Putzfrau wirkte.
Außerdem befanden sich hier an den Wänden keine Gemälde, sondern Regale mit verschiedenen Modellen. Mürkens musste einmal ein fleißiger Bastler gewesen sein, denn vom Schiffsmodell bis hin zu Motorrädern, Panzern und Oldtimern, befanden sich die interessantesten Plastikmodelle auf den aus edlem Holz gefertigten Brettern. Ich machte erneut eine Reihe von Fotos, doch diesmal lichtete ich Bingo nur viermal ab. Hier unten war das Licht nicht so gut und die Aufnahmen mit dem Hund stellten mich nicht wirklich zufrieden. Ich nahm mir vor, den Malinois mit einer vernünftigen Kamera im Park und im Wald zu fotografieren.
Ich durchsuchte noch die Schubladen, war mir aber ziemlich sicher, nichts zu finden. Allerdings spukte in meinem Hinterkopf ein Gedanke herum, den ich nicht klar erfassen konnte. Irgendetwas war meinem Unterbewusstsein aufgefallen und ich überlegte angestrengt, was das gewesen war.
„Sind sie fertig, Herr Detektiv?“, hörte ich die Frau fragen.
„Noch nicht ganz. Da war noch etwas ... Ich weiß nur nicht genau, was.“
„Maximi war schon lange nicht mehr hier unten“, erklärte sie und blickte sich in dem Raum um. „Das war noch vor der Zeit ...“ Sie unterbrach sich und schlug mit der Hand leicht gegen die Stirn. „Ach, das hätte ich ja bald vergessen. Hinter der Garage gibt es einen Anbau, in dem befindet sich Maximis Motorrad. Er hat da schon fast so etwas, wie eine kleine Werkstatt. Wollen sie den Raum auch sehen?“
‚Sicher‘, dachte ich. Wenn die Dimensionen der ‚Werkstatt‘ in etwa denen des Büros und des Hobbyraums glichen, dann musste es sich um eine mittelgroße Halle handeln. Dann hätte ich mir fast selbst die Hand vor die Stirn geschlagen. Das war es! Die Modellmotorräder auf dem Regal. Während ich mich zu der Seite bewegte, an der sie standen, nickte ich der Frau zu: „Natürlich will ich die Werkstatt sehen. Eine Sekunde noch.“
Und dann sah ich, was mein Unterbewusstsein erfasst hatte: Auf sämtlichen Tankseiten der Modelle prangte das gleiche Symbol. Es war winzig und kaum richtig zu erkennen. Soweit ich sehen konnte, handelte es sich um einen Totenkopf mit einer Art Pickelhaube hinter einem hochgezogenen Motorradlenker. Das Symbol wurde umrahmt von Schriftzeichen, die ich aber nicht lesen konnte, da sie zu klein waren. Rasch fertigte ich einige Fotos davon an, vielleicht konnte Jennifer die Bilder ja vergrößern.
„So, das wär’s erst einmal. Lassen sie uns noch diesen Anbau besichtigen, dann sind sie mich auch schon fast wieder los.“ Ich nickte Bingo zu, der uninteressiert an der Werkbank schnupperte. „Komm mein Freund. Gleich haben wir es geschafft.“
Der Anbau entpuppte sich als bestens ausgestattete Motorradwerkstatt. Der Raum zog sich in seiner Länge an dem gesamten hinteren Ende der Doppelgarage entlang und war fast ebenso breit. Meine vorherige Vorstellung von einer Halle kam den tatsächlichen Maßen des Anbaus ziemlich nahe. Insgesamt war der Raum wesentlich größer als mein Wohnzimmer.
Aber die Werkstatt war leer und Frau Mürkens stand entgeistert in der Tür und starrte auf den Betonboden.
„Das Motorrad ist fort“, stammelte sie schließlich.
„Ja, das stimmt“, murmelte ich, da mit ansonsten nichts dazu einfiel. Bingo bewegte sich inzwischen schnuppernd durch den Raum.
„Es hat doch immer hier gestanden.“
„Was war das denn für ein Motorrad?“, fragte ich, während meine Augen dem Hund folgten, der nun an einer Farbdose intensiv schnupperte. Ob ihn der Geruch der Farbe so anzog?
„Keine Ahnung“, erklärte die Frau. „So ein hässliches Ding mit einem hochgezogenen Lenker.“
Ich nickte. Vielleicht ein Chopper, doch tat das jetzt eigentlich nichts zur Sache. Trotzdem fragte ich noch einmal nach und machte mir weiterhin Notizen. Bingo gab inzwischen ein leises Knurren von sich und fixierte mal die Dose und dann wieder mich. Ob er etwas von mir wollte? „Wie sah das Motorrad denn aus?“
„Hässlich. Also, der Lenker ist ziemlich hoch. Dann hat das Ding einen merkwürdigen Sitz mit einer hohen Lehne und einem Metallbügel. Der Tank ist eher klein und erinnert mich an eine Birne. Ja und dann ist da noch ein wuchtiger Motor, aber ich kenne mich mit so etwas nicht aus. Ob jemand das Motorrad gestohlen hat?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke nicht. Der Anbau war doch ordentlich verschlossen und es finden sich auch keine Einbruchspuren. Vielleicht ist ihr Mann ja damit unterwegs. Haben sie eine Ahnung, was für ein Typ das Motorrad ist?“
„Typ?“
„Ja, Marke. Kennen sie den Hersteller?“
„Nein. Maximi war nur ziemlich stolz darauf. Er hat oft gesagt, dass ein Typ in einem Film so etwas auch gefahren hat.“
„Und wissen sie auch wie der Typ oder der Film heißt?“
Sie stöhnte gequält auf. „Was sie aber auch alles wissen wollen. Ich habe mich nie für Maximis Motorrad interessiert und er sprach auch nur selten darüber. Es war irgendetwas mit Amerika, oder der Mann hieß Amerika. Ich weiß das nicht mehr so genau.“
Mir fiel dazu auch nicht viel ein und so nickte ich lediglich dankbar. „Danke, vielleicht helfen uns ihre Angaben ja weiter. Das war’s im Prinzip auch schon.“ Dann fiel mir noch eine Frage zum Motorrad ein: „Ach ja, wie lautet denn das Kennzeichen des Motorrades?“
Wieder sah mich die Frau verständnislos an. „Das weiß ich doch nicht. Ich sagte doch schon, dass ich mich für das Ding nie interessiert habe. Und schon gar nicht für das Kennzeichen!“ Sie überlegte einen Moment und fügte dann hinzu: „Aber mit MG für Mönchengladbach wird es schon sein ...“
„Ja, danke. Das hilft mir bestimmt weiter“, meinte ich leicht sarkastisch und als Bingo erneut leise knurrte, ergänzte ich: „Nur eine Sache noch.“ Ich nahm die Dose von dem Regal. Viel Farbe konnte sich nicht mehr darin befinden, denn sie war extrem leicht. Bingo nickte mir aufmunternd zu - zumindest kam es mir so vor.
Mit einem Schraubendreher hebelte ich den Deckel vorsichtig auf. Aber anstatt, dass mir Farbgeruch entgegenschlug, hüllte mich der Duft von Marihuana ein. ‚So‘, dachte ich, ‚hat der saubere Herr Anwalt also etwas zu naschen hier gebunkert. Dann sah ich Bingo an: „Fein gemacht“, lobte ich ihn, „such, such.“ Doch der Hund blickte nur auf die Dose und machte keine Anstalten, weiter in der Werkstatt zu suchen. Gerade so, als wollte er mir sagen, dass sich hier nichts mehr befinden würde.
Ich hielt die Dose hoch und erklärte der Frau: „Das nehme ich mit. Beweismaterial.“ Und als sie mich verständnislos anschaute, fuhr ich fort: „Wegen der Fingerabdrücke und Geruchsspuren.“ Ganz so falsch war das ja schließlich nicht.
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