„Wieso hat die denn ihre Koffer mitgebracht? Will die etwa hier einziehen oder was?“
„Oder was“, keife ich gereizt zurück und erkläre, dass Billy mitnichten hier einziehen, sondern lediglich ein paar Tage in unserem Gästezimmer übernachten will. Was hoffentlich kein großes Problem darstellen dürfte, Platz hätten wir doch wirklich genug.
„Mir ging es heute nicht besonders“, entschuldige ich mich für meine mangelnde Kommunikationsbereitschaft und die dadurch verursachte Überraschung. Gleichzeitig aber denke ich verzweifelt darüber nach, wie ich Bernd ein klares Nein entlocken kann. Ich habe nämlich den schrecklichen Verdacht, dass Billys Einzug unser Leben ziemlich durcheinanderwirbeln würde. Da ich selbst als beste Freundin jedoch unmöglich einen Rückzieher machen kann, ist ein Nein von Bernd meine letzte Chance. Am liebsten würde ich mich, mit einem bedauernden Lächeln auf den Lippen, hinter Bernds Ablehnung verstecken. Die ich irgendwie provozieren muss. Bloß wie? Mir fällt ein, wie sehr Bernd es hasst, überrumpelt zu werden. Also führe ich mich höchst ungeduldig auf.
„Also darf meine Freundin nun hier bleiben oder nicht?!“
Der aggressive Tonfall meiner Frage, der mich fast selbst einschüchtert, schreit nach einem energischen „Du spinnst wohl!“ von Bernds Seite, mindestens aber nach einem fetten Streit, der auf keinen Fall noch an diesem Abend beizulegen ist, so dass Billy heute Nacht unmöglich hierbleiben kann.
Bernd aber – bleibt stumm! Missmutig starrt er mich an und sagt kein Wort. Warum tobt er nicht wütend herum wie ein Rumpelstilzchen und empört sich, und zwar völlig zurecht, über meine dreiste Forderung?
„Was ist denn nun?!“, lege ich also nach und hoffe inständig darauf, dass mein eigentlich zuverlässig spießiger Ehemann meinen vermeintlichen Wunsch strikt ablehnt, möglichst mit einer so überzeugenden Begründung, dass ich für seine Argumente einfach das nötige Verständnis aufbringen muss.
Bernd aber enttäuscht. Leistet keinerlei Widerstand. Statt die Ellenbogen auszufahren, hat er diese schlapp auf seinen runden Knien abgelegt und die Hände friedlich ineinander verschränkt. Denkt er nun etwa ernsthaft über meinen schwachsinnigen Vorschlag nach? Bevor er noch zu einem positiven Ergebnis kommt, fange ich selbst an, meine eigene Idee madig zu machen und sie als „völlig überstürzt“ und „unausgegoren“ zu diffamieren. Und recht glaubwürdig, wie ich finde, versichere ich Bernd, wie überaus schockiert ich meinerseits sein würde, wenn eines Tages einer seiner Kumpels vor der Tür stünde und hier wohnen wollte.
„Ich denke, es ist nur für ein paar Tage?“, wirft Bernd mit ruhiger Stimme ein und guckt mich fragend von der Seite an.
Zuerst will ich nicken. Dann aber zucke ich mit den Schultern, was signalisieren soll: Wer weiß, vielleicht handelt es sich ja nicht nur um wenige Tage, sondern um Wochen, Monate oder gar Jahre? Da ich seine Frage nicht beantworte, hält Bernd sie nun wohl selbst für eine rein rhetorische und interpretiert mein Schulterzucken vermutlich bloß als allgemeine Verunsicherung.
„Dann ist das doch eigentlich kein Problem“, beschließt Bernd nun und erhebt sich vom Bett. Für ihn ist die Sache damit erledigt. Und ich kann nur noch eins denken: Shit. Holy shit, shit, shit. Bullshit. Holy bullshit!
Zugleich ist mir klar, dass ich Bernd nun vor lauter Dankbarkeit um den Hals fallen muss, weil er meiner Freundin so großmütig und vor allem spontan Asyl gewährt. Also tue ich das. Stehe ebenfalls auf und umarme meinen Mann heftig, täusche ihm überschäumende Freude vor wie gelegentlich den Orgasmus, und bin dabei immerhin über eine Sache wirklich froh: Dass Bernd während meiner innigen Umarmung mein entsetztes Gesicht nicht sehen kann.
Hurrikan Billy wartet also unten auf der Terrasse – und wir Idioten werden die Tür weit aufreißen und ihn hereinlassen in unser Leben, stelle ich ernüchtert fest und fantasiere mir zugleich lebensrettende Maßnahmen zusammen, die mich beruhigen sollen: Ich schwöre mir, Widerstand zu leisten, an allen Fronten. Stur werde ich im eigenen Rhythmus weiterleben wie bisher und mich dabei, was auch passieren mag, nicht aus dem Takt bringen lassen. Ich werde die Nerven bewahren. Auch Haltung, wenn möglich. Es wird eine echte challenge . Aber wir werden ihn schon überstehen, diesen Hurrikan.
Als ich mich nach langen, durchaus trostspendenden Sekunden wieder von Bernd löse, kann ich sogar lächeln.
„Das wird bestimmt eine schöne Zeit!“, sage ich in ziemlich überzeugendem Ton zu Bernd, tätschle mit den Händen aufmunternd auf seiner Brust herum und wünsche mir von ganzem Herzen, ich könnte meinen eigenen Worten glauben.
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