Di Maria überhörte die Betonung der Ms offensichtlich, denn er strahlte sofort zufrieden. „Prima! Hier…!“ Er streckte seinen rechten Arm aus und schon überreichte ihm einer seiner Leibwächter einen Autoschlüssel. „Sie können den Mercedes nehmen!“ Er drückte ihn Frank in die Hand.
Der nickte. „Alles klar!“ Dann sah er, dass di Maria ihn mit großen Augen ansah. „Ich…ähm…warte vorn!“ Er nickte dem Alten zu und drehte sich um.
Als er wieder am Tresen stand, war sein ehemaliger Platz noch immer frei und er setzte sich wieder dorthin. Während er so tat, als wäre er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, beobachtete er Sarah und den Alten. Zunächst redeten sie noch kurz miteinander, was beide zu erfreuen schien, denn sie lachten fröhlich.
„Was gibt es da zu sehen?“ hörte er plötzlich eine ihm wohlbekannte Stimme neben sich. Als er sich überrascht zu ihr umdrehte, musste er erkennen, dass er sich nicht geirrt hatte: Es war tatsächlich Micaela, di Marias Enkelin.
Wie immer sah sie rattenscharf aus. Sie trug ein schwarzes Kostüm mit einem wadenlangen, engen Rock, dazu eine dunkelrote Satinbluse. Ihre langen, schwarzen Haare wallten über ihre Schultern, sie war dezent, aber verführerisch geschminkt und verströmte einen herrlich süßen, aber dennoch leichten Duft, den Frank ziemlich anregend fand.
Doch beim Blick in dieses wirklich sehr schöne Gesicht, konnte Frank sofort wieder diese Härte und Berechnung erkennen, die Micaela in seinen Augen trotz ihrer offensichtlichen Vorzüge nicht anziehend wirken ließ.
„Was? Ich…! Micaela!“ stotterte Frank etwas nervös.
„Bespitzelst du meinen Großvater?“ Micaela schob ihr Gesicht näher an das seine und ihre stechenden grünen Augen durchbohrten ihn förmlich.
„Was?“ Frank lachte auf. „Nein. Ich bin hier, weil der Alte mit mir reden wollte!“
„Aha!“ Für einen Augenblick musterte ihn die Frau noch durchdringend, dann huschte ein Lächeln über ihre bauschigen Lippen. „Dann wirst du mit uns kommen müssen, denn mein Großvater und ich müssen jetzt zu den Docks!“
Was, das stimmt tatsächlich?
„Es wird aber nicht lange dauern und dann kannst du mit ihm reden!“ Jetzt grinste sie fast diebisch „Und dann lade ich dich auf einen Drink ein, okay?“ Ihre Augen funkelten und ihr Gesichtsausdruck wurde schmachtend. „Wir haben uns wirklich schon lange nicht mehr unterhalten! Allein!“ hauchte sie noch hinterher.
Während Frank ihr aufmerksam zuhörte, weil er wusste, dass man als potentielles Lustobjekt stets auf das hören musste, was Micaela von sich gab, weil es einem sonst echt schlecht ergehen konnte, konnte er sehen, wie Sarah di Maria einen leichten Kuss auf die Wange gab, nachdem sie sich kurz umarmt hatten.
„Tja Micaela!“ Frank spürte jetzt sogar Erleichterung, dass er Sarah nachhause bringen musste. „Dieses Angebot muss ich leider ablehnen! Tut mir echt leid!“
„Was?“ Damit hatte Micaela ganz offensichtlich nicht gerechnet. Ihre Augen wurden zu Schlitzen, denn sie war es nicht gewohnt, dass Mann ihr widersprach. „Wieso?“
„Weil dein Großvater mir schon eine Spezialaufgabe gegeben hat!“ Frank konnte sich ein Grinsen kaum noch verkneifen. Nur die Gewissheit, Micaela damit zu verärgern, ließ ihn sich zusammenreißen.
„Die da wäre?“
Mittlerweile waren di Maria und Sarah zu ihnen gekommen.
„Ich muss Ms Hudson nachhause fahren!“ erklärte Frank wahrheitsgemäß so laut, dass es auch der Alte hören konnte. Allerdings hörte es auch Sarah und schien etwas traurig, ob seiner Wortwahl.
„Ja, das habe ich ihr versprochen!“ sagte di Maria mit einem sanften Lächeln, dann wandte er sich an seine Enkelin. „Hallo Micaela!“ Er umarmte sie und sie gab ihm einen Kuss auf den Mund.
„Ola Avo!“ Sie lächelte ihn strahlend an. „Kann das nicht auch Marco machen?“
„Nein!“ Der Alte schüttelte den Kopf. „Ich möchte ihn bei uns haben. Und die anderen…!“ Er blickte zurück zu seinen anderen Leibwächtern, die allesamt echte Kleiderschränke mit kurzgeschorenen Haaren, aber ziemlich ausdruckslosen Gesichtern waren. „…sind für eine derartige Aufgabe nicht geeignet!“
„Ach, und Palmer ist es?“ Micaela schien wenig überzeugt.
„Ja!“ meinte di Maria aber sofort mit einem Nicken. „Das denke ich! Ich glaube sogar…!“ Er sah zunächst Frank und dann Sarah mit einem sanften Lächeln an. Als beide daraufhin etwas verlegen wurden, wurde sein Lächeln noch breiter. „…das es eine ganz besonders gute Idee ist!“ Er atmete einmal tief durch. „Und jetzt komm!“ Er nahm Micaela am Arm und schob sie nach draußen. „Wir sind schon spät dran!“ Während Micaela sich nochmals umwandte und zunächst Palmer einen Na-warte, ich-kriege-dich-schon-noch-Blick entgegen schleuderte, warf sie Sarah einen Miststück-Blick vor die Füße.
Als die beiden das Lokal, gefolgt von Marco und drei weiteren Leibwächtern, verlassen hatten, drehte sich Sarah zu Frank und atmete dabei tief durch. „ Uih , was war das denn?“
„Was meinen sie?“ fragte Palmer und tat völlig ahnungslos.
„Na, kommen sie schon!“ erwiderte Sarah mit einem schiefen Grinsen. „Da war aber gerade Jemand total sauer, dass er sie nicht haben konnte!“
„Was? Wieso?“
„Di Marias Enkelin steht auf sie!“ stellte Sarah fest. „Das sieht doch ein Blinder!“
„Ich weiß nicht, was…!“ Doch Frank wusste beim Blick in Sarahs Gesicht, dass er nicht zu schwindeln brauchte. „Also gut, ja!“ Er atmete tief durch und sagte dann matt. „Ich weiß!“ Dabei verzog er die Mundwinkel zu einer säuerlichen Grimasse.
Sarah sah ihn an und zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist los?“ fragte sie. „Micaela ist atemberaubend schön! Sagen sie mir jetzt nicht, sie ist nicht ihr Typ!?“ Sarah sah ihn mit großen Augen an.
Palmer wog den Kopf hin und her. „Schön…ja! Aber atemberaubend schön…?“ Er schüttelte den Kopf. „Eher nicht! Eher nur atemraubend…!“ Er nickte. „Das ganz sicher!“
Sarah war verwirrt. „Ich verstehe nicht!“
Frank grinste schief. „Micaela ist mega dominant. Ein Mann an ihrer Seite müsste alles aufgeben!“
„Aha!“ Sarah nickte. „Und darauf stehen sie nicht!?“
Palmer schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht! Ich mag es lieber nebeneinander. So wie mit ihnen!“ Er lächelte.
Sarah lächelte geschmeichelt zurück. „Danke!“ Dann aber wurde ihr Blick wieder ernst. „Aber sie müssen das jetzt wirklich nicht tun! Josés Meinung in allen Ehren, aber ich bin schon ein großes Mädchen. Ich komme allein zurecht und auch nachhause! Also…!“ Sie sah ihn mit großen Augen an. „Ich bin sicher, sie haben etwas Besseres zu tun, als Taxifahrer zu spielen. Ich entbinde sie von der Verpflichtung, mich nachhause zu fahren. Natürlich…!“ Sie lächelte. „…ohne das José davon erfährt!“
„Unsinn!“ wehrte Frank aber sofort ab. „Ich mache das!“
„Nein, danke!“ wehrte Sarah ab. „Sie müssen das wirklich nicht tun!“ Ihr Tonfall war ziemlich endgültig.
Mit einem Mal spürte Frank eine merkwürdige Unruhe in sich aufkommen. Er konnte nicht genau sagen, was es war, doch plötzlich rutschte sein Körper vom Barhocker und er trat unmittelbar vor Sarah. Während er das tat, erschrak er innerlich über sich selbst. Was zum Teufel tat er da? Doch er blieb direkt vor Sarah stehen und sah ihr einen Moment ganz tief in ihre wundervollen, magisch funkelnden, tiefbraunen Augen, versank langsam in ihnen.
Sarahs Körper versteifte sich, denn sie war sichtlich überrascht. Sie schluckte und wagte nicht zu atmen, während sie sich dem magischen Blick Palmers absolut nicht entziehen konnte, der eine kribbelnde Gänsehaut in ihrem Rücken erzeugte.
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