Sarah zog zweifelnd die Stirn kraus, doch lächelte sie nur und blieb stumm.
„Ähm…!“ Der Alte schaute hinab zu Frank. „Darf ich ihnen Mr. Palmer vorstellen?“
Frank war mit seinen Gedanken schon nicht mehr anwesend.
Die Aussicht auf ein Preisgeld von fünfzigtausend Dollar ließ sein Gehirn natürlich rotieren, ebenso wie die Tatsache, dass di Maria über Kate Bescheid wusste und ihm eine Lösung des Problems in Aussicht gestellt hatte. Wenn Palmer es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, dass heute Weihnachten wäre. Soviel Glück konnte er doch gar nicht haben. Sofort machte sich Unsicherheit und Nervosität in ihm breit.
Oder etwa doch?
Sollte heute das Schicksal endlich einmal zu seinen Gunsten ausschlagen?
In diesem Moment registrierte er di Marias letzte Worte. Instinktiv sah er zu ihm auf und erkannte, dass sein Blick über den Tisch hinweg auf die andere Seite ging.
Und als Frank diesem Blick folgte und Sarah Hudson erblickte, wusste er, dass heute tatsächlich ein schicksalhafter Tag war!
Es war einer jener Momente, in denen man das Gefühl hatte, dass Universum würde stillstehen. Als würde alles für einen Augenblick in Ehrfurcht verharren. Für einen Lidschlag war alles eins, man konnte den Puls der Zeit spüren, den Atem der Unendlichkeit. Dann ging ein Ruck durch die Grundfesten der Welt und alles ordnete sich plötzlich vollkommen neu. Aus klein wurde groß, aus kalt wurde warm, aus Verspannung Entspannung, aus falsch wurde richtig, aus Dunkelheit wurde Licht.
Ja, in einem solchen Moment konnte man die Macht des Schicksals spüren und wenn die Welt wieder anlief, war nichts mehr so, wie es war.
Einen solch wundervollen Augenblick erlebte Frank beim Anblick von Sarah Hudson!
Und da er im ersten Augenblick noch abgelenkt war, weil in seinem Kopf noch immer die Zahl Fünfzigtausend und die Gedanken um eine mögliche Genesung seiner Schwester herumschwirrten, traf ihn ihr Anblick nur umso heftiger.
Augenblicklich verspannte sich sein gesamter Körper und sein Herz setzte für einen Schlag aus, während ihm der Atem stockte.
Vor ihm stand eine dermaßen wunderschöne Frau, wie er sicher war, noch nie zuvor eine gesehen zu haben, denn alles an ihr… passte einfach.
Frank schätzte sie auf Ende zwanzig, vielleicht Anfang dreißig und damit in seinem Alter. Sie hatte dunkelblonde, leicht gelockte, schulterlange Haare, die sie offen trug. In ihrem attraktiven Gesicht mit ebenmäßigen Zügen leuchteten, nein funkelten tiefbraune Augen, die ihn wie magisch anzogen und dazu führten, dass er sich wie in Trance erhob.
Als er dann vor ihr stand, erkannte er, dass sie einen halben Kopf kleiner war als er. Sie hatte eine schlanke Figur mit leichten Rundungen. Ihre Kleidung - sie trug eine weiße Seidenbluse und einen knielangen, schwarzen Faltenrock aus einem leicht glänzenden Material, der von einem schmalen, silberglitzernden Gürtel gehalten wurde – stand ihr ausgesprochen gut und verlieh ihr einen sehr femininen Ausdruck.
„Hallo!“ Seine Stimme war leise und rau und er konnte seine Augen einfach nicht von ihrem Gesicht nehmen. Sein Blick war dabei beinahe ehrfürchtig.
Als Di Maria Frank ansah, war er zunächst von seinem Verhalten amüsiert und grinste, doch als er einen Moment später auch zu Sarah schaute und in ihrem Gesicht beinahe den selben Ausdruck erkennen konnte, war er sichtlich irritiert und sein Lächeln schwand.
„Hallo!“ Sarah sprach ebenfalls leise und musste schlucken, nachdem sie das Wort gesagt hatte. Ihre Augen waren dabei starr auf Frank gerichtet. Äußerlich war dies die einzige, sichtbare Reaktion von ihr, wenn man einmal von einem Funkeln in ihren Augen absah, doch innerlich war Sarah noch weitaus mehr aufgewühlt, denn sie hatte ganz sicher nicht damit gerechnet, heute einem Mann gegenüber zu stehen, bei dem ihr sofort und einzig nur ein Wort einfiel: Wow!
Aber genau das empfand sie gerade, denn dieser Mann vor ihr verkörperte so vieles von dem, was ihr gefiel, wie sie es schon lange nicht mehr empfunden hatte.
Sie schätze, dass er in ihrem Alter war. Er war größer, als sie, schlank, aber nicht wirklich durchtrainiert. Doch Sarah mochte Männer nicht, die sich ihre Muskeln in endlosen Fitnessstudiostunden sinnlos aufpumpten. Franks Körperbau war eigentlich genau richtig.
Sein Gesicht wirkte unscheinbar, hatte markante, aber um Mund und Augen auch wundervoll weiche Züge. Sarah glaubte zu erkennen, dass dieses Gesicht schon Gutes, aber auch viel Böses gesehen und es sein Besitzer nicht immer leicht gehabt hatte. Dennoch wirkte es nicht abstoßend, ganz im Gegenteil. Die tiefblauen Augen schimmerten sanft, aber auch geheimnisvoll und wirkten eine magische Anziehungskraft auf Sarah.
Plötzlich erkannte sie, dass di Maria sie in einer Mischung aus Irritation und abnehmender Freude ansah und erschrak fast im selben Moment, weil ihr bewusst wurde, dass ihre Reaktion auf Palmers Anblick ziemlich eindeutig und dem Alten nicht verborgen geblieben war. Das machte sie verlegen. Sie räusperte sich und nahm ihren Blick von Franks Gesicht.
Ein Engel! Wie ein Engel! ging es Frank durch den Kopf. Ein wunderschöner, äußerst attraktiver Engel!
Doch dann bemerkte er eine Veränderung in Sarahs Gesicht, wie sie verlegen wegschaute und konnte im nächsten Moment di Maria als Verursacher ausmachen.
Und da sackte alles in ihm wieder zusammen und Enttäuschung breitete sich aus, die sich in einem einzigen Wort manifestiert: Schade!
Er hatte doch gewusst, dass diese Frau zu dem Alten gehörte und wenn nicht schon längst geschehen, so doch auf dem besten Wege war, mit ihm ins Bett zu gehen. So wunderschön und attraktiv und intelligent sie auch schien, sie war letztlich doch nichts Besseres, als ein Betthäschen.
Sehr schade!
Doch er fing sich recht schnell wieder, weil erneut die Zahl Fünfzigtausend vor seinem inneren Auge auftauchte und eine strahlende und überglückliche, weil geheilte, Kate. Das dämpfte die Enttäuschung über Sarah etwas ab. Schließlich wäre das ein fast schon obszön zu nennender Glückstag geworden, wenn er jetzt auch noch Sarah Hudson näher hätte kennenlernen dürfen. Eindeutig zu viel des Guten!
„Ähm…!“ Di Maria war noch immer etwas irritiert. „Ich ähm…Also gut!“ Er atmete hörbar ein. „Frank, wie ich schon sagte, muss ich jetzt dringend noch etwas erledigen!“
Palmer nickte. Klar, dass mit den Docks war eine Lüge. Di Marias nächster Weg würde ihn sicherlich direkt in diese Frau führen. Entsprechend wollte er sich schon abwenden.
„Sarah hat Verständnis dafür, doch möchte ich nicht, dass sie allein nachhause fahren muss!“
Was?
„Das würde mir aber wirklich nichts ausmachen, José!“ erwiderte Sarah mit einem verstohlenen Blick auf Frank.
Wie bitte?
„Nein, nein!“ wehrte der Alte aber sofort ab. „Ich werde dafür sorgen, dass Sie Jemand nachhause bringt! Frank?“ Er sah Palmer direkt an.
Der verstand nur Bahnhof und war sichtlich überrascht. „Ja?“
„Wären sie so freundlich und würden Ms Hudson nachhause bringen?“
„Was?“ Er erschrak fast.
Sarah nahm seine Reaktion als abwertend. Obwohl ihr eine gewisse Enttäuschung anzusehen war, hob sie schnell die rechte Hand und wehrte ab. „Nein, lassen sie es gut sein. Ich nehme mir ein Taxi. Da ist doch wirklich nichts dabei!“
Di Maria aber schüttelte vehement den Kopf. „Unsinn! Das werden sie nicht. Frank wird sie fahren. Nicht wahr, Frank?“
„Ich…! Ähm….!“ Er sah Sarah an, war sofort wieder fasziniert von ihrem Anblick und den wundervollen Augen, spürte zeitgleich, wie sein Herz schneller schlug und wurde etwas verlegen. „Natürlich! Sicher!“ Er nickte mit verzogenen Mundwinkeln. „Ich bringe… Ms …Hudson nachhause!“ Na prima, jetzt hab ich auch noch seine für heute verschmähte Geliebte an der Backe. Das kann ja nur doof werden!
Читать дальше