Weitere zehn Personen waren Kellner, sowohl männliche, als auch weibliche. Sie waren an ihrer einheitlichen Kleidung, einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd und einer dunkelroten Weste zu erkennen. Sie kümmerten sich um das Büffet, die Bar und verteilten Getränke und H´ordeuvres auf Tabletts.
Der Rest der Anwesenden waren Frauen, viele von ihnen sicherlich erst um die Dreißig, einige wenige aber auch älter. Neben vielen hellhäutigen Damen, gab es einige von afro-amerikanischer, sowie fernöstlicher Herkunft. Es gab alle Haarfarben, alle Größen. Die meisten waren schlank, einige aber auch etwas molliger. Es gab dralle Körperformen, aber auch mädchenhafte Figuren. Alle Frauen waren in wundervolle Kleider gehüllt, edle, weich-fließende Stoffe, meistens Abend- oder Cocktailkleider, aber auch Kostüme mit Rock und Bluse. Und alle betonten die unterschiedlichen Körperformen auf wunderbare Weise.
Es waren jedoch keine Prostituierten, wie man vielleicht annehmen konnte. Es waren Damen aus dem Bekanntenkreis McNallys, die seiner Einladung heute Nacht gern gefolgt waren. Sie wurden weder dafür bezahlt, noch erwartete man etwas anderes von ihnen, als Spaß an einer kleinen Party, was allerdings nicht hieß, dass nichts geschehen durfte – und würde, wie José aus der Vergangenheit bei ähnlichen Events wusste. Alles aber auf absolut freiwilliger Basis.
José selbst hatte sich bisher immer zurückgehalten und würde es auch heute tun, obwohl ihm die schlanke Blondine – José schätzte sie auf Ende Zwanzig - in ihrem herrlich schimmernden, roten Satinkleid sofort aufgefallen war und sie auch ihm immer wieder verstohlene Seitenblicke zuwarf. Er beschloss, sich ihr zu nähern, nachdem er sich einen Scotch von der Bar geholt hatte. Auf seinem Weg dorthin wurde er jedoch von Arthur McNally abgefangen.
„José!“ begrüßte ihn der Gastgeber sichtlich erfreut. Er war kaum jünger, als di Maria und hatte sich ähnlich gut gehalten, wie er. McNally war allerdings gute zehn Zentimeter kleiner als José, hatte schütteres Haar und eine seinem Alter entsprechende, faltige Haut. McNally trug in der rechten Hand ein Glas Wodka on the Rocks und in der linken Hand eine dicke Zigarre, die einen angenehmen Duft verbreitete. McNally öffnete seine Arme und schloss seinen Freund für einen Moment herzlich ein. „Wir dachten schon, du wärst verhindert! Wo zum Teufel hast du gesteckt?“
José erwiderte zunächst die Geste seines Gegenübers. Dabei konnte er erkennen, dass ihn die Blondine erneut anschaute und sich ein Lächeln auf ihre Lippen legte, sobald sie seinen Blick einfing. Verdammt hübsche Augen! dachte er bei sich. Und nicht nur das! Er beschloss, mit dieser Frau auf jeden Fall noch ins Gespräch zu kommen. Dann schob er McNally sanft von sich. „Ich musste noch einiges mit Micaela besprechen. Darüber hatte ich glatt die Zeit vergessen. Ich bin doch aber noch immer pünktlich, oder?“
„Natürlich!“ bestätigte McNally sofort, dann nahm er José beim Arm. „Wie macht sich deine Enkelin?“
José lächelte erneut. „Prima! Du weißt, ich hatte anfangs meine Zweifel, aber…!“ Er schob anerkennend die Unterlippe vor. „…ich muss sagen, sie waren allesamt vollkommen unbegründet. Micaela ist die richtige Wahl. Sie wird mein Unternehmen in eine gute Zukunft führen!“
„Das hört man gern!“ McNally nickte anerkennend. „Obwohl es für mich immer wieder schwer vorstellbar ist, dass eine so hübsche und attraktive Frau deinen Job übernimmt!“
Jetzt lachte José einmal auf. „Ja, da hast du Recht. Aber neben allem anderen ist Micaela hochintelligent und sie weiß genau, was sie will. Sie ist hart, aber fair und weiß am Ende auch immer ihren weiblichen Charme einzusetzen!“
„Ja…!“ McNally verzog die Mundwinkel. „Das stimmt!“ Als er erkannte, dass José ihn fragend ansah, lächelte er aber bereits wieder. „Es gibt einen neuen Schnee-Lieferanten aus Europa. Eigentlich war ich an ihm dran, doch deine Enkelin brauchte ihn nur zum Essen einladen und schon war ich am nächsten Morgen nur noch die Nummer Zwei!“ Wieder verzog er die Mundwinkel.
„Schlimm?“ fragte José.
„Ach was!“ McNally lächelte erneut und gab di Maria einen sanften Klaps auf die Schulter. „Im Gegenzug hat sie sich aus dem Henderson-Deal zurückgezogen und mir damit einen fetten Profit verschafft!“
„Eine Hand wäscht die andere!“ meinte José.
„Leben und leben lassen!“ McNally nickte. „Schön, dass dies auch weiterhin zwischen uns gilt!“
„Aber natürlich!“ José nickte ebenfalls.
McNally lächelte zufrieden. „Nimmst du mit mir noch einen Drink, bevor es losgeht?“
„Gern!“
Arthur führte di Maria daraufhin an die Bar und winkte einer jungen Frau. „Einen Scotch für meinen Freund und für mich noch einen Wodka!“ Sie warteten, bis die Getränke vor ihnen standen, dann prostete McNally José zu. „Auf ein spannendes Rennen!“ Die Gläser erklangen und beide tranken einen Schluck. Plötzlich stöhnte sein Gegenüber auf. „Du musst mich wieder entschuldigen!“ José sah ihn überrascht an und McNally deutete mit dem rechten Zeigefinger in Richtung Terrasse. „Da ist Gregory. Im Gegensatz zu Micaela hat er versucht, mich beim Henderson-Deal zu linken. Ich denke, ich muss ihm mal wieder klarmachen, dass seine russischen Rundumschläge Niemandem von Nutzen sind und nur das Klima vergiften. Der Kuchen hier ist schließlich immer noch groß genug für alle, wenn keiner zu gefräßig wird. Bei ihm bin ich mir da manchmal aber nicht mehr so sicher!“
José nickte. „Micaela hat mir so etwas angedeutet. Wir sollten nächste Woche mal zusammen zu Mittag essen!“
„Ja, macht mit Jason einen Termin aus. Dann bringe ich David mit. Ich glaube, die beiden mögen sich!“
Nein, tun sie nicht! dachte José. Mögen ja, aber nicht so, wie McNally sich das wohl erhoffte . Doch dass war auch nicht schlimm, solange sich seine Enkelin und McNallys Enkel, der sehr bald schon dessen Geschäfte übernehmen würde, als gleichrangige Konkurrenten respektierten.
„Also!“ Arthur klopfte José auf die Schulter. „Wir sehen uns!“
José nickte und ließ McNally ziehen.
Während José sich zurück zur Theke drehte, verzog auch er die Mundwinkel. Er kannte Gregory Polyschenko und wusste, dass Arthur Recht hatte. Diese Russen waren nicht unbedingt ein ständiger Unruheherd, leider aber stets unberechenbar. Ja, er würde ein Essen mit McNally, seinem Enkel und Micaela vereinbaren. Diese Sache sollte erst unter acht Augen besprochen werden, bevor man die beiden Nachfolger allein damit betraute.
„Ein Glas Champagner, bitte!“ hörte er plötzlich eine sanfte, weibliche Stimme sagen.
Als er sich umdrehte, sah er die Blondine neben sich stehen. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, der von einem Lächeln begleitet war, bevor sie wieder zum Ober blickte.
„Guten Abend!“ sagte José aus einer Eingebung heraus, da ihm plötzlich bewusst wurde, dass das Rennen nicht mehr lange auf sich warten lassen und die junge Frau im Anschluss daran womöglich nicht mehr anwesend sein würde.
Die Blondine schaute ihn wieder an und nickte mit einem weiteren Lächeln. Dabei strahlten ihre tiefblauen Augen.
„Mein Name ist José di Maria!“ fuhr er unbeirrt fort. „Ich bin ein Freund von Arthur! Darf ich fragen, wie sie heißen?“
Die funkelnden, blauen Augen blickten ihn für einen Moment durchdringend an, dann sagte sie. „Mein Name ist Sarah! Sarah Hudson!“
José spürte, wie sein Herz für einen Augenblick schneller schlug, weil ihn der tiefe, wenn auch kurze Blick dieser Frau, in seinem Innersten berührte. „In welcher Beziehung stehen sie zu Arthur?“
Jetzt lächelte Sarah fast schelmisch. „Ich arbeite bei Schuster, Lowry & Turnbull. Ich bin eine Assistentin von Mister Lowry, der Mister McNallys Sohn bei seiner Scheidung vertreten hat!“
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