„Wer ist denn der Vater?“
„Ein Enkel von Otto Kugler.“
„Der Sören?“
„Nein, so hieß der nicht.“
„Marvin?“
„Ja, genau. So wie Martin, nur mit v wie in Vase. Also pass' auf auf deine beiden. Das kann schneller gehen, als man denkt und eh du dich versiehst, biste Oma.“
Christiane lachte und scherzte: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was Bess'res findet.“
„Ja, das sag auch mal, Christiane. Guck mal, der Erich Mensendiek, was hat der mir Jahrelang den Hof gemacht, war ja auch ein schneidiger Kerl, eine Menge Mädchen waren scharf auf ihn, aber wenn ich mir den jetzt angucke, will ich den nicht tagein, tagaus bei mir in der Stube sitzen haben. Trautes Heim, Glück allein, sag ich immer.“
„Du bist nicht allein, Tante Luise.“, erwiderte Christiane schmunzelnd. „Übernächste Woche komme ich vorbei und bringe Kuchen mit. Magst du noch so gern Friesentorte?“
„Oh ja, und wie!“
„Dann backe ich eine. Tschüss.“
„Ja, Tschüss, Christiane.“
Langsam legte Luise den Hörer zurück auf die Gabel. Ein verschmitztes Schmunzeln umspielte ihre vom Alter noch schmaler gewordenen Lippen. Sie war alt und runzlig, aber wie sie da in ihrem feinen Kleid kerzengerade auf dem Sofa saß, sah sie aus wie die englische Königin.
Häger, Gasthof Bierhoff – Mittwoch, 14. September 2016
„Los, Akki, zapf schon mal vier Pils vor, die nächste Runde geht auf mich!“, lallte Frührentner Günther an den Wirt Axel Rademacher gewandt.
„Wieso vier, Günni?“, fragte Axel. „Ich sehe nur drei Gestalten vor der Theke oder erwartest du noch jemanden?“
„Nee, Akki, du solls' ein' mittrink'n. Is' schöner, als wennde bloß zugucks'.“
„Wenn ich jedes Mal einen mittrinke, wenn einer 'ne Runde schmeißt, tragen sie mich bald mit den Füßen zuerst raus. Schönen Dank, Günni, aber lass mal stecken. Schont auch dein schmales Konto.“
„Och, das reicht schon noch.“, bemerkte Günther.
„Aber wenn sie dir jetzt jeden Monat ein paar Euro abziehen, weil du für'n Studenten zu viel und für'n Besserverdienenden zu wenig hast, musste das Pilsken für Akki einsparen.“, entgegnete Horst, der Maurer gelernt hatte, bereits seit zwei Jahren arbeitslos war und nicht damit rechnete, vor dem Eintritt ins Rentenalter noch einmal ein seiner Qualifikation entsprechendes Beschäftigungsverhältnis einzugehen. „Die nehmen immer alles von den kleinen Leuten. Die Steuern, die Kontogebühren, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und hasse nich' gesehen, nur, um es am Ende den Asozialen in den Arsch zu schieben. Und was bleibt für uns? Nur noch Weib, Wein und Gesang.“
„Ja, ja.“, fiel Klaus ein, der zwar eindeutig alkoholkrank war, aber nach wie vor sein Arbeitsverhältnis als Elektriker in einem mittelständischen Unternehmen aufrechterhalten konnte. „Des kleinen Mannes Sonnenschein ist Bumsen und Besoffensein. Los Akki, mach mal drei Wacholder fertig!“
„Sicher?“
„So sicher wie das Amen inne Kirche.“
„Wennse inne Kirche nich' demnähx Alla-Akba schreien statt Amen.“, gab Günther zu bedenken.
„Das heißt Alla Allu Adebar.“, korrigierte ihn Horst, angestrengt um einen gebildeten, intelligenten Gesichtsausdruck ringend, der aber bestenfalls zur Karikatur geriet.
„Ja, so genau will ich das gar nich' wissen.“, lallte Günther. „Nur, wenn das mit diese Moslems so weitergeht, dann machen die aus unsere Kirche 'nen Islam-Tempel. Ist noch kein Jahr her, da haben sie den Schrei von diesem Islam ganz laut inne Kirche abgespielt.“
„Wann gehst du denn inne Kirche, Günni?“, fragte Klaus.
„Gar nicht mehr.“, gab Günther Auskunft. „Aber Röwekamps Gisela ist wohl da gewesen und hat den Pastören die Leviten gelesen. Hat sie unserer Edith erzählt.“
„Meinse, Günni“, fragte Klaus, „wenn die, die se da jetz' bei Brünings einquartiert haben, sich vermehren, dann machen die aus unserem Kirchturm 'n Barett?“
„Minarett heißt das.“, verbesserte Axel Rademacher seinen schwer betrunkenen Gast. „Außerdem wohnen da nur ein paar Moslems bei Brünings. Die meisten sind Yeziden.“
„Watt is' datt denn?“, fragte Günther verblüfft.
„So was Ähnliches wie Christen“, gab Axel Auskunft. „nur anders.“
Es herrschte kurz betretenes Schweigen, dann wagte Horst einen neuen Anlauf: „Aber guck dir das Volk doch mal an. Hängen den ganz Tach zu Hause rum oder spalkern mipm Fahrrad durche Gegend. Und diese Gutmenschen vonne Fluchthelfer kochen denen Kaffe, kutschier'n die durche Gegend und schieben denen alles in'n Arsch.“
„Das ist doch Blödsinn, was du da erzählst.“, erwiderte Axel ärgerlich. „Die sind gerade mal mit dem Leben davon gekommen und kriegen hier die Unterstützung, die sie brauchen, um wieder auf eigenen Füßen stehen zu können.“
„Doch, das stimmt.“, krähte Horst empört. „Frag Erich Mensendiek, wenn du mir nicht glaubst. Der wohnt da fast nebenan und kriegt das alles direkt mit.“
„Auf das, was der alte Nazi erzählt, musst du nichts geben.“, entgegnete Axel.
„Wieso alter Nazi?“, fragte Günther.
„Dass die den nicht direkt eingesperrt haben, als der in den Achtzigern die Wiking-Jugend auf dem Gelände mit den alten Kotten kampieren lassen hat.“
„Inne Achtziger wars' du doch noch gar nich' in Häger, Akki.“, wies Horst ihn zurecht. „Du bist doch auch bloß so'n Zugezogener und plappers' nach, was andere dir erzähl'n.“
„An diesen Nazi-Zeltlagern gibt es ja wohl nicht viel zu deuteln.“
„Meins'e denn, Akki, dass diese fusseligen Kiffer, die da inne Kommune wohnen, besser sind? Wenn Erich geahnt hätte, an wen er da sein Erbe verschleudert, dann hätte er lieber alles abgebrannt und die Versicherung kassiert. Solche nichtsnutzigen Hungerleider will doch keiner in seinem Kotten wohnen haben.“
„Klar, Horst, und weil das solche Hungerleider sind, konnten die Erich auch beide Kotten abkaufen. Das sind nämlich gar nicht mehr Mensendieks Kotten, falls du dich erinnerst.“
„Ja, ja“, mischte Klaus sich wieder ein. „Demnächst kriegen die noch'n Denkmal in Häger oder 'n eigenes Museum, so wie der Böckstiegel und dann müssen wir noch stolz sein, dass die sich hier niedergelassen haben. So wie die von diese Zukunfts-Initiative die immer überall dabei haben wollen.“
„Welche Zukunfts-Initiative?“, fragte Günther.
„Na, wo diese Zugezogenen alle rumölen, aber auch Grankemeiers. Irgendwas mit Zukunft und unser Dorf.“
„Unser Dorf hat Zukunft.“, erklärte Axel.
„Ja, genau.“, lallte Klaus. „Diese Spinner eben. Dauernd sollen alle was malen oder töpfern. Das will doch keiner. Wenn'n Fest im Dorf is', dann brauchse'n Bierwagen und 'ne Bratwurstbude. Rest is' egal.“
„Zelt is' auch gut.“, meinte Günther.
Die Tür der Gaststube öffnete sich und Malermeister Volker Bracksiek trat ein. Axels Gesicht erhellte sich deutlich.
„Na, Herr Anstreicher“, begrüßte Horst ihn, „auch'n Herrengedeck?“
„Nee, lieber 'n Weizen.“, antwortete Volker.
Wir sind doch hier nich' in Bayern!“, fuhr Horst ihn an.
„Jeder kann hier trinken, was er will.“, wies Axel den arbeitslosen Maurer zurecht Dann wandte er sich an Volker: „Hast du Feierabend?“
„Ja.“, antwortete Volker. „Und Schwiegermutterbesuch. Da muss ich ich nach der Arbeit außerhäusig entspannen.“
Axel grinste, goss ein Hefe-Weizenbier ein und stellte es auf die Theke. Volker nahm einen kräftigen Zug, da öffnete die Tür sich erneut. Diesmal war es der Landwirt Hans-Werner Lohoff. „Oh.“, sagte er. „Volle Hütte. Ich wollte nur eben ein Feierabendpils trinken, bevor ich nach Hause gehe.“
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