Wir bemerken das Schöne erst dann, wenn es abwesend ist, nicht immer, jedoch sehr, sehr oft. Wenn am Schild des Lebens closed steht, dann nehmen wir das Leben wahr. Bislang war es ja selbstverständlich für uns da, wie Eltern für ihre Kinder da sind, wenn sie sie brauchen.
Was will ich schreiben: unser Leben besteht zu 99 Prozent aus Selbstverständlichkeiten. Gerade sie verdienen Beachtung. Die geneigten Leser mögen sich die Abwesenheit von 99 Prozent dessen, was sie im Regelfall nicht beachten, nur einmal vorstellen. Was wäre dann ... ?
Gerade die unzähligen Kleinigkeiten machen das Leben zum Himmel oder zur Hölle. Die beiden finden nicht irgendwo statt, sondern hier und jetzt. Es ist immer eine Frage von Bewusstheit.
Letztens habe ich nach vielen Jahren wieder einmal mit größtem Vergnügen einen Flipper malträtiert und dabei ein Freispiel nach dem anderen geschenkt bekommen. Es war unterhaltsam, erforderte Geschicklichkeit, rasche Reaktionsgabe und – ich habe selten so viel gelacht und den kleinen Muskelkater davon, den habe ich gerne in Kauf genommen.
Spielen ist vielen verloren gegangen. Je größer die scheinbare Unsicherheit, umso mehr wird der ‚Ernst des Lebens‘ gefordert. Nix da mit Freude und mit Lachen. Gerne bezeichnet man den anderen als kindisch, fordert, sich zusammenzureißen und der Norm zu entsprechen und endlich erwachsen zu sein, in diesen so unsicheren, bewegten Zeiten. Da können einem das Lachen und die Freude schon mal vergehen. …
Mich haben meine Freispiele am Flipper inspiriert, nochmals meine Masken gründlich anzusehen, das Scheinen Wollen und das Entsprechen Wollen mit aller Anpassung – an was und an wen? Und ich habe mir meine Spiegel im Außen ebenso gründlich angesehen. Die sind immer besonders interessant, weil sie meistens die eigenen Projektionen sind.
Warum erwähne ich das alles? Ich erwähne es als aufmerksame Beobachterin meiner selbst und meiner Umgebung. Und ich habe in den letzten Monaten meinen verschütteten Spieltrieb wiederentdeckt und lasse ihn täglich aufleben. Es bereitet mir großes Vergnügen und ist deutlich einfacher, als der vielzitierten Norm zu entsprechen … viele Jahre geübt, seit einiger Zeit übe ich das Spielen und den leichten Sinn. Ich bin seither näher bei mir, voll Freude und meine Perspektiven haben sich ebenso markant verändert. Es war ein mich Freispielen, jedoch kein Freispiel im Sinne eines Umsonst und ohne Anstrengung.
Das Leben ist kein Freispiel, das einfach so daherkommt. Nein, das Leben ist gelegentlich durchwachsen, voll Wolken, mit Gewittern, Stürmen und sonstigem, was uns nicht unbedingt schmeckt.
Umso wichtiger ist es für mich, die Phasen des schönen Wetters, der angenehmen Temperaturen und der lauen Prise zu nutzen, sie innerlich mehr auszudehnen und so mir meine eigenen Freispiele zu erschaffen, indem ich mich frei spiele. Zur geschätzten Nachahmung in der jeweils eigenen Art empfohlen …
Schokolade zum Frühstück, nur einmal bitte
Einmal länger liegen bleiben in der Früh. Nicht immer das supergesunde Frühstück essen. Einmal nicht brav ab neun Uhr am Schreibtisch sitzen und mit der Arbeit beginnen. Einmal sich ausgeflippte Fetzen kaufen, die man nicht braucht und das Stand Up Paddle will ich auch endlich mal probieren ... Ich könnte die Liste fortsetzen, nein, nicht bei mir. Nein. Seit Jahren mache ich, was mir in den Sinn kommt, was mir gut tut und Freude bereitet.
Die obige ‚Einmal-Liste‘ ist ein kleiner Ausschnitt dessen und ähnlichem, das ich immer wieder in meiner Umgebung wahrnehme. Was wäre wenn und einmal ... alles bleibt eine Allee von unerfüllten und gleichzeitig leicht erfüllbaren Wünschen. Das Leben ist kein Wunschkonzert ... also - meines ist sehr wohl ein Wunschkonzert, seit ich es dazu gemacht habe.
Und dann, dann geschieht etwas Unvorgesehenes und die ‚Einmal-Liste‘ wird zur ‚Kein-Mal-Liste‘, weil es nicht mehr möglich ist.
Wir sind Weltmeister im Verschließen der inneren Türen, im uns selbst Verweigern. Oder wir gehen ins Extrem und machen alles, was wir immer schon wollten, auf einmal. Und leben den Superhype und erschlagen uns innerlich, manche auch äußerlich, mit dem Zwang, etwas erleben zu müssen, koste es, was es wolle.
Ich bin seit Jahren eine große Anhängerin der Proportionalität, des Goldenen Schnitts. Nicht dass Schokolade zum Frühstück im Goldenen Schnitt liegt, nein. Was ich meine, ist, immer wieder die sogenannten größeren und kleineren Verrücktheiten zu leben. Was ich meine, ist, aufs Herz zu hören und nicht laufend der Norm, die wir nicht geschaffen haben, sondern die uns anerzogen wurde, also nicht laufend der Norm zu genügen.
Ver-Rückheit bedeutet für mich, weggerückt vom kollektiven Hypnosezustand zu leben. Es bedeutet Lebendigkeit, Frische, Lachen, Freude, Dynamik, Inspiration. Es bedeutet für mich innere offene Türen, ausprobieren, reinschnuppern, neugierig sein, aufnehmen, verwerfen, und wieder aufnehmen.
Und für jene, die es genau wissen wollen - ja, die Schokolade zum Frühstück heute Morgen war herrlich und ich habe sie genossen. Bevor die Gesundheitsapostel aufjaulen - nein, das mache ich nicht täglich, denn dann wäre der Reiz, wäre das Besondere ja nicht mehr vorhanden.
Also - auf dazu, was Sie immer schon machen wollten und sich nie getraut haben. Jetzt, und nur JETZT, ist der Moment dafür. Auf mit den inneren Türen - und vor allem - viel Freude damit. Denn das Leben findet JETZT statt.
Allem Anfang wohnt ein Zauber inne …
Kaum jemand kann die weiteren Zeilen dieses Gedichtes von Hermann Hesse, das Stufen heißt, weiterzitieren. Auch ich muss immer wieder nachsehen. Im Übrigen stammt dieser bekannte Satz aus einer Dichtung von Meister Eckhart … Hesse hat für seinen Neuanfang nach einer längeren Krankheit meisterliche Anleihen genommen.
Was ich jedoch immer mitnehme, ist diese Anfangsenergie, diese besondere Energie, das etwas entsteht. Sei es beim Schreiben oder auch beim Proben. Die Aufführungen sind oft gar nicht so spannend, wie der Entstehungsprozess.
Ich halte es für ganz wesentlich, diese Anfangsenergie zu erkennen, sie sich bewusst zu machen, sie wahrzunehmen, zu fühlen, ganz tief in einem drinnen, sie zu riechen und zu schmecken. Diese Anfangsenergie trägt uns durch Licht und Schatten, über Berge und durch manche Täler, die es auch immer wieder gibt. Sie ist die Grundidee, die alles durchzieht.
Kürzlich habe ich mit den Proben für ein neues großes Projekt begonnen. Diese Energie, die nehme ich gerne mit. Die Anfangsenergie beim Schreiben der Texte ist auch immer besonders. Beim Schreiben bin ich viel alleine und auf mich selbst gestellt. Wenn die Musik dazukommt, dann wird es richtig spannend und interessant. Dann ist dieser Anfangszauber ganz besonders wichtig. Letztens trug er uns, in neue Richtungen, in viele Möglichkeiten, in manches Nachjustieren, in Verfeinerungen – und in die große Freude dieses besonderen Anfangs.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben ...
Ich lese seit Monaten, ja seit Jahren, dass ‚wir‘ in einem ganz großen Umbruch leben. Manche haben das früher erkannt, andere später. Das ist nicht wichtig. Ich fragte mich vor einigen Jahren, was tun mit diesem Umbruch? Dabei ergab es sich, dass mehrere Faktoren zusammenspielten – im besten Sinn des Wortes – und mich zum Aufbruch veranlassten.
Es war ein freiwilliger Aufbruch ins Unbekannte, ins Unvollendete, ins Abenteuer, auf zur weißen Leinwand – wo sind die Farben?
Es war ein Aufbruch, der keineswegs friktionsfrei vor sich ging. Es gab zahlreiche Aufs und Abs, schlaflose Nächte, sorgenvollen Tage. Solange, bis ich erkannte, was hinter all dem steckt.
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