Annette Riemer
Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert
Reisen zwischen Harz und Heide
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Titel Annette Riemer Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert Reisen zwischen Harz und Heide Dieses ebook wurde erstellt bei
Altjeßnitz Altjeßnitz Altjeßnitz ist das, was man in Sachsen-Anhalt mit viel Nachsicht als „Mokchen“ bezeichnet: ein kleines, aber recht feines Dorf, in dem rein gar nichts passiert. Dementsprechend hat Altjeßnitz auf den ersten Blick auch kaum mehr zu bieten als ein paar hutzelige Häuser, die entlang der gewundenen Hauptstraße aus der Auenlandschaft herausragen: Hier, entlang der Mulde zwischen Dessau und Bitterfeld, gibt es keine Tankstellen, keine Pensionen, keine Restaurants und nur sehr wenige Einwohner. In wenigen Minuten ist der gesamte Ort zwischen Mühlholzgraben und Seewiesengraben durchschlendert. Was der Ort touristisch zu bieten hat, scheint ebenfalls auf den ersten Blick sehr überschaubar zu sein: Dass die Dorfkirche unlängst zur Station der Straße der Romanik aufgewertet worden ist, hat nicht gerade für die größten Schlagzeilen gesorgt. Und das Schloss im Ort wurde zwar nach einem Brand einigermaßen originalgetreu restauriert. Es ist aber eben keins dieser opulenten oder wenigstens neckischen Prunkbauten der Anhaltiner: In Altjeßnitz hausten die Ritter von Ende, was sehr viel über die Randlage dieses sächsischen Dorfes besagt. Mit dem Irrgarten von Altjeßnitz haben es die von Ende jedoch geschafft, den Ort überregional bekannt zu machen. Während die Fürsten von Anhalt im nahen Wörlitz und Oranienbaum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgedehnte Gartenreiche nach englischem Vorbild schufen – gemeinsam sind sie UNESCO-Welterbe – pflanzten die Ritter von Ende in Altjeßnitz zur gleichen Zeit einen Irrgarten aus Hainbuchen. Heute gilt er als größter Heckengarten der Welt. Zu seiner Entstehungszeit sollte er – typisch Aufklärung – die Menschen zum Nachdenken über den eigenen (Lebens)Weg anregen. Interessant ist dabei, dass der Irrgarten keine Sackgassen aufweist. Die immer noch sehr moderne Botschaft: Es gibt keine Fehltritte im Leben, nur unterschiedliche Wege zum Ziel. In Altjeßnitz ergeben sich mehrere hundert Optionen, den Aussichtsturm im Zentrum des Irrgartens zu erreichen. Auch das wiederum ist symbolisch: Zuletzt wird aus einer etwas erhobenen, entrückten Position der Blick zurück auf das große Ganze geworfen. Das herüber wehende Blöken der Ziegen von den umliegenden Weiden relativiert dann allerdings glücklicherweise schnell wieder jede Bedeutungsschwere, bevor sie zu bedrückend wirken könnte. Am Ende ist Altjeßnitz eben doch nur ein herrlich verträumtes Mokchen.
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Altjeßnitz ist das, was man in Sachsen-Anhalt mit viel Nachsicht als „Mokchen“ bezeichnet: ein kleines, aber recht feines Dorf, in dem rein gar nichts passiert. Dementsprechend hat Altjeßnitz auf den ersten Blick auch kaum mehr zu bieten als ein paar hutzelige Häuser, die entlang der gewundenen Hauptstraße aus der Auenlandschaft herausragen: Hier, entlang der Mulde zwischen Dessau und Bitterfeld, gibt es keine Tankstellen, keine Pensionen, keine Restaurants und nur sehr wenige Einwohner. In wenigen Minuten ist der gesamte Ort zwischen Mühlholzgraben und Seewiesengraben durchschlendert.
Was der Ort touristisch zu bieten hat, scheint ebenfalls auf den ersten Blick sehr überschaubar zu sein: Dass die Dorfkirche unlängst zur Station der Straße der Romanik aufgewertet worden ist, hat nicht gerade für die größten Schlagzeilen gesorgt. Und das Schloss im Ort wurde zwar nach einem Brand einigermaßen originalgetreu restauriert. Es ist aber eben keins dieser opulenten oder wenigstens neckischen Prunkbauten der Anhaltiner: In Altjeßnitz hausten die Ritter von Ende, was sehr viel über die Randlage dieses sächsischen Dorfes besagt.
Mit dem Irrgarten von Altjeßnitz haben es die von Ende jedoch geschafft, den Ort überregional bekannt zu machen. Während die Fürsten von Anhalt im nahen Wörlitz und Oranienbaum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgedehnte Gartenreiche nach englischem Vorbild schufen – gemeinsam sind sie UNESCO-Welterbe – pflanzten die Ritter von Ende in Altjeßnitz zur gleichen Zeit einen Irrgarten aus Hainbuchen. Heute gilt er als größter Heckengarten der Welt. Zu seiner Entstehungszeit sollte er – typisch Aufklärung – die Menschen zum Nachdenken über den eigenen (Lebens)Weg anregen.
Interessant ist dabei, dass der Irrgarten keine Sackgassen aufweist. Die immer noch sehr moderne Botschaft: Es gibt keine Fehltritte im Leben, nur unterschiedliche Wege zum Ziel. In Altjeßnitz ergeben sich mehrere hundert Optionen, den Aussichtsturm im Zentrum des Irrgartens zu erreichen. Auch das wiederum ist symbolisch: Zuletzt wird aus einer etwas erhobenen, entrückten Position der Blick zurück auf das große Ganze geworfen.
Das herüber wehende Blöken der Ziegen von den umliegenden Weiden relativiert dann allerdings glücklicherweise schnell wieder jede Bedeutungsschwere, bevor sie zu bedrückend wirken könnte. Am Ende ist Altjeßnitz eben doch nur ein herrlich verträumtes Mokchen.
Eine rundum schöne Stadt, die da irgendwo in der Mitte des Landes und mehr noch tief im allgemeinen Vergessen liegt. Aschersleben zeigt sich von außen her zunächst als grüne Oase mit hundefreien Parks, in denen sich allerhand Bierzelte, Spielplätze und Wasserkunstwerke befinden. Schon wird der Schritt langsamer und der Blick auf die Uhr nachsichtiger – Aschersleben lädt mit sanftem Druck zur Entschleunigung ein: Moderner Zeitgeist trifft auf gepflegte Grünfläche (und trotzdem kann es so anstrengend sein, termingerecht und intensiv zu pausieren!).
Die Namen der ausgedehnten Parks – Herrenbreite, Bestehornpark – deuten schon auf Ascherslebens zweiten großen Schatz hin: Weil die Stadt nie großartiges Industriezentrum und schon immer politisch unbedeutend war, gab es für die Alliierten im Zweiten Weltkrieg keinen Grund, hier ein Flächenbombardement zu veranstalten. Und für die Sozialisten keinen, mit Plattenbauten ganze Arbeiterviertel aus dem Boden und in den Stadtkern zu stampfen. Kurz: Ascherslebens Straßen haben noch immer mittelalterlich anmutende Namen wie Badstuben, Düsteres Tor und Über den Steinen und sind umgeben von dicken Wehrtürmen und Mauerresten, hinter denen hübsch erhaltene Mehrfamilienhäuser aus der Lutherzeit unter Denkmalschutz stehen. Erst außerhalb dieser famosen Altstadt erinnern Carl von Ossietzky, die Geschwister Scholl und Valentina Tereschkowa daran, dass Aschersleben nicht völlig aus der Zeit gefallen ist.
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