Annette Riemer
Kinderwunschkind
Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel Annette Riemer Kinderwunschkind Roman Dieses ebook wurde erstellt bei
I. Hannes und Moni wollen ein Kind
II. Karin und Stefan wollen ein Kind
III. Sandy und Micha wollen kein Kind
IV. Keiner weiß es, aber Karin
V. Moni weint
VI. Moni tröstet sich
VII. Stefan schweigt
VIII. Hannes schweigt
IX. Micha schweigt
X. Alles wird wieder gut
XI. Alles wird wieder gut (oder?)
XII. Moni packt also aus
XIII. Jetzt schon
XIV. So hat sich Karin das nicht vorgestellt
XV. Moni fragt sich schon lange nicht mehr
XVI. Wer hätte gedacht
XVII. Die Lösung heißt Henry
XVIII. „Eins, zwei, drei!“
XIX. Am nächsten Morgen
XX. Sandy lacht nervös
Impressum neobooks
I. Hannes und Moni wollen ein Kind
Hannes und Moni wollen ein Kind. Bislang waren sie sich nicht so sicher, aber jetzt sind sie Ende dreißig und schon seit einem Jahr zusammen und hören Uhren ticken und brauchen eh eine größere Wohnung wegen Monis Bastelzimmer. Also wollen sie jetzt ein Kind. Auch, weil sie sich lieben und das irgendwie dazugehört.
Jedes Wochenende versuchen sie es. Hannes arbeitet außerhalb, deswegen geht es nur ab Donnerstag. Und eigentlich so richtig auch erst ab Freitag, weil Hannes am Donnerstag meistens ganz spät ankommt, wenn Moni schon schläft. Moni arbeitet in Schichten und deshalb bleibt bis Sonntag nicht gerade viel Zeit fürs Kindermachen. Mal kommt ihr eine Frühschicht dazwischen, mal eine Spätschicht. Und die Nachtschichten versauen ihr auch schon mal das ganze Wochenende, weil sie dann zuerst ab neun abends weg ist und nachher, am nächsten Vormittag, auch nicht mehr viel vom Tag hat. Und von Hannes.
Also muss sich Hannes ranhalten und Moni muss sich zwingen, zu vergessen, dass sie hinterher noch schnell Schnitten für die Arbeit schmieren muss. Und dass der Knopf vom harten Sofakissen drückt. Und dass sie eigentlich viel zu müde ist.
Moni hat nicht nur ein Zeitproblem, sondern zu allem Überfluss auch noch ein kleines Hormonproblem, was es ihr auch nicht gerade einfach macht, das mit dem Kinderkriegen. Gegen ihre Hormone nimmt sie andere Hormone, Kunsthormone, um doch irgendwie schwanger werden zu können. Aber das geht nur eine ganz kurze Weile gut, sagt der Arzt, dann ist der Ofen aus, weshalb Hannes noch weniger Wochenenden Zeit hat, um Moni zu schwängern. Dabei wollen Hannes und Moni so dringend und inzwischen auch unbedingt ein Kind! Lange reden sie nicht darüber, dass es nicht auf Anhieb klappt. Und auch später nicht. Sie streiten öfter und versuchen es trotzdem. Weil die Zeit so kostbar ist, zu kostbar auf jeden Fall, um sie zu zerstreiten. Und weil Moni gerade wieder mal Frühschicht hat und Hannes Sonntag wieder weg muss.
Unter der Woche lässt sich Moni heimlich untersuchen. Seitdem weiß sie, dass es an Hannes liegen muss. Irgendwann rutscht ihr das im Streit wie nebenbei raus und Hannes schließt sich daraufhin im Badezimmer ein. Neulich sagten seine Eltern, dass es doch eigentlich schön wäre, jetzt Großeltern zu werden. Sie fühlten sich gerade so schön im richtigen Alter. Die Mutter jammerte auch etwas: „Später kann ich mein Enkelkind nicht mehr auf den Arm nehmen, was hab ich dann davon?“ Hannes will ja seiner Mutter einen Enkel für den Arm schenken. Seinem Vater auch. Er will ja! Und ausgerechnet da soll es bei ihm nicht klappen?
Zuerst denkt er so darüber: Jahrelang verhütest du und hoffst, dass nichts passiert – und dann war das vielleicht am Ende alles umsonst, weil es ja eh nicht geht! Weil du mit Platzpatronen schießt! Bald aber denkt er ganz anders, nämlich so: Wenn ich einen hochkriege, aber dann doch kein Kind machen kann – bin ich dann überhaupt ein richtiger Mann? Ein Erzeuger, der seine Gene weitergibt und damit den Bestand der Familie sichert – also den Familiennamen weiterreicht?
Und bei diesem Gedanken fängt Hannes an, sich vor Moni zu schämen. Er kommt sich irgendwie defekt vor und deshalb läuft er jetzt morgens nicht mehr nackt vom Bett durch den Flur, zum Pinkelns ins Bad. Das kriegt er jetzt nicht mehr hin, seit er an sich zweifelt.
Am nächsten Wochenende versucht Hannes es gar nicht erst. Und auch an dem Wochenende darauf nicht. Stattdessen rennt er mit einem Becher zum Facharzt und denkt auf dem Weg dorthin die ganze Zeit über, dass ihn gleich jemand auf der Straße erkennt und überhaupt alle wissen, was er da unter der Jacke mit sich trägt und wohin er damit will. Und sie alle grinsen sich einen ab, wie sie Hannes so geduckt durch die Straße rennen sehen.
Der Arzt wiegt den Kopf so komisch. Nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut, soll das heißen. Und sagt das dann auch genau so gar nicht durch die Blumen zu Hannes. „Könnte besser sein, aber was heißt das schon?“ Ein Schulterzucken. „Irgendwie klappt das ja immer irgendwann.“
Hannes ist platt. So viel Zeit bis irgendwann haben Moni und er doch gar nicht. Wegen Monis Hormonproblem. Und wegen der Wochenenden. Und der Schichten – Und das, wo Moni und er doch so ganz gerne ein Kind wollen!
Dann, eines schönen Tages und ehe sich Moni und Hannes versehen, ist die Zeit um: Jetzt weiß Hannes, dass es nicht so gut um ihn bestellt ist, wie er immer gedacht hatte. Und Moni hat wieder ihr Hormonproblem und kann die anderen Hormone aus den Kapseln nicht mehr nehmen. Und damit wissen sie nun endgültig und definitiv, dass sie wohl nie ein Kind haben werden. Hannes geht jetzt länger arbeiten, auch freitags, und Moni wieder in die Kirche. Wie damals, als ihr Bruder den Unfall hatte und so ewig im Wachkoma lag. Dann war der Bruder gestorben und die Kirche für Moni irgendwie auch. Jetzt aber geht sie wieder hin und erinnert sie sich wieder an die alten Lieder aus ihrer Kindheit und stellt beruhigt fest, dass sie das Ave-Maria beim Rosenkrankdrehen noch auswendig kann.
Sie reden nicht über Kinder und auch nicht über Hormone, die Moni, und flotte Spermien, die Hannes fehlen. Und ihnen beiden. Und wenn sie jetzt miteinander schlafen, denkt Moni ganz ungezwungen an die Schnitten und schmiert sie schon mal in Gedanken. Wurst oder Käse, fragt sie ihren Bauch, während Hannes sich weiter unten an ihr zu schaffen macht. Und wenn ihr der Knopf vom harten Sofakissen drückt, rutscht sie nun einfach ein Stück weg und denkt: Sieh selber zu, Hannes, wie du jetzt mit mir klarkommst. Und manchmal sagt sie auch: „Warte mal eben“ und schüttelt kurzerhand das Kissen ein bisschen auf, bis es wieder weich ist. Dann probiert sie es mit dem Hinterkopf aus – ja, es ist tatsächlich nicht mehr so hart, viel besser jetzt – und dann schaut sie Hannes an, der endlich weitermachen will, und sagt ganz kalt: „Du, jetzt bin ich raus.“
Wenn Hannes dann komisch guckt, schaut sie weg. Und geht ihre Schnitten schmieren.
Vor dem Urlaub, der ihnen bevorsteht, hatten Hannes und Moni beide etwas Angst, auch wenn sie es nie zugeben würden. Das war ein sehr schweres Jahr für sie, weil auch die künstliche Befruchtung nicht geklappt hat. Und die Kasse hat nicht gezahlt und nach zwei Versuchen hatten sie den Glauben daran und das Geld dafür verloren. Dank der modernen Medizin zweifelten sie nun nicht nur an den Hoden von Hannes, sondern auch noch an der Gebärmutter von Moni. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen, dachten sie beide, nur noch im Urlaub. Zwei Wochen sie ganz allein, immer nur Hannes und Moni und das große Nichts in Monis Bauch, wo sie doch schon längst das Kind wachsen wissen wollten.
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