Kapitel 1 – Kruso lebte auf … 1 Kruso lebte auf seiner Insel. In den sozialen Netzwerken existierte er nicht. Einem digitalen Shitstorm hielt er mit eiserner Ignoranz stand, wenn er überhaupt davon erfuhr. Er hatte nicht mal ein Smartphone. Und wenn man ihn direkt ansprach, zuckte er zusammen, als wäre er gerade aus einem Tagtraum hochgeschreckt. Erst als wir TIERRA gründeten, wurde mir klar, dass seine Welt sich nicht mit der unseren deckte. Als lebte er in einer anderen Dimension, die zeitgleich existierte und zu der wir keinen Zugang hatten. TIERRA wurde zur Schleuse zwischen diesen Welten, bis ich begriff, dass beide untrennbar zusammengehörten wie Yin und Yang und wir es waren, die auf einer Insel lebten. Der Insel der Privilegierten. Das war ein heilsamer Schock und der Anfang von etwas Wunderbarem.
Kapitel 2 – Wenn jemand böse …
Kapitel 3 – »Wir gehen unter.« …
Kapitel 4 – Hurra, die Welt …
Kapitel 5 – Als ich den …
Kapitel 6 – Schultage waren Avocadotage …
Kapitel 7 – Das Planungstreffen der …
Kapitel 8 – »Dad ist mal …
Kapitel 9 – Poppy kotzte. Genau …
Kapitel 10 – Das ganze Wochenende …
Kapitel 11 – »Wenn ein Fisch …
Kapitel 12 – Kruso füllte Kartoffeln …
Kapitel 13 – Kruso kam also …
Kapitel 14 – »Heißt du wirklich …
Kapitel 15 – Zwei Probleme auf …
Kapitel 16 – Poppy freute sich …
Kapitel 17 – Wir saßen am …
Kapitel 18 – Im Nullkommanix hatten …
Kapitel 19 – Bis zum Abend …
Kapitel 20 – Für die Markierung …
Kapitel 21 – Kruso zeigte uns …
Kapitel 22 – Die Streikankündigung ging …
Kapitel 23 – Wir standen auf …
Kapitel 24 – Als ich am …
Kapitel 25 – Alice trommelte unsere …
Kapitel 26 – »People of Change! …
Kapitel 27 – Plötzlich waren sie …
Kapitel 28 – Alice und Kenyal …
Kapitel 29 – Das Camp war …
Kapitel 30 – »Scheiß Zecken.« Hatte …
Kapitel 31 – Erstaunlicherweise gelang es …
Kapitel 32 – »Hallo Ava.« Ein …
Kapitel 33 – So ritten wir …
Kapitel 34 – Der Abend war …
Kapitel 35 – Bis zum Abend …
Kapitel 36 – Noch am selben …
Nachwort
Bisher von Annette Mierswa im Loewe Verlag erschienen
Über die Autorin
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Impressum
Für Pädagoginnen und Pädagogen haben wir eine kostenlose Lehrerhandreichung unter www.loewe-schule.debereitgestellt.
Für meine beiden tollen Jungs,
die meine größten Lehrer sind.
»Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist die Überzeugung, dass ihn schon jemand anders retten wird.«
Robert Swan, Polarforscher
Kruso lebte auf seiner Insel. In den sozialen Netzwerken existierte er nicht. Einem digitalen Shitstorm hielt er mit eiserner Ignoranz stand, wenn er überhaupt davon erfuhr. Er hatte nicht mal ein Smartphone. Und wenn man ihn direkt ansprach, zuckte er zusammen, als wäre er gerade aus einem Tagtraum hochgeschreckt. Erst als wir TIERRA gründeten, wurde mir klar, dass seine Welt sich nicht mit der unseren deckte. Als lebte er in einer anderen Dimension, die zeitgleich existierte und zu der wir keinen Zugang hatten. TIERRA wurde zur Schleuse zwischen diesen Welten, bis ich begriff, dass beide untrennbar zusammengehörten wie Yin und Yang und wir es waren, die auf einer Insel lebten. Der Insel der Privilegierten. Das war ein heilsamer Schock und der Anfang von etwas Wunderbarem.
Wenn jemand böse wird, hatte das ziemlich sicher mit seiner Kindheit zu tun. Meinte Herr Schlegel in Soziologie. Ob man zum Beispiel geliebt wurde oder geschlagen oder vernachlässigt. Natürlich dachte ich gleich über meine Kindheit nach – und Anjuscha. Das war damals meine Tagesmutter, bei der ich einziehen wollte, weil meine Eltern keine Zeit für mich gehabt hatten. Aber meine Mutter hatte noch mal die Kurve gekriegt und sofort Stunden reduziert, damit sie mich früher bei ihr abholen konnte. Und dann war eigentlich alles ganz in Ordnung gewesen.
Was allerdings andauerte und ich einfach nicht verstand: Warum hatte ich so eine Wut im Bauch? Das war mir in dieser Schulstunde klar geworden. Da kochte etwas in mir, zwar auf kleiner Flamme, aber stetig. Ich erzählte es niemandem, nicht einmal Leon. Es war mir unheimlich. Würde man in mir sonst eine potenzielle Attentäterin sehen? Das Wutfeuer loderte immer besonders heftig, wenn ich irgendetwas nicht hinbekam, wie zum Beispiel einen neuen Tanzschritt oder eine Tonplastik im Kunstunterricht oder meine Eltern davon zu überzeugen, den SUV abzuschaffen und kein Fleisch mehr zu essen. Ich rastete nicht aus oder so. Ich hatte meine Gefühle gut im Griff, atmete dann einfach ein wenig langsamer und tiefer. Das hatte ich auf einem der Yoga-Retreats gelernt, zu denen mich Mama manchmal mitnahm. Sie machte das nämlich genauso. Und es funktionierte gut, zumindest äußerlich. Auf mein inneres Feuer wirkte das ganze Geatme eher wie ein Blasebalg und ich bekam immer mehr Angst, dass jemand mal die Stichflammen abbekommen könnte. Gab es da also etwas Böses in mir?
Dabei war mein größter Wunsch, die Welt zu retten. Nachdem ich das Video von Rezo gesehen hatte, war ich so deprimiert gewesen und alles war so sinnlos erschienen, dass ich ein ganzes Wochenende lang nicht aus dem Bett gekommen war. Wählen durfte ich ja auch noch nicht. Meine Mutter hatte dann eine Meditations-CD laufen lassen, auf der jemand sagte, man solle die Veränderung sein, die man in der Welt sehen wolle. Das leuchtete mir ein. Ich war sofort aufgestanden und hatte ein Demoschild gebastelt und genau diesen Satz daraufgeschrieben: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. Mahatma Gandhi. Drum herum hatte ich Fleischlappen, Flugzeuge und Autos gezeichnet und durchgestrichen.
Und mit diesem Schild ging ich nun seit ein paar Wochen jeden Freitagmittag auf Demos. Papa warf Mama vor, mich mit ihrem Esokram infiziert zu haben. Und Mama knallte die Tür zu ihrem Yogazimmer zu und atmete. Aber da ich am Wochenende immer den Schulstoff nachholte, hatte sich die Lage schnell wieder entspannt. Und sie waren sogar ein wenig stolz, weil ich mich für das einsetzte, was mir wichtig war, und trotzdem noch die Schule schaffte … und natürlich weil andere Eltern ihnen sagten, sie könnten stolz auf mich sein.
Aber dann kam die schockierendste Nachricht seit der vom Tod meiner Omi. Da meine juristisch verordnete Onlinezeit für diese Woche aufgebraucht war, saß ich vor dem Fernseher im Wohnzimmer und guckte die Nachrichten. Eine Karte von Hamburg wurde eingeblendet, auf der ein Drittel der Stadt unter Wasser stand, auch die Vier- und Marschlande. Ich blickte gebannt auf die gigantische blaue Fläche, während es mir den Boden unter den Füßen wegzog. Das riesige dunkle Loch, das mich schon seit einiger Zeit ansaugte, schien mich verschlingen zu wollen, ausweglos und unerbittlich. Meine Hände zitterten, als ich auf die Fernbedienung drückte. Meine ganze Welt zitterte.
Wir würden untergehen!
»Wir gehen unter.« Die Worte waren wohl sehr laut aus mir herausgepoltert, denn Papa ließ sein Buch fallen und fuhr herum.
»Was?« Er sah die Fernbedienung in meiner Hand. Der Schreck in seinem Blick löste sich auf und die Schutzschilde wurden hochgefahren. »Also Ava, das ist doch Blödsinn.« Er hob das Buch auf und knallte es auf den Tisch. Kant. »Du bist hysterisch. Das ist reine Panikmache. Man sollte den Sender verklagen, so ein Horrorszenario für Hamburg zu entwerfen.« Er stand auf. Mama legte sofort einen Arm schützend um mich. Das tat sie immer, wenn Papa laut wurde. Aber das sanfte Über-den-Rücken-Streicheln regte mich höllisch auf. Ich schüttelte ihren Arm ab.
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