1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 Beinahe zwei Jahre schon auf diesem Trip, und nichts erreicht, außer etwas Geld eingesammelt, von mehr oder weniger freiwilligen Spendern, sowie eine erste Bestandsaufnahme vom erschütternden Gesamtzustand der Welt gemacht. Und „erschütternd“ war das richtige Wort.
Die Bilder der Abendnachrichten verblassten im grellen Licht der Realität, wenn einem das Wasser bis zum Hals oder die Rebellen-Miliz vor der Türe stand. In der Regel war auch die Nahrung knapp.
Oft war er nur ein kleiner Fisch im Haifischbecken, ohne jeden Einfluss, ein gesichtsloser Niemand, den man nach Belieben herumschubsen konnte und der oft genug auf die Hilfe der Blauhelme hoffen musste…
Aber manchmal, so wie heute, saß er an den Hebeln der Macht.
Jetzt war es an ihm, andere herum zu schubsen. Oder ihnen zu helfen.
Und so begab es sich an diesem Tag, in jenem Sitzungsraum im 15. Stock des „Fed“-Gebäudes in New York City, dass der amtierende Chef der Notenbank den Entschluss fasste, ein paar sehr deutliche Worte an die versammelten Granden der Finanzwelt zu richten. Mit etwas Nachdruck.
Alle verfügbaren Augenpaare folgten gebannt der Waffe, als er sie, nicht gerade sanft, auf dem Konferenztisch ablegte. Immerhin, die ungeteilte Aufmerksamkeit dieser gierigen Arschlöcher hatte er nun.
Sein Räuspern hallte trocken von den getäfelten Wänden wider.
„Was ich von eurem Vorschlag halte?“ brachte er mühsam beherrscht hervor. „Die korrupten Machenschaften eurer dreckigen Anstalten zu vertuschen, damit ihr Burschen euch der Strafverfolgung entziehen könnt!?“ Arthur brüllte nun fast. „Für wen haltet ihr geschniegelten Arschlöcher euch eigentlich, dass ihr so leichtfertig mit der Existenz braver, hart arbeitender Menschen verfahren dürft? Ihr feinen Kerls, die sich noch nie die Hände schmutzig gemacht haben, zumindest nicht im wörtlichen Sinne? Und die ihr hier gerade so viel Rückgrat zeigt, wie frisch aufgetaute Fischstäbchen?“ Er holte kurz Luft und lockerte seine Fliege.
„Ich werde persönlich dafür sorgen, dass ihr gierigen Drecksäcke die Konsequenzen tragen werdet für die Katastrophe am Immobilienmarkt! Dass ihr auf ewig darben werdet an einem Ort ohne Türen! Ihr hört von mir. Und jetzt raus mit euch!!“
Ungeachtet der Tatsache, dass greise Vorstände und Direktoren keine athletischen Eigenschaften aufweisen, war der Konferenzraum heute überraschend schnell geleert. Arthurs sachdienliche Hinweise hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Oder war es doch die Waffe gewesen, die sich immer noch in Reichweite befand? Unter anderen Umständen ganz sicher eine schwere Straftat. Nötigung, in Tateinheit mit illegalem Waffenbesitz, das war übel.
Aber als Chef der Notenbank durfte er jeden Bänker des Landes mit der Waffe bedrohen. Niemand würde Anzeige erstatten, soviel war klar. Arthur warf die Waffe achtlos in eine Schublade und setze sich an seinen angestammten Platz am Kopfende des Tisches. Netter Ausbruch, alter Knabe , kam es ihm in den Sinn, aber natürlich völlig wirkungslos. Keiner der Geflüchteten würde zur Rechenschaft gezogen werden, egal wie sehr er polterte. Die Fehler waren über viele Jahre gemacht worden, die eingebrockte Suppe aus Hochrisiko-Krediten durfte der auslöffeln, der sie immer auslöffelte: Der kleine Mann. Guten Appetit. Auf dem Weg nach Hause, auf dem Rücksitz einer Limousine mit offenbar aus gutem Grund gepanzerten Scheiben zerbrach sich Arthur den Kopf darüber, was er in seiner gegenwärtigen Position noch erreichen könnte. Wenn man doch nur etwas Vorbereitungszeit hätte! Ein Tag war verdammt wenig, wenn man sich zuerst in den neuen Körper einleben und dessen Erinnerungen durchforsten musste. Das war immer ein aktiver Prozess, denn das Gedächtnis spuckt nur auf gezielte Anfrage etwas aus.
Wo war er? Wer war er? Was war er? Welche Schulen hatte er besucht, welche Karriere gemacht? Meist war er Mitglied im Club der einfachen Leute, logischerweise, wie es die Statistik gebot, denn diese Gruppe stellten ja den Großteil der Weltbevölkerung.
„Jeder Einzelne kann etwas verändern“, sagt man immer.
„Weit gefehlt“, murmelte Arthur grimmig zur Antwort.
Nicht einmal der viel gerühmte Notenbankchef kann etwas verändern.
Es geht immer nur um die Verwaltung der Katastrophen und natürlich um Schadensbegrenzung. Auch um die Wiederherstellung von Vertrauen. Modernes Geld basiert in erster Linie auf Vertrauen, da es keinen echten eigenen Wert besitzt. Eventuell kann sachte an kleineren Stellschrauben gedreht werden, mehr nicht. Den berühmten „großen Wurf“ gab es nicht, den würde das System auch gar nicht verkraften, - oder zulassen.
Arthur wurde fast schwindelig, wenn er das Wissen des Fed-Bosses über Geld abrief. Was „Geld“ eigentlich war, wie es entstand, also „erzeugt“ wurde. Nicht etwa in den Notenpressen der Druckereien, nein, das war nur ein vernachlässigbarer Bruchteil der gesamten Geldmenge auf diesem Planeten. Dieses Geld war sehr real. Zu real für die Tricks der Finanzprofis. Es war das, was Otto Normalverbraucher gemeinhin unter „Geld“ verstand. In diese Kategorie fiel auch das rein digitale Geld, das nur in den Computern der Banken existierte. Um dieses zu erzeugen, musste keine Presse angeworfen werden. In den Stunden vor der Sitzung hatte Arthur seine Zugangsrechte als Big Boss genutzt und sich in den Zentralrechner der Bank eingeloggt. Dort entstand das Geld, wie er schnell verstanden hatte. Mit ein paar Klicks war er auf der richtigen Eingabemaske gelandet:
Er gab einen Phantasienamen ein, Ford Prefect, und eröffnete ein Konto. Als Kontostand wurde 0 angezeigt. Noch.
Den feinen Unterschied zwischen einen armen Schlucker und einem Multimillionär machten ein paar Fingerbewegungen über die Tastatur.
Denn so unfassbar es Arthur anfangs erschien, auf diesem Computer ließ sich das Feld mit dem aktuellen Kontostand editieren. Also beliebig verändern. Es war schließlich reine Software, Einsen und Nullen in einer elektronischen Datenbank. Wo sollte das Problem sein?
Es war kinderleicht.
Lange noch konnte er die Faszination dieses Momentes nachfühlen.
Zunächst zögerlich, mit zitternden Fingern, hatte Arthur eine Zahl eingetippt. Erst eine 1, dann eine Null, und noch eine, und noch eine. Nach sechs Nullen hörte er auf und klickte auf „speichern“, während ihm ein Schweißtropfen an der Nasenspitze hing. Der Rechner surrte kurz, die Datenleitung blinkte, und der Vorgang war abgeschlossen. Es gab nun ein neues, international anerkanntes Konto. Mit einer Million Dollar echten Geldes darauf. Das konnte überwiesen, abgehoben oder beliebig für Zahlungen verwendet werden. Es war so echt wie es nur ging. Die perfekte Fälschung, die somit aufhörte, eine Fälschung zu sein. Erzeugt binnen Sekunden, wofür der brave Arbeiter sein ganzes Leben – oder länger – ackern musste. Mit nur ein paar Mausklicks. Arthur hatte es kaum fassen können, wie einfach es hier war, unter die Zauberer zu gehen.
Er hatte soeben eine Million Dollar herbeigezaubert. Applaus, Applaus!
Eine Bank konnte also Geld einfach so „erfinden“! Dann war es einfach da.
Faszinierend, Captain, hätte der Typ mit den spitzen Ohren jetzt gesagt.
Er konnte sich nicht erinnern, im Schulunterricht jemals über dieses Detail informiert worden zu sein. Doch auch dieses digitale Geld, wenngleich viel mehr als das reale Papiergeld, war nur ein kleiner Farbtupfer im globalen Bildnis Mammons. Der weitaus überwiegende Teil des Geldes bestand in… Tja, man konnte es nicht anders sagen... Wetten. Er musste etwas tiefer im Kopf des obersten Bänkers stöbern, um auch nur im Ansatz zu verstehen, wie es sich damit verhielt. Es waren Wetten auf Marktentwicklungen, auf Kursentwicklungen, aber vor allem Wetten darauf, wie andere Wetten ausgehen würden. Und diese Wetten ließen sich zu Paketen bündeln, auf die wiederum, richtig, Wetten abgeschlossen werden konnten. Der Hebel („leverage“ genannt, im Kopf des Bänkers) wurde dabei immer größer, das Risiko natürlich auch. Die Geldwirtschaft hatte sich längst verselbstständigt und kreiste nur noch um sich selbst.
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