Dann steckte er sich ein paar Kupfermünzen ein und verließ endgültig das Heim seiner Familiengruppe.
Auf der Straße herrschte wenig Betrieb. Die meisten der Dorfbewohner waren noch bei der Feldarbeit oder gingen der Jagd nach. Von der Dorfschmiede her war das Hämmern des Schlagwerks zu hören. Der Schmied hatte immer zu tun: Werkzeuge für die Feldarbeit, Messer, Nadeln und dergleichen für die Hausarbeit und Beschläge oder Nägel für die zahlreichen Tätigkeiten, die der Erhalt von Grünwasser oder seine Erweiterung erforderlich machten. Barek mied es, dort vorbeizugehen, denn der Schmied konnte immer eine helfende Pfote gebrauchen. Es wäre unhöflich gewesen ihm diese zu verweigern, wenn man keinen triftigen Grund dafür hatte. Die Betrachtung magischer Bilder zählte für die Erwachsenen sicher nicht dazu, obwohl sie selbst gerne in die Kuppel traten.
Barek 17 Grünwasser ging langsam die Straße entlang in Richtung auf das Haus der Familiengruppe 32. Nicht zu schnell, damit niemand auf den Gedanken kam, wie begierig er darauf war, die hübsche Enala endlich auszuführen. Doch auch nicht zu langsam, da man ihn sonst für einen Müßiggänger halten mochte. Die Hanari waren ein fleißiges Volk und immer strebsam und die einfachen Bewohner von Grünwasser hielten viel von ihrer Hände Arbeit. Dass man auch mit dem Kopf arbeiten konnte, akzeptierten sie nur widerwillig. Vor allem, wenn man unsinnigen Gedanken nachhing, die keinen unmittelbaren Nutzen für die Gemeinschaft brachten. Lediglich die Wissenden wurden akzeptiert, da diese wichtige Kenntnisse vermittelten, auch wenn mancher Grünwasser-Bewohner die Kunst der Mathematik als wenig nahrhaft erachtete.
Barek hob seine lange Schnauze in den Wind und schnüffelte. Es würde trocken bleiben. Das war nicht besonders gut für die Felder und man würde wohl die Bewässerungsgräben öffnen müssen, aber es war gut für eine sternklare Nacht. Er liebte solche Nächte und die heutige würde er womöglich an Enalas Seite genießen.
Die Sonne begann, lange Schatten zu werfen. Die überall von den Dächern hängenden Seilpflanzen reagierten darauf. Sie begannen, sich zu strecken, denn nun bestand nicht mehr die Gefahr, dass die Hitze ihre Speicherknoten austrocknen würde. Unter einigen Häusern wurde es schon so dunkel, dass die Bewohner ihre Kerzenlampen anzündeten. Barek empfand dies als übertriebene Zurschaustellung von Wohlstand, denn ein Hanari sah recht gut in der Dunkelheit.
Ein Stück voraus sah er endlich das Haus, in dem Enala wohnte. Seine Schnauze zuckte unmerklich, als er seine Angebetete unter dem weit ausladenden Dach stehen sah. Barek war erleichtert, denn es ersparte ihm die Begegnung mit ihrem Mutterweib. Er strich sich unauffällig über die Schnauze und war erleichtert, dass es keinen verräterischen Speichelfluss gab. Um Enalas Herz zu erobern, war es wichtig nicht zu deutlich zu zeigen, wie sehr man sie begehrte. Zumindest hatte sein Schwesterweib dies beteuert, aber Barek war sich nicht sicher, ob er sich auf sie verlassen konnte. Manchmal liebte sie es, ihn an der Schnauze herum zu führen.
Enala war fraglos ein prachtvolles Jungweib. Auch ihre Schnauze schimmerte in seidigem Schwarz, doch Barek bemerkte einen leichten grauen Schimmer an der Nase. Offensichtlich hatte sich die Angebetete geschminkt. Ganz dezent und nicht in dem aufdringlichen Weiß, das ältere Weibchen gerne nutzten, um sich attraktiver zu machen. Nein, Enalas Grau hob sich kaum vom Schwarz ab – nur gerade so weit, dass man es bei näherem Hinsehen bemerkte.
Barek knickte höflich in der Hüfte ein, um Enala zu begrüßen. Sein sorgfältig einstudierter Satz, mit dem er gleichermaßen seine Freude über das gemeinsame Ausgehen und eine gewisse Beherrschtheit hatte betonen wollen, blieb ihm in der Kehle stecken.
„Du hast doch sicher nichts dagegen, dass Mark uns begleitet, nicht wahr?“, fragte sie eher beiläufig und ihre tiefblauen Augen schienen unergründlich zu glänzen.
Ausgerechnet Mark 214 Grünwasser, der Aufschneider, der so gerne mit seinen angeblichen Vorzügen protzte! Barek hätte lieber in einen vergammelten Garg gebissen, doch er wusste, dass er gute Miene zum bösen Spiel machen musste. Es wäre nicht gut gewesen seine Eifersucht zu zeigen.
„Aber natürlich nicht“, beteuerte er und verzog die Schnauze zu einem breiten Lächeln. Er achtete darauf, die Lefzen geschlossen zu halten und seine Zähne nicht zu zeigen, um so seine wahren Gefühle zu verbergen. „Mark wird sicher begierig sein, durch den Magier etwas Bildung hinzuzugewinnen.“
Das war höflich und zugleich doppeldeutig genug. Barek machte ein unverfängliches Gesicht. Enala lächelte ebenfalls, wohingegen Mark eine Schnauze zog, als habe er in eine saure Frucht gebissen.
„Es wird Zeit“, fügte Barek hinzu. „Der Bilderwerfer wird pünktlich zum Einsetzen der Dunkelheit beginnen. Wir sollten zur Kuppel gehen.“
„Dann los!“ Enala hakte sich bei ihnen beiden unter. Das schien Mark zu versöhnen, während in Barek wieder die Eifersucht aufflammte. „Wir gehören aber bestimmt zu den Ersten. Die meisten kommen gerade erst von den Feldern und heute wollen doch sicher alle in die Kuppel, um die Bilder zu sehen.“
„Bilder sind immer schön“, warf Mark ein.
„Vor allem die von Fallet“, wusste Barek zu ergänzen. Es konnte nicht schaden, ein wenig Wissen preiszugeben. „Er gehört sicher zu den größten und berühmtesten Bilderwerfern. Selbst in der Hauptstadt Harinagar reißt man sich um ihn. Ich finde es höchst erfreulich, dass der Magier immer wieder zu uns nach Grünwasser kommt.“
„Das ist seine Aufgabe“, erwiderte Mark. „Dafür bekommt er schließlich auch ein stattliches Sümmchen Kupfermünzen.“
„Ich habe seine Bilder schon einige Male gesehen“, meinte Enala. „Sie sind so intensiv und plastisch, als wäre man unmittelbar im Geschehen.“
„Ja, das schaffen nur die besten Bilderwerfer.“ Mark überlegte kurz. „Man braucht eine besondere magische Gabe, um ein Bilderwerfer zu werden. In allen Ländern wird nach solchen Talenten gesucht und wenn man es hat, dann kommt man an die Akademie der Wissenden in Harinagar und wird dort unterwiesen.“
„Ach, so toll sind diese Leute nun auch nicht“, brummelte Mark.
Erfreut stellte Barek fest, dass sein Konkurrent damit auf den Widerspruch der schönen Enala stieß. „Also ich finde es schon sehr beeindruckend. Man darf ja nicht vergessen, dass die Bilderwerfer überall im Land die gleichen Bilder zeigen müssen. Dabei dürfen sie ihre eigenen Gedanken ja nicht einfließen lassen, weil dies die Magie verfälschen würde.“
„Jaja, und Fallet gehört zu den Größten“, grummelte Mark, der wohl spürte, dass er ein wenig an Boden verlor.
Inzwischen hatten sie sich dem Zentrum genähert und immer mehr Dorfbewohner füllten die Straßen und strebten der Kuppel zu. Einige hatten sich ein wenig herausgeputzt, aber die meisten trugen noch die Kleidung, die sie während ihres Tagewerks getragen hatten. Nur die für diese Nacht eingeteilten Feldwachen waren vom Besuch ausgenommen, aber da man sich bei den Wachen abwechselte, musste jeder einmal in diese Sauerfrucht beißen.
Sie erreichten den Schatten des Runddaches und hier mussten sie sich in eine Schlange einreihen, die sich bereits gebildet hatte. Gespräche schwirrten durcheinander, während man langsam vorrückte und schließlich seine Kupfermünzen als Eintritt entrichtete.
Innerhalb des Rundbaus zog Mark sofort in Richtung der Erfrischungsstände los, die von Gehilfen des Bilderwerfers betrieben wurden. Barek hatte den Verdacht, dass man das Bilderwerfen immer sehr früh ansetzte, so dass ein normaler Dorfbewohner kaum die Zeit fand, vor dem Besuch der Kuppel seine Abendmahlzeit zu sich zu nehmen. Umso eifriger sprach man dem Angebot der Stände zu. In jedem Fall wechselten eine stattliche Anzahl Münzen den Besitzer.
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