»Pöööh«, konterte Elise schluchzend. Dann muss er die Ausfallkosten für die Hochzeiten auslegen und dann gibt es eeeeeeeine Möööööööwe weeeeniger, weil du es nicht verhindert hast, du Aaaaaanwalt!«, brüllte Elise zurück und sprang von Bienes Arm herunter. Sie stampfte mit einem Bein auf und nahm Anlauf. Dann flog sie aufs Meer raus und schimpfte auf Möwen Art, sodass kurzfristig ein leichter Sturm aufkam. Jetzt hieß es "Alle Mann in Deckung." Elise platzte vor Wut.
»Gleich gibt es ein Beben meine Damen und Herren. Wenn Elise platzt, bebt es immer ganz kurz. Aber sie ist doch selbst schuld. Jeden Morgen ruft sie dort an. Warum hält sie auch nicht einfach ihre Klappe und bittet mich, diesen Schund für sie zu bestellen? Aber nein, die Dame brüllt nach zig Versuchen in den Hörer und keift den armen Kerl zusammen. Ist doch kein Wunder, dass der platzt. Der denkt jetzt nur, dass die Dame meine Sandra ist und der kennt meine Adresse! "Von der Möwe" ist ja nichts Ungewöhnliches, aber wenn er sieht, wer Elise ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Kurzkoma oder Ausrasten und Sandra an die Kehle gehen. Ist nicht schon später Nachmittag? Leute, ich könnt grad ein Bier vertragen«, sagte Thomas und schaute in die nickende Runde. Egbert grinste breit bis an die Ohren. Die Vorstellung, dass der arme Typ vom Sender hier landen würde und nichts ahnend vor Elise rumschimpfte, war zu köstlich. Noch köstlicher war der Gedanke, wenn der Typ umfiel.
»Watt machen wir denn heute so? Also Egge hat die Wiese gemäht und ich wollte eigentlich mal in deinen Weinreben herumspazieren. Wer weiß, ob dett nisch ein hübsches Tröpfchen für meine Kehle wird. Oder aber, ich hätte schon Lust mal runter zu Sam zu laufen und ein bisken mit dem Flutscher zu schwimmen«, sagte Heinz. Er schaute sich um. Aber irgendwie waren alle viel zu faul, um bei dem heißen Wetter an irgendwas Anstrengendes zu denken.
»Ich werde jetzt gleich erst mal mit Elise reden und dann muss ich noch ein wenig Emails beantworten. Aber ich schlage vor, ihr geht ins Dorf und macht uns die Kühlschränke voll. Dabei könnt ihr ruhig beim Captain vorbeischauen. Vielleicht hat er Post oder sonstige Ware für uns. Ihr macht ja erst mal Urlaub hier und müsst nichts tun. Außerdem müssen wir ja noch die Doppelhochzeit planen. Allerdings, wenn der Typ vom Teleshopping-Sender hier landet, sehe ich schwarz für die Hochzeit«, grinste Thomas. Thomas machte sich ernsthaft Sorgen um Elise. In diesem Zustand war sie unberechenbar. Er wollte später zu den Klippen gehen und sie beruhigen, falls sie nicht vorher wieder in der Anlage erschien. Das Telefon klingelte. Thomas nahm ab und am anderen Ende hörte man eine aufgebrachte Stimme. Thomas machte zu Egbert und Heinz Zeichen mit der Hand. Es war die Frau aus Deutschland. Die mit dem Handtaschenhund. Sie war fast hysterisch. Hatte man ihr doch den Hund weggenommen und ihr mit einer Anzeige gedroht. Natürlich hatte sie aus dem Internet die Nummer von Thomas erfahren und diesem blieb die Luft weg, als die Dame am anderen Ende keifte. Thomas legte das Telefon auf den Holztisch und machte auf Freisprech-Zeichen. Der Tisch bebte. Der Hörer schwoll an und man sah wie die Spucke der Frau, aus den Löchern des Hörers schoss. Heinz lachte laut los und hielt sich den schwankenden Bauch. Biene quiekte und Thomas drehte sich weg. Egge hustete laut und dann explodierte das Wesen am anderen Ende mit lautem Knall.
Stille!
»Watt is heute mit den Frauen los? Sag jetzt nicht, dass der Hund noch im Haus war. Ich wette 100 Liter deutsches Reinheitsgebot, dass die Stadtwerke nun die ganze Gegend neu teeren müssen!«, lachte Egbert laut. »Watt war datt denn?«, fragte Biene vorsichtig. Thomas drehte sich wieder rum und grinste. »Das war Tierschutz aus der Sicht der Tiere und so reagiert ein Mensch, wenn man ihm seine heile Welt kaputtmacht. Erleb ich fast wöchentlich«, klärte Thomas auf. Egbert schüttelte den Kopf und war platt. »Menschenskinder, da war mein Drachen ja ein süßes Karnickel gegen. Fast liebreizend. Ob die nen Mann hat?«, fragte Egbert. Von hinten schlug es ihm die Tageszeitung auf den Kopf und eine grinsende Marga stand hinter seinem Stuhl. Egbert richtete sich sofort auf und drehte sich im Stuhl um. »Huch, meine Schöne, so war dett nüsch gemeint«, lachte Egbert peinlich berührt. »Elise hat für neues Land gesorgt. Durch ihr Gebrüll hatten wir einen erneuten Abgang an der Klippe und ein kleiner Tsunami ist unterwegs aufs offene Meer. Nichts Schlimmes, aber immerhin. Elise ist geplatzt. Sie sitzt nun schmollend auf dem Felsen kurz vorm Hafen und schluchzt so laut, dass der komplette tierische Inhalt des indischen und Pazifischen Ozeans unterwegs ist, um sie zu trösten«, erzählte Marga, nicht ohne ein breites Grinsen im Gesicht.
»Heulen kannse gut, datt Mädel!«, sagte Egbert. Jamie holte aus Egberts Wohnung das Fernglas und lief damit schwanzwedelnd zum Ende der Terrasse. Er hielt sich das Glas vor die Augen und fing anzulachen. Elise saß wie ein heulender Kojote auf ihrem Felsen und schluchzte sichtbar herzhaft laut und drum herum sprudelte das Wasser. Sie wedelte dabei mit ihrem Spitzentaschentuch vor ihrem Schnabel her und tat, als würden Fluten aus ihren Augen treten. Jeglicher Pottwal, der gerade in der Umgebung war und sämtliche Meeresbewohner umschwammen den Felsen. Schildkröten versuchten auf den Felsen zu klettern, nur um Elise zu trösten. Dann sah er wie eine Schildkröte mit doppelten Rittberger rückwärts den Felsen zurück ins Wasser kullerte und die Pottwale laut lachten, bei dem Anblick. Elise heulte natürlich noch lauter auf, weil diese nach ihrer Ansicht "dämliche Schildkröte" ihr die Show stahl. Jamie winkte den anderen zu, sodass sie sich sofort um ihn versammelten und sich beim Hinüberschauen mit dem Fernglas abwechselten. Jetzt sah man sogar Schilder aus dem Wasser ragen. Thomas hob die Augenbrauen an und versuchte, weil er gerade das Fernglas in der Hand hatte, seinen Augen zu trauen. Die Meeresbewohner veranstalteten eine Demonstration zu Ehren Elises. Auf einem der Schilder konnte man die Schrift erkennen. "Helft Elise! Rettet sie! Der Typ vom Teleshopping will sie killen!"
»Nicht dass ich behaupten wolle, dass eine Elise von der Möwe übertreiben würde. Aber was sie da wieder abzieht, übertrifft alles andere, was sie bisher abgezogen, hat!«, sagte Thomas mit lustigem Unterton in der Stimme. »Ich bin gespannt, wann die Wohnanlage mit Algen und sonstigem Zeug aus dem Meer beworfen wird oder ob sie sich beruhigt«, fügte Sandra hinzu. »Ok … wer macht das Schild für sie? Ich sehe doch, wie sie durch ihr Glas hier hin linst. Dieses linke Miststück! Upps, daaaas haaab ich nie gesahaagt! Verstaaaanden? Mitbewohner?«, sagte Thomas leise grinsend vor sich hin. Die anderen rannten sofort los und bemalten ein Schild und schrieben eine Entschuldigung. Egbert kam mit dem Schild rausgerannt und hielt es Thomas hin. Thomas sah Elises Fernrohr blitzen. Das Biest hatte sofort kapiert, was los war. Thomas hielt es provokativ in die Luft. Alle Wale und Delfine, die gerade ihre Runden in rasantem Tempo zogen, hielten inne und schauten abrupt zu Elise hoch. Zwei Pottwale schlugen auf die anderen auf. Ein wildes Geschimpfe folgte. Elise verkniff sich das Lachen bei dieser Szene und packte ihre Sachen in ihren kleinen Rucksack und die Meeresbewohner tauchten wieder ab. Eine Schildkröte hatte es endlich auf den Felsen geschafft und Elise gab ihr einen leichten Tritt.
»Blöde Kuh! Dir helfe ich nie wieder«, rief die Schildkröte und kullerte ins Wasser zurück. Elise grinste sich einen zurecht. Na der Thomas würde was erleben. Das hatte sie sich geschworen. Bevor sie aber zu ihm zurückflog, wollte sie ihn erst einmal noch schmoren lassen und flog im Tiefflug unterhalb der Küste zu ihrer Klippenwohnung. Thomas sah das natürlich durch sein Fernglas und lächelte. Natürlich würde er heute Nacht Elises Tapsen im Schlafzimmer hören und garantiert würde sie ihm "gute Nacht" sagen. Er kannte seine Elise doch zu gut.
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