Das Gesicht seines Freundes schien wie zu Wachs erstarrt.
„Das…Das wusste ich nicht.“
„Natürlich nicht. Leurc hat sicher nur erzählt, was für ein mieser Hund ich bin und wie schwach ich nicht bin, weil ich meinen Auftrag nicht erledigt habe.“
Dneirf schwieg. Das deutete Erif als Zeichen, dass er richtig lag.
„Vielleicht war ich wirklich schwach, aber wenn das Schwäche ist, dann möchte ich nicht stark sein.“
Diesmal war es Dneirf, der den Blick senkte.
„Aber was ist… was ist wenn sie eine Mörderin war oder eine hinterlistige Ehebrecherin oder eine Hexe?“
Sein Freund suchte verzweifelt einen Grund um die grausame Willkür hinter diesem Auftrag zu entkräften. Er tat Erif leid.
„Glaub mir Dneirf, ich weiß es besser. Diese Frau hatte genauso wenig magische Begabung wie ihr Kind. Ich habe ihre Auren geprüft. Sie hatten auch nicht den geringsten Makel, welcher auf ein Verbrechen hinweisen könnte. Beide waren unschuldig.“
„Warum dann? Warum hat dir dann Leurc…“
„…diesen Auftrag erteilt? Ich kann dir den Grund nennen.“
Allein der Gedanke an den Hauptmann der Söldner ließ in Erif reinste Abscheu aufsteigen. Dieses Gefühl sowie der Zorn übertrafen sogar kurzzeitig seine Schmerzen. Dennoch bemühte Erif sich um eine ruhige Stimme.
„Wenn du ehrlich bist, kennst du den Grund auch selbst. Schon nach den ersten Wochen habe ich Leurc verabscheut. Für sein Verhalten gegenüber allen die sich nicht wehren konnten, für seinen verdorbenen Charakter und seinen Frauenhass, aber vor allem für seine Taten. Und er hat auch mich verachtet. Für meine Weichheit und Schwäche wie er es immer so schön nannte. Bei jeder Gelegenheit hat er mich schikaniert und gedemütigt. Den Höhepunkt hat er sich aber bis zum Schluss aufgehoben.“
Dneirf blickte immer noch zu Boden. Ein Schatten hatte sich nun wieder über sein Gesicht gelegt.
„Und der Höhepunkt, das war mein Auftrag. Leurc schickte mich nach Nevah, wo mir ein Kontaktmann meinen Auftrag erklärte. Als ich dann erfuhr, was ich tun sollte, war ich wie gelähmt. Anfangs habe ich genau wie du eben nach Gründen gesucht, schließlich wollte ich nicht als Versager zurückkehren, doch mit der Zeit wurde es mir immer klarer. Leurc wollte mich brechen. Er selbst war der Auftraggeber und das eigentliche Ziel war ich!“
Die letzten Worte hatte Erif beinahe geschrien. Er hasste dieses Monster. Ein Stich fuhr durch seinen Körper und dämpfte seine Gefühle wieder. Zorn passte nicht zu ihm.
Noch immer saß Dneirf regungslos vor ihm am Boden und hielt seinen Kopf gesenkt. Nur ein leises Flüstern verriet, dass er nicht zu Stein erstarrt war.
„Was hast du dann gemacht?“
Erif antwortete mit heiserer Stimme.
„Ich habe den Auftrag nicht ausgeführt. Eines Nachts habe ich die junge Frau mit ihrem Kind aufgesucht und sie über die Söldner und meinen Auftrag aufgeklärt. Ich habe ihnen nahegelegt die Stadt zu verlassen. Sie waren sehr arm, deshalb habe ich ihnen fast mein gesamtes Geld überlassen, damit sie zumindest eine Chance hatten. Am nächsten Tag habe ich den Kontaktmann aufgesucht und ihn mit einem Vergessenszauber belegt. Der dürfte in etwa einen Monat gehalten haben. Sofort danach bin ich aus der Stadt geflohen. Den Rest kennst du ja bereits.“
Die Stille war erdrückend. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Nacht begann hereinzubrechen. Auch in der Scheune hatte die Dunkelheit Einzug gehalten. Als Dneirf nach einiger Zeit immer noch keine Antwort gegeben hatte, erhob Erif wider das Wort.
„Dneirf, du musst weg von dieser Bande mordlüsterner Tiere. Du weißt genauso gut wie ich, dass du dort nicht hingehörst. Wenn du zulange dort bleibst, wer weiß, was Leurc dann aus dir macht? Willst du etwa so werden wie er?“
Endlich erhob Dneirf seinen Kopf und blickte ihn wieder an. Er suchte offenbar nach den richtigen Worten.
„Erif, ich…“
Seine Stimme wurde immer leiser bis Erif sie nicht mehr hören konnte und sich nur noch Dneirfs Mund bewegte. Eine heiße Welle von Schmerzen brach über ihn herein. Feuer schien sich über seine Haut auszubreiten. Nach wenigen Momenten hatte die feurige Hitze seinen gesamten Körper erfasst. Selbst in seinen Knochen konnte er den sengenden Schmerz fühlen.
Er schrie vor Schmerzen, doch er konnte seinen eigenen Schrei nicht hören. Es war wieder so, wie damals, als ihn der Vogel aus Feuer in Flammen gesteckt hatte. Schließlich umfing ihn Dunkelheit und er verlor sein Bewusstsein.
Fürst Erised saß allein in seinem Arbeitszimmer und beugte sich über ein dickes Buch mit schwarzem Einband. Das Buch ergab mit mehreren anderen Schriftstücken auf seinem Schreibtisch ein ansehliches Chaos. Der Tisch war, so wie das Bücherregal, der Sessel auf dem er saß und alle anderen Möbelstücke des Raumes aus dunklem Holz gefertigt. Die Wände und der Boden waren mit rotem Samt ausgekleidet.
Ein Klopfen an der Türe ließ den Fürsten knurren, er hasste es gestört zu werden. Mit einer kurzen Handbewegung und einem Hauch von Magie ließ er den Pergamentberg auf seinem Tisch verschwinden. Hastig strich er sich noch eine Strähne seines langen, grauen Haars aus seinem Gesicht, bevor er auf das Klopfen antwortete.
„Herein!“
Die Tür ging auf und herein trat sein Kanzler. Der Kanzler war ein kleiner, dicklicher Mann im weit fortgeschrittenen Alter. Er trug einen aufwendig gestalteten, blauen Brokatumhang.
Mit schnellen Schritten kam der Kanzler auf den Fürsten zu. Seine Körperhaltung zeugte von mehr Hochmut als für einen Diener angemessen war. Die Wurstfinger seiner Hand hielten ein Blatt Pergament fest.
Als er vor Eriseds Tisch trat, verbeugte er sich kurz und richtete danach das Wort an den Landesfürsten.
„Mein Herr, ich nehme nur ungern eure kostbare Zeit in Anspruch, aber hier habe ich den Vertrag der solidarischen Armeebegrenzung der Landesfürstentümer und er bedarf Eurer hoheitlichen Signatur.“
Erised stand auf. Der Landesfürst trug eine dunkelgrüne, mit Goldfäden verzierte Robe aus den feinsten Stoffen. Zufrieden registrierte der Fürst das kurze Aufblitzen von Neid im Gesicht des Kanzlers.
„Bitte, für Euch habe ich doch immer Zeit Kanzler. Ich werde mich sogleich dem Abkommen widmen.“
„Sehr wohl, mein Herr.“
Der Kanzler übergab das Pergament mit gesenktem Haupt.
„Gibt es sonst noch etwas zu erledigen?“
„Nein, mein Herr.“
„Gut, dann könnt Ihr gehen, mein Freund.“
Mit einer kurzen Handbewegung entließ Erised den Kanzler aus seinem Arbeitszimmer. Der Kanzler verneigte sich noch einmal tief und verließ dann endlich den Raum.
Der Fürst wartete ein paar Augenblicke, dann schnippte er mit den Fingern und das Pergamentchaos kehrte aus dem Nichts auf den Schreibtisch zurück. Er setzte sich und legte das Abkommen, welches ihm der Kanzler soeben übergeben hatte auf eine der wenigen freien Stellen am Tisch.
Bei genauerer Betrachtung fiel ihm ein kleiner Fettfleck auf dem Schriftstück auf. Zischend stieß er die Luft zwischen seinen Zähnen hervor. Dieser eingebildete Dummkopf hatte es wieder einmal nicht geschafft das Essen von seinem Arbeitstisch fernzuhalten. Der Fürst konnte den Kanzler nicht leiden. Das war schon von Anfang an so gewesen. Doch leider hatte er keine Wahl gehabt. Es gab nicht viele Gelehrte, welche die erforderliche Ausbildung für diese Position hatten. Die meisten Gelehrten, die nicht vollkommen unfähig waren, wurden für die Hoheitliche Kanzlei des Hochkönigs angeworben. Aber wenn er erst einmal die Macht des Phönix beherrschte, würde ihm das gesamte Reich zu Füßen liegen. Dann konnte er sein Gefolge besser auswählen und müsste sich nicht mit solchen Dilettanten, wie seinem Kanzler, begnügen.
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