1 ...6 7 8 10 11 12 ...46 Das verpflichtete sie aber auch ihre Erkenntnisse weiterzugeben, denn diese Nachricht war von äußerster Wichtigkeit für mehrere Personen. Boten waren für diese Aufgabe viel zu unsicher. Diese Information musste sie selbst weitergeben. Dazu musste sie aber zurück in den Norden, in das Königreich Tsorf. Diese Reise würde mehrere Tage, wenn nicht Wochen, in Anspruch nehmen, danach würde es schwierig werden den jungen Mann wieder zu finden. Schwierig, aber nicht unmöglich , versuchte sie positiv zu denken.
Evol hob ihren Blick und starrte durch das Blätterdach in den Nachthimmel. Sie rief sich das Gesicht ihres Retters ins Gedächtnis. Ohne Zweifel würde sie ihn wieder finden, das wusste sie. Doch bis sie zurück war, musste er selbst auf sich aufpassen. Dazu würde er nun mit Sicherheit in der Lage sein.
Damit war die Sache entschieden. Ihr nächster Weg führte sie nach Norden.
Unwillig noch mehr Zeit zu vergeuden, stieg sie in den Sattel ihres Rappen. Ein letztes Mal musste Sie den Drang niederkämpfen alle Vorsicht in den Wind zu schießen und mit ihrem Pferd Richtung Osten zu galoppieren, um die Verfolgung der beiden Männer aufzunehmen. Sie schloss ihre Augen und sandte ein kurzes Gebet zum Schutz des Bewusstlosen an die Götter. Mehr konnte sei momentan wirklich nicht tun.
Langsam trabte sie los. Durch die Baumwipfel konnte sie erkennen, dass sich der Himmel allmählich aufhellte.
Ein neuer Tag würde bald anbrechen.
Ein unverhofftes Wiedersehen
Sonnenlicht weckte Erif. Langsam kam er zu sich. War er Tod? Unverzüglich meldeten sich Schmerzen aus seinem ganzen Körper. Erif krümmte sich. Nein, Tote spürten keine Schmerzen mehr.
Er fühlte sich als wären sämtliche seiner Knochen mehrmals gebrochen worden. Begleitet wurde dies von stechenden Schmerzen in seinem Kopf und seinem Magen. Seine Gliedmaßen fühlten sich schwer an. Am meisten machte ihm aber die Hitze zu schaffen. Ihm war unbeschreiblich heiß. Seine Eingeweide fühlten sich an als würden sie brennen, wie in der Nacht zuvor.
Die Nacht zuvor! Erifs Erinnerungen an die letzte Nacht kehrten mit einem Schlag zurück. Naidraug, das Lagerfeuer, die Soldaten und der Angriff. Naidraugs Tod, der Stein, das Ausbrechen der feurigen Kreatur, welche alle Soldaten ausgelöscht hatte und sich letztendlich gegen ihn gewandt hatte. Vor seinem geistigen Auge konnte er das Wesen mit seinen blutroten Augen immer näher kommen sehen, bis es ihn erreicht hatte und in Flammen aufgehen ließ. Allein der Gedanke daran ließ ihn erschaudern.
Aber wie hatte er diesen Angriff überleben können? Und wie hatte er die Lichtung verlassen können? Erif versuchte die Schmerzen so gut es ging zu ignorieren und sah sich um. Er lag auf einem Haufen Stroh in eine Decke gehüllt in der Ecke eines größeren Raumes. Das Sonnenlicht, welches ihn geweckt hatte, fiel durch eine fensterartige Auslassung in der gegenüberliegenden Holzwand. Errichtet waren diese Holzwände auf festem Lehmboden. An einer der Wände waren Boxen aufgebaut. In einer davon stand ein dunkelbraunes Pferd und musterte ihn neugierig.
Es war eine typische Scheune. In Scheunen wie dieser hatte er in seiner Zeit als Tagelöhner oft gearbeitet. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Hastig drehte er den Kopf und wurde mit noch intensiveren Kopfschmerzen dafür bestraft. Er stöhnte. Ein Feuerfalke hatte sich in der Aussparung an der gegenüberliegenden Wand niedergelassen. Der anmutige Vogel betrachtete Erif. Er fragte sich ob es wohl derselbe Feuerfalke war, den er letzte Nacht gesehen hatte. Das Tier legte den Kopf etwas schief und begann melodisch zu trällern. Erif lauschte dem Gesang des Feuerfalken und schloss unwillentlich die Augen.
„Guten………Morgen………“
Er riss die Augen auf und starrte auf den Vogel. Hatte der Vogel gerade gesprochen? Ein Blick in den Raum genügte um ihm zu bestätigen, dass kein Mensch die Scheune betreten hatte. Sein Blick schweifte zurück zum Feuerfalken, der ihn erwartungsvoll ansah. Auch wenn es ihm komisch vorkam, so richtete Erif das Wort an den Vogel.
„Hast du…Hast du gerade gesprochen?“
Seine Stimme war heiser und rau. Bevor der Vogel etwas machen konnte, öffnete sich mit einem lauten Knarren die Tür der Scheune. Der Feuerfalke ergriff die Flucht.
Das einfallende Licht blendete Erif. Er hielt sich eine Hand vor die Augen und versuchte sich aufzusetzen, schaffte es aber nicht. Dazu war er zu schwach.
„Wer ist da?“
Seine Augen hatten sich mittlerweile an die Helligkeit gewöhnt. Langsam nahm er die Hand runter und betrachtete die Person, welche die Scheune betreten hatte. Zuerst wollte er seinen Augen nicht glauben, dann schwemmte eine Welle purer Freude für einen kurzen Augenblick sämtlichen Schmerz aus seinem Körper.
Der Mann hatte kurzgeschorenes, blondes Haar. Am Körper trug er eine leichte Lederrüstung an deren Gurt ein Schwert befestigt war. In den Händen hatte er einen kleinen Stapel Holz auf dem zwei gehäutete Hasen lagen. Die dunkelblauen Augen des Mannes fixierten Erif. Seine Mundwinkel verzogen sich dabei zu einem breiten Grinsen.
„Na? Wieder zurückgekehrt von den Toten?“
Nun musste auch Erif grinsen.
„Hallo, Dneirf. Wie ich sehe hast du deinen schwarzen Humor nicht verloren.“
Dneirf legte das Holz mit den Hasen auf den Boden und ging zu der Box mit dem Pferd.
„Nein, auch wenn unser letztes Treffen schon etwas länger her ist, den verliert man nicht so schnell.“
Mit seiner Hand fuhr er dem Pferd durch die Mähne und streichelte es. Erifs Körper meldete sich nun wieder mit einer neuen Serie von Schmerzen. Er stöhnte und krümmte sich zusammen.
„Was ist los?“
Dneirf hatte aufgehört sein Pferd zu streicheln und blickte Erif an. Leichte Unruhe lag in seinem Blick.
„Ich habe Schmerzen, überall. Kopf, Magen, Haut, Herz… einfach überall.“
„Wie schlimm?“
„Sehr schlimm. Wenn das so weiter geht werde ich wahnsinnig.“
Erif blickte von seinem Lager zu Dneirf auf. Dieser machte nun einen äußerst beunruhigten Eindruck.
„Wie bin ich eigentlich hierhergekommen? Ich kann mich nicht daran erinnern.“
Langsam bewegte sich Dneirf auf Erif zu und setzte sich ihm gegenüber auf den Boden.
„Das war eigentlich nur Zufall. Ich war auf dem Rückweg zum Hauptlager als ich aus einem kleinen Waldstück jede Menge Rauch aufsteigen sah. Normalerweise halte ich mich aus solchen Sachen heraus, du weißt ja was ich immer sage, steck deine Nase in fremde Angelegenheiten und du hast bald keine mehr. Aber diesmal habe ich eine Ausnahme gemacht.“
„Warum gerade diesmal?“
Dneirf kratzte sich am Kopf.
„Naja, der halbe Wald stand in Flammen, also musste dort irgendetwas Größeres passiert sein. Vielleicht hatte einer der Landesfürsten eine neue Waffe entwickelt und sie dort ausprobiert, oder eine der Räubergruppen im Umkreis hatte ihren Standort verlegt und bewegt sich nun plündernd durch das Land. Hauptmann Leurc zahlt neuerdings gut für derlei Informationen.“
Erif zuckte zusammen. Doch nicht die heftigen Schmerzen waren der Auslöser dafür, sondern die Erwähnung des Hauptmanns. Dneirf bemerkte seine Reaktion und wusste sie sogleich richtig zu deuten.
„Ich weiß, dass du den Hauptmann nicht ausstehen kannst, aber immerhin gibt er uns Arbeit und zahlt dafür gutes Geld.“
Bevor Erif antworten konnte, wurde ihm schwindlig. Die Schmerzen hatten zugenommen, nun fühlte er sie auch in seinen Knochen. Nach einem kurzen Kampf mit dem Schwindel hatte er wieder die Oberhand über seinen Körper zurück und konnte mit heiserer aber trotzdem energischer Stimme antworten.
„Leurc ist ein blutrünstiger Schlächter, nichts weiter. Er gibt selbst zu Greise, Frauen und Kinder getötet zu haben und das Schlimmste ist, dass er auch noch stolz darauf ist. Ich verstehe nicht wie du ihn nur verteidigen kannst. Du warst doch auch dabei wie er damals von einem seiner Aufträge eine Hand voll Frauen mit ins Lager gezerrt hat. Wir beide wissen was er ihnen in seinem Zelt angetan hat. Und dann, als er fertig war mit Ihnen hat er sie vor allen anderen mitten im Lager abgeschlachtet um uns den ‚Wert einer Frau‘ zu zeigen. Dieses Monster hat nichts Gutes an sich.“
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