„Wer ist es, Ed, mach‘s nicht so spannend. ‚Einmal gerochen, schon verhört‘, ist mein Lieblingsspruch, wie du weißt.“
Hawknight schmunzelte und sagte mit Nachnamen zuerst: „Lindy, James Lindy.“
Von gespannt bis fassungslos trafen sich unsicher vibrierende Blicke im Schein der Schreibtischlampe. Der eine erwartungsvoll nach einer Reaktion gierend, der andere flink sich sammelnd, um abzuschätzen, ob sein Gegenüber noch bei Trost sei. Aus der schwach beleuchteten Tiefe seines Sitzplatzes ironisierte Engelheim den genannten Namen:
„Wusste gar nicht, dass du so leicht überschnappst, Ed. James Lindy!? Ich frag‘ gar nicht, was du dir mit diesem Namen alles aufhalst. Zzh … ‘James Lindy‘, nicht zu fassen. Der Lindy soll wirklich auf dieser Razzialiste des FBI gestanden haben, Ed?“
„So wahr ich seinen Namen las.“
„Kaum zu glauben, auf einer Razzialiste zusammen mit lauter beschwipsten Roten aufgeführt zu sein. Lindy gehört seit ein paar Jahren zu den glanzvollen Erfinderbiografien der USA mit prächtig munitioniertem Lebenswerk! Würde er selbst wahrscheinlich nicht gerne hören, aber egal! Erinnere mich noch gut, wie bescheiden der Mann anfangs vor Publikum auftrat. Trotzdem, Tausende, verdanken ihm ihr Leben.“
„Und Abertausende, die ihm die Hölle an den Hals wünschen. Gilt ja nicht gerade als posthume Auszeichnung, durch eine Waffenerfindung Lindys dahingerafft worden zu sein.“
„Eher nicht, aber nun soll er seinen Spaß bei den Kommunisten (Kommis) gefunden haben.“
„Sieht ganz so aus. Ohne Weiteres kommt man nämlich nicht auf Listen, welche das FBI fabriziert.“
„Gut, also Lindy. Einen erfolgreichen Mann, dessen Stimme die gesamten USA kennt, von Delaware bis Oregon, von Maine bis Florida. Der Mann war in den letzten Kriegsjahren einer der meist moderierenden Waffenexperten im Radio. Wenn er nicht wäre, hätte der Zweite Weltkrieg wahrscheinlich Monate, wenn nicht Jahre länger gedauert! Anfang der Vierziger entwickelte Lindy die erste raketengetriebene Panzerabwehrwaffe, die Bazooka, mit. ‚Sohn deutscher Einwanderer entwickelt hochkalibrige Waffensensation‘, so die Schlagzeile von damals. Eine verteufelte Kriegswaffe, die etliche Nazibataillone während der Normandie-Invasion zuerst in den Wahnsinn stürzte, dann der Reihe nach vernichtete. So viele Verdienstmedaillen, wie der zusammengesammelt hat, Doktorhüte, Gastprofessuren – Artillerieberatung! Kann man sich einen wie ihn als unseren neuen Kandidaten für den Verhörstuhl vorstellen.“
„FBI hin oder her, wir kommen wohl nicht umhin, ihn uns einmal vorzuknöpfen. So schlau, wie der ist, hätte er doch wissen müssen, dass sich auf dem Präsentierteller zu servieren, eine ungeheure Gefahr bedeutet. Wie kann man auch so bescheuert sein, samstagabends in einer Bar in Manhattan zu tagen. Verstehe das, wer will!“
„Tippe, da muss was gehörig schief gelaufen sein bei dem Mann. Aber da wir keine Psychologen ... sein wollen, krallen wir uns ihn. Hat der überhaupt noch nötig, für die Rüstungsindustrie zu buckeln? Lindy müsste sein Vermögen doch schon längst gemacht haben.“
„Anscheinend nicht. Hab’ mich vorhin mal schlaugemacht über unseren Renegaten. Noch Bürohengst in gehobener Position eines bekannten Rüstungsunternehmens bei Boston.“
„Wo in Zeiten des Kalten Kriegs wohl Dauerflaute herrscht. Genügend Zeit also, um mit Kommis zu schäkern.“
„Dann wird er dort oben auch wohnen. Ist Lindy eigentlich verheiratet?“
„Wie es aussieht wohl nicht. Wohl arbeitsbesessen, wie unsereins. An was Neuem wird der schon feilen, aber was das sein könnte, da fragst du mich zu viel. Wir können ihn ja in den nächsten Tagen aufsuchen und so nebenbei auf den Zahn füllen. Vielleicht bekommt Lindy Muffensausen, wenn wir uns zu erkennen geben, und schüttet sich uns ohne großen Druck aus.“
„Spaßvogel, wie? Wir können nicht nur, du musst dich an ihn ranmachen, sonst machst du dich dem FBI verdächtig. Lindy unbehelligt sausen zu lassen, geht nun nicht mehr, verstehst du.“
„Du meinst also, dass am Samstagabend war absichtlich so eingefädelt? Dass das FBI mich überprüft, ob ihre mir zugespielte Botschaft nicht nur angekommen ist, anderenfalls könnten Konsequenzen drohen, meinst du das, Gass?“
„Darauf kannst du einen nehmen! Eine gesteckte Spur kannst du, können wir nicht links liegen lassen. Das schreit nach Konsequenzen, und so ein Skalp wie Lindys ist aller Ehren wert! FBI-Hoover verdächtigt uns, seit es die CIA gibt, auf dem roten Auge blind zu sein. Warum zeigen wir ihm nicht, was er erwartet, und ermitteln gegen James Lindy hoch selbst!“
„Ich stehe im Kreuzfeuer?“
„Na, noch ist nichts geschehen, es könnte aber, sobald du zögerst. Wir machen das schon zusammen, keine Widerrede! Schätze, wir sollten nicht sofort als Kavallerie aufreiten, sondern erst mal Lindy undercover unsere Aufwartung machen, um seinen Kooperationswillen herauskitzeln.“
„Kooperationswillen?“
„Genau, Ed, uns wird Lindy nur nutzen, wenn er sich umdrehen lässt und bienenfleißig von der roten Front liefert, wobei uns mehr interessiert, was er über rote Verflechtungen außerhalb der USA weiß.“
„Ach, so meinst du das. - Yeah, das sehe ich genauso, Gass!“
„Wurde Lindy nicht nach der Razzia vom FBI festgenommen?“
„Klar, Razzien ziehen fast immer Festnahmen nach sich, nur Lindys hatte nicht lange gedauert. Heute Vormittag war er schon wieder auf freien Fuß.“
„Woher weißt du denn das schon wieder, Ed?“
„Man erlauscht so einiges. Lindys Anwälte sollen ordentlich Rabatz gemacht haben in Big Apple. Laut Pressemeldung, ein peinlicher Vorfall. Lindy hätte sich ausgerechnet in diese Bar in Manhattan verirrt, um sich ein Glas Gin zu gönnen. Wer es glauben mag, mag‘s glauben.“
„Dann werkelt Lindy in den nächsten Tagen wieder, als wäre nichts geschehen an seinem Bostoner Arbeitsplatz?“
„Anzunehmen, ja.“
„Und das FBI tritt uns auch nicht auf die Füße, während wir uns Lindy nähern?“
„Glaub‘ kaum. Da sie ahnen können, dass Lindys Name uns seit Samstagabend beschäftigt, wird das FBI in Lauerstellung unterwegs sein, also, von dieser Seite ist eher nichts zu befürchten.“
„Dass ich Lindys Namen mal in diesem Büro hören würde!? Würde ich oben melden, dass wir gegen Lindy etwas im Schilde führen, würden mich alle im Raum zunächst lauthals verlachen. Merkten sie aber, dass ich es ernst meine, würden sie mich für wahnsinnig halten und achtkantig aus der Firma schmeißen. Lindys Erfindung sparte im Zeichen des Steinadlers gleich mehrere Soldatenfriedhöfe. Truman hatte ihn gleich mehrmals geehrt. So jemanden sollen wir beide aufs Korn nehmen? Ich hoffe, dir ist klar, dass der Ärger ganz nah ist, Ed?“
„Nun auch im Boot, Gass?“
„Wir beide hätten heute Abend auch zum Billard gehen können, Ed. Allerdings, Lindy dingfest zu machen, könnte sich als verzwickt herausstellen. Die Jungs vom FBI möchten ihn zwar festnehmen und stolz seinen Skalp in die Linse halten, scheuen aber Mühen, ihn aufs Kreuz zu legen. Sie denken sich stattdessen, lass lieber erst mal die gehasste CIA nach der Nadel im Heuhaufen suchen. Zugreifen aber tun die nicht, sondern wir!“
„Soweit war ich auch schon! So ‘ne Art, ihr inspiziert, wir greifen zu, nicht?“
„Wenn dieses geheime Netzwerk von roten Weltverbesserern ausgerechnet in der Bar in Manhattan ihren Lavaplausch organisierte und Lindy einlud, ist der Mann für uns äußerst interessant.“
„Genau, das denke ich auch! Lüften wir erst mal staatsfeindliches Engagement Lindys.“
„Wir müssen aber äußerst geschickt vorgehen. Wenn wir zu Lindy hinfahren und ihm unsere Dienstmarken vor die Nase halte, macht der gleich die Schotten dicht. Wir müssen uns ihm vorsichtig nähern und sollten daher kein Risiko eingehen.“
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