Uwe Romanski - Immer der Sonne nach, aber erst gegen Abend.

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Ob Schillers Ode, Einsteins Zunge oder Chopins Herz.– alles ist miteinander verwoben. Zumindest für Clemens, der jugendlichen Hauptfigur in einer Coming-of-Age-Geschichte, der den Herausforderungen und Absonderlichkeiten seines heranwachsenden Lebens trotzt. Ob Jugendweihe, Musterung & renitente Genossen, die Konsequenzen sozialistischer Erziehung bis zur Party im Stasi-Mietbau, Tramps in die Bruderstaaten und Reisen über Grenzen hinweg – Clemens stellt sich. Dabei begleiten ihn die sprichwörtlichen Weisheiten seiner Oma oder die Sprachlosigkeit der Norddeutschen, der Erzkumpel Malte und die Geliebte Claire, die Landschaften Mecklenburgs und in nah & fern, der eine oder andere Gedanke sowie drei Männer vom Stadtring. Doch irgendwann wird Clemens dieses Land spürbar zu klein für seine großen Pläne. Er entfernt sich, und macht sich schließlich auf den Weg.

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Uwe Romanski

Immer der Sonne nach, aber erst gegen Abend.

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Inhaltsverzeichnis

Titel Uwe Romanski Immer der Sonne nach, aber erst gegen Abend. Dieses ebook wurde erstellt bei

Prolog

I Wir hatten ja nichts.

II Wir brauchten nicht viel.

III Das Triumvirat vom Ring.

IV Leben und Lesen in MV.

V Geruchssinn.

VI Kein Käfer im Garten.

VII Das Rom des Nordens.

VIII Von wegen, meines Hüters Bruder.

IX Heraus zum 1. Mai!

X Ententanz im Shelli.

XI Alles streckt sich.

XII Standpauke. Standgericht.

XIII Heimatgeliebte.

So wahr mir Gott helfe, an den ich nicht glaubte. Von dem ich mir nichts erhoffte.XIV Unten rum.

XV Sport frei.

XVI Einsichten im Quadrat.

XVII Moskauer und andere Elegien.

XVIII Der Geist aus der Flasche.

XIX Das Blaue vom Himmel.

XX Kumm ock hoar.

XXI Die Türen beim Zoll.

XXII Wachttürme und Ruinen.

XXIII Kaltes Land mit warmen Zügen.

XXIV Atomtod = mausetot.

XXV Vor den Vätern brechen die Söhne.

XXVI Pegelstände.

XXVII Unaussprechliche Begegnungen.

Ganz anders erging es übrigens Malte - der konnte ein Lied von ihr singen!XXVIII Reif auf der Insel.

XXIX Aus der Bahn geworfen.

XXX Milchmädchenrechnung.

XXXI Fuchs und Igel auf dem Wehrkreiskommando.

XXXII Auszeit.

XXXIII Bilder einer Ausstellung.

XXXIV Flimmerstunde.

XXXV Brückenbauer.

XXXVI Eine runde Sache.

XXXVII Volle Kraft voraus.

XXXVIII Heimatweh.

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Was willst`n woanders?“

Wie meinst du das?“

Kommst du zurück?“

Ich hoffe nicht.“

Seit meiner Kindheit hatte ich diese Melodie im Ohr. Ich habe sie geliebt.

„Immer lebe die Sonne, immer lebe der …“

Obwohl, manchmal schämte ich mich, wenn ich dieses Lied so vor mich hin summte. Aber nur innerlich, nur für mich. Und wenn ich ehrlich bin, ich wusste nicht einmal genau, warum. Zumal ich mir schon morgens, wenn die Sonne aufging, bereits ausmalte, wo sie wieder untergehen würde. Dazwischen hatte ich sie ganz für mich; genauso wie angeblich alle Zeit der Welt oder alles noch vor mir. Das behaupteten jedenfalls einige Leute gern. Was soll ich dazu sagen?

Die hatten nun überhaupt keine Ahnung! Beides konnte eine Drohung oder ein Versprechen sein. Denn Zeit ist und bleibt etwas, da weiß man nie so richtig, was man von ihr halten soll. Die einen nehmen sie sich angeblich, die anderen stehlen sie einem. Dazu lauter vage Umschreibungen: Fünf vor Zwölf, rund um die Uhr oder letztes Stündlein!

Als käme es in unserem Leben auf einen bestimmten Moment an. Außerdem kann man Zeit nicht greifen, begreifen sowieso nicht und es gibt auch keinen anderen Namen für sie. Genauso wenig wie für die Liebe; oder für die Heimat. Aber, Heimat ist wieder ein ganz anderes Thema. Auch wenn sie sich genau wie die Zeit durch nichts ersetzen lässt. Jedenfalls nicht von uns. Und in punkto Liebe sah es vermutlich nicht viel besser aus. Dieses Sammelsurium auseinander zu klamüsern, würde eine Menge Arbeit bedeuten.

Ich wusste nicht, ob Einstein auch in dieser Richtung eine Idee hatte, die mich relativ überzeugt hätte. Mit Physik, Atomen und solchem Gedöns hatte ich es nicht so. Ich war einfach nicht in einem Alter, in dem mich abgründige Theorien, profane Gottesteilchen oder ähnlich abstrakter Kram interessierten. Außerdem wollte ich nicht tiefer in die Intimsphäre der Materie eindringen. Und könnte Einsteins ausgestreckte Zunge nicht zu guter Letzt auch nur ein Hinweis darauf sein, dass wir eben glücklicherweise nicht hinter alle Geheimnisse kommen würden? Oder, fatalerweise zu spät.

Kann sein, dass es prinzipiell ohnehin nicht um Erkenntnis ging, sondern um Trost. Zumindest, wenn man den alten Griechen glauben soll, die da vereinzelt meinten, es wäre sogar besser gewesen, man wäre gar nicht erst geboren worden.

Na, ich weiß ja nicht! Und falls da etwas dran wäre, dann hätte mir das bitte schön doch jemand vorher sagen können.

Weil ich nun also höchstens ahnte, was dieser ganze Schlamassel mit mir zu tun haben könnte, hielt ich mich lieber an das wahre Leben. Da ging es eher um uns und um Respekt. Wir wussten es bloß noch nicht. Wirklicher Respekt geht eh nur mit Distanz zur Welt um einen herum. Ich dachte mir, ein bisschen Abstand zu den Dingen, zu dieser Stadt und zu diesem Land konnte überhaupt nicht schaden.

Dabei fehlte es mir jedoch hin und wieder an Glauben, um mich in diesem Strudel aus Raum und Zeit und Jugend zu behaupten. Zumal es oft kein Strudel war, sondern ein zäher Brei, eine äußerst dickflüssige Suppe, die zwischen den Dimensionen von irgendwem am Köcheln gehalten wurde. Die hierhin und dorthin schwappte, um letztlich ein Spielchen mit uns zu spielen - ohne uns im Geringsten in dessen Regeln einzuweihen.

Doch ein fehlender Glaube war noch das kleinere Übel. Oft schien es hier sogar äußerlich eine Dimension zu wenig zu geben, in meinem Kopf hingegen manchmal eine zu viel. Deshalb avancierte ich lieber zum stillen Beobachter. An meiner Schule sagten sie nicht Glauben, sie sagten Weltanschauung dazu. Sie wussten alles besser!

Als hätte ich nichts anderes zu tun, als mir jeden Tag ihre verquere Welt anzuschauen. Obwohl es da Ungereimtheiten genug gab, die es zu beseitigen galt. Nur, ich glaubte einfach nicht, dass ich der richtige Mann dafür wäre und hielt mich in punkto Weltverbesserer eher bedeckt. Außerdem war ich auf Rückzug programmiert, während sie an ihren Fronten singend dem Morgenrot entgegen marschierten.

Gott sei Dank gingen ihnen irgendwann das Geld, ihren Kadern die Ideen und mir die Überzeugungen aus. Überdies war ich Sportler, und deshalb schneller fertig mit dem Staat, als er mit mir. Es war jedoch ein Wettrennen, auf das man besser nicht setzen sollte. Vor allem, weil ich nicht wusste, in welche Richtung es mit diesem Land gehen würde.

Denn wenn man verdammt nochmal nicht aufpasste, bauten sie hier eine Scheiße nach der anderen. Und wir müssten diese am Ende ausbaden. Zumal ich jeden Tag das Gefühl verspürte: Je mehr sich das Chaos im Kopf lichtete, desto chaotischer wurde die Welt um mich herum.

Für mich schien so vieles noch offen, aber das Land war zu. Darin hatte ich lebenslänglich bekommen. Ich lebte in einer geschlossenen Einrichtung, die sich Deutsche Demokratische Republik nannte. Drei Worte, von denen jedes für sich allein schon eine Lüge war.

Jedenfalls lag das Land auf eine behäbige Art darnieder und keiner kümmerte sich darum; eine Liegenschaft sozusagen. Doch was ich eigentlich sagen wollte, ließ sich in meinem Alter noch schwer beschreiben. Ich nannte es - zugegebenermaßen ein bisschen naiv - das menschliche Dilemma.

Es lag wohl daran, dass wir mehr Pläne als Zeit hatten und mehr Lust als uns lieb oder erlaubt war. Auch mit Gefühlen hatten wir es im Norden nicht so. Wer weiß, ob wir überhaupt Hormone oder solches Zeugs besaßen. Und wo wir gerade bei einer Art seelischer Inventur sind: Ich dachte öfter über Dinge nach, die in weiter Ferne lagen, den Tod oder etwas ähnlich Aussichtloses. Meine Oma meinte, das wäre so, weil ich eine Ader dafür hätte. Meine Brüder hatten recht unterschiedliche Ansichten dazu. Mein Vater fragte bei solchen Gelegenheiten, ob ich nichts Besseres zu tun hatte. Ich grübelte, welchen Sinn das Ganze haben könnte. Nur meine Mutter, als die Klügste, schwieg.

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