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Auf der Suche nach H. G. Wells Das Erbe der Macht Die Chronik der Archivarin 2 »Auf der Suche nach H. G. Wells« von Andreas Suchanek
Einordnung Die Ereignisse in diesem Roman spielen nach dem Finale der zweiten Staffel (Schattenkrieg) und vor dem Auftakt zur dritten Staffel der Reihe »Das Erbe der Macht«. Es wird empfohlen, die Mutterserie zuerst zu lesen. Alle Infos und die Reihenfolge findest du auf: www.erbedermacht.de
Prolog
1. Im Zeichen des Bösen
2. La Magie
3. Die Magier von Paris
4. La Maison du Conseil
5. Eine neue Welt
6. Der Hilferuf
7. Stabtanz
8. Verwirrspiel
9. Die Zusammenkunft
10. Flucht
11. Schöne neue Welt
12. Die Schatten der Revolution
13. Wer suchet, der findet
14. Antworten
15. Die Spur von H. G. Wells
16. Ein eisiger Empfang
17. Neue Bekanntschaften
18. Ansatzpunkte
19. Nichego
20. Konfrontation
21. In die Tiefe
22. Allianz aus alter Zeit
23. Der zweite Ritter
24. Entscheidungen
25. Hass
26. Inferno
27. Gestrandet
28. Der geschlossene Kreis
29. Die Verfolgung
30. Der erste Sitz
31. Dein wahrer Name
32. Das letzte Antlitz
33. Abschiede
34. Anfang und Ende
Epilog
Seriennews
Glossar
Impressum
Das Erbe der Macht
Die Chronik der Archivarin 2
»Auf der Suche nach H. G. Wells«
von Andreas Suchanek
Die Ereignisse in diesem Roman spielen nach dem Finale der zweiten Staffel (Schattenkrieg) und vor dem Auftakt zur dritten Staffel der Reihe »Das Erbe der Macht«. Es wird empfohlen, die Mutterserie zuerst zu lesen.
Alle Infos und die Reihenfolge findest du auf: www.erbedermacht.de
Die eine Seite der Münze …
Tick, tack. Unbeirrt wanderten die Zeiger über das Rund des Messings, drehten sich die unhörbaren Zahnräder der Zeit. Unbarmherzig. Bedingungslos. Endlich. Mit jeder verstreichenden Sekunde kam die Dunkelheit näher.
Die Menschheit hatte die Kontrolle über ihre eigenen Waffen verloren. Immer wieder sah er es vor sich. Die Pressemeldungen, die vom Sieg kündeten. Einem Sieg, für den Millionen ausgelöscht worden waren. Was er hinterließ, war eine Hoffnung. Vielleicht würde der Richtige jene Worte lesen, die Herbert niedergeschrieben hatte. Sein Vermächtnis war ein Blick zurück auf die Geschichte.
Darüber hinaus konnte er nichts mehr beitragen.
Das Ende seines Lebens nahte mit großen Schritten. Er hustete, schaute durch das Fenster auf das verregnete London. Stets hatte er sich gefragt, wie es wohl passieren würde. Bei einem seiner zahlreichen Besuche in den Ländern der Welt? Während er ein Manuskript tippte? Oder in einer hitzigen Diskussion mit einem Kollegen?
Nichts davon traf zu.
Herbert lag in seinem Bett und spürte die Kraft aus sich herausströmen. Vielleicht war es gut so. Längst war er gezeichnet von der verdammten Krankheit, und doch waren ihm viele Jahre vergönnt gewesen.
»Ich hatte eine Stimme«, flüsterte er.
Mehr, als viele andere seiner Zunft zu Lebzeiten besaßen. Er hatte den Wechsel eines Jahrhunderts erlebt, war Zeuge zweier Kriege gewesen. Den ersten hatten sie noch ›den großen Krieg‹ genannt. Die Titanen waren an ihm zerbrochen, alte Grenzen ausgelöscht und neu gezogen worden.
Den zweiten bezeichneten sie als ›Weltkrieg‹, und das hatte er auch verdient. Unsagbares Grauen war über sie alle hereingebrochen. Ideologien, die dem Gedankenwerk eines Teufels entsprungen schienen. Waffen, die an den Grundfesten des Seins rüttelten.
Im Geist sah Herbert den gewaltigen Pilz emporsteigen, den sie gefeiert hatten. Einer, der den Weltkrieg endgültig beendete und doch eine unsagbare Gefahr für die Zukunft darstellte.
»Sie haben entfesselt, was sie nicht kontrollieren können«, flüsterte er in die Stille.
Moura war fort, würde erst in wenigen Stunden zurückkehren. Zu spät, das fühlte er. Die Dunkelheit kam rasch näher.
Wie gerne hätte er seine Stimme weiter erhoben, gegen die Idioten an den Schalthebeln der Macht angebrüllt. Doch seine Zeit war abgelaufen.
Was blieb, waren seine Bücher. Sein Name würde überdauern. Doch auch seine Botschaft?
Er wünschte der Nachwelt alles Glück dieser Erde und versuchte, keine Angst zu haben.
Tick, tack.
In diesem Moment hasste er die Zeit. Und liebte sie. Er wollte mehr davon, doch nicht länger Schmerzen verspüren. Wollte loslassen, doch weiter gestalten. Sie sollten seine Worte lesen, doch seine Stimme nie vergessen.
Die Dunkelheit war heran. Sie kam als sanfte Melodie, die ihn umfing.
H. G. Wells ließ sein irdisches Leben los, um eins zu werden mit der Ewigkeit. Die Zitadelle nahm ihn auf. Und seine Wacht begann.
… die andere Seite der Münze.
»Onna Bugeisha.«
Ihre Worte waren brüchig. Wie das Papier in der Bibliothek, das vom Alter gezeichnet kaum noch lesbare Schrift enthielt. Die Tinte war verblasst, wie es auch mit Tomoes Kraft geschehen war.
Die Mauern des Klosters waren ihr Zuhause geworden, boten Schutz, waren jedoch ebenso Gefängnis. Sie blickte aus der Pagode hinaus auf die weiten Felder. Wie oft hatte sie Nächte unter dem Sternenhimmel verbracht. Wie oft darunter gekämpft und Blut vergossen.
Mit einem Lächeln dachte sie zurück an Sensei Yamamoto. Sein langer weißer Bart, der sich wie ein gefärbter Fluss bis zum Boden schlängelte. Seine hagere Gestalt, die Arme dünn wie morsches Geäst. Doch zog er sein Katana, wurde er zu einem wirbelnden Sturm, dem niemand standzuhalten vermochte.
Damals hatte es begonnen.
Aus dem Mädchen war eine Kriegerin geworden.
Anfangs hatten sie noch ihr Aussehen gelobt. Die alabasterfarbene Haut, das lange schwarze Haar, das bezaubernde Gesicht mit den hohen Wangenknochen.
Später war es die Kunst gewesen, mit der sie das Pferd an den Zügeln davonpreschen ließ. Die Genauigkeit, mit der sie einen Pfeil durch ein gefärbtes Blatt schoss. Ihre fließenden Bewegungen beim Kenjutsu, wenn sie das Schwert führte und niemals verlor.
Und doch, das hatte sie erst viel später begriffen, war sie stets ein Instrument gewesen. Sie hatte das Haupt gebeugt und gedient. Blut vergossen, flammende Pfeile abgefeuert und die Klinge geführt, um Haut zu teilen.
Das Leben brachte Weisheit, doch ebenso unweigerlich den Tod.
Mit einundneunzig Jahren war Tomoe noch immer in Bewegung, studierte Schriften und meditierte. Das Ende glitt jedoch auf sie zu wie der Meistersamurai aus den Schatten.
Gegen diesen Feind konnte sie kein Katana führen, keinen Pfeil schießen, kein Pferd besteigen und davonreiten. Er fand sie überall.
Tomoe trat aus der Pagode und stellte sich in den Wind. In ihren Händen hielt sie eine Schale mit feinem Grüntee. Es war der dritte Aufguss. Sie sog den Duft des Blattes ein, trank mit vorsichtigen Schlucken.
Die Luft war warm, doch der Wind hatte aufgefrischt. In der Ferne verdunkelte sich der Himmel. Mit einem Mal lag die Spannung in der Luft, die sie so sehr liebte. Pure Kraft, die davorstand, sich zu entladen. Die Gewalten der Natur, die den Menschen verdeutlichte, dass sie keine Götter waren.
Es war schön.
Und grausam.
Tomoe schritt zurück zum Haupthaus, den Körper kerzengerade, den Rücken durchgestreckt. Ihr Kimono flatterte. Auf ihn gestickt waren Zeichen des Schutzes. Das Kleidungsstück war das Geschenk eines alten Freundes, der längst gegangen war. Doch während sie ein gewöhnlicher Mensch war, hatte er zu jenen gehört, die Magie in sich trugen.
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