an.
Der Zauberer stürzte ganz wüthend vor Zorn heraus
und schimpfte den König wie einen alten Schuhlappen
herunter, weil er einen solchen unbändigen
Narren mit sich führte, und sagte: daß ihm der König
nicht den geringsten Schaden, den ihm der Narr zugefügt
hatte, ersetzen könnte, nachdem er nicht einmal
im Stande sei, seine alte Schuld auszugleichen. Aber
da ergriff der Hofnarr das Wort und sagte: »O ja, er
ist es schon im Stande!« Und der König rückte mit
den sechs Scheffeln Geld heraus, die ihm der Bursche
geliehen hatte. Die wurden dann abgemessen, und
alles stimmte genau. Darauf hatte der Zauberer freilich
nicht gerechnet, aber er konnte nichts dagegen
einwenden. Die alte Schuld war also richtig bei Heller
und Pfennig bezahlt und der König erhielt seine
Schuldverschreibung wieder zurück. Aber damit war
der Schaden, der dem Zauberer heute zugefügt worden,
noch nicht ersetzt und der König hatte auch
nichts, um ihn zu bezahlen. Da sprach der Zauberer
das Urtheil über ihn aus, daß er entweder drei Fragen,
die er ihm aufgeben werde, richtig beantworten
müsse, oder doch enthauptet werden solle, wie es im
Contract der alten Schuld stand.
Da blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen,
des Zauberers Räthsel aufzulösen. Der Narr stellte
sich knapp an die Seite des Königs, während der Zauberer
mit seinen Fragen herausrückte. Und zuerst
fragte er: »Wo ist meine Tochter?« Da ergriff der
Narr das Wort und sagte: »Sie ist unten auf des Meeres
Grund.« – »Woher weißt du das?« fragte darauf
der Zauberer. »Das hat der kleine Fisch gesehen,«
antwortete der Narr. »Würdest du sie erkennen?«
fragte der Zauberer weiter. »O ja, komme nur her mit
ihr,« erwiderte der Hofnarr. Da ließ der Zauberer eine
ganze Reihe von Mädchen an ihm vorbeigehen, eins
hinter dem andern; aber das waren nichts als Schatten,
Schein und Blendwerk. Beinahe zu allerletzt kam
wirklich des Zauberers Töchterlein. Das zupfte den
Narren im Vorbeigehen, daß er es spüren konnte,
denn es zwickte ihn so in den Arm, daß er beinahe
laut aufgeschrien hätte. Aber er that es doch lieber
nicht, sondern faßte sie rasch um den Leib und hielt
sie fest. Jetzt sah der Bursche schon selbst, daß er das
rechte Mädchen getroffen, und der Zauberer mußte
zugestehen, daß sein erstes Räthsel gelöst war.
Jetzt fragte er weiter: »Aber wo ist mein Herz?« –
»Das ist in einem Fisch,« antwortete der Hofnarr.
»Kennst du diesen Fisch auch?« fragte der Zauberer.
»Ja, lasse ihn nur herkommen!« war die Antwort des
Narren. Da kamen alle Fische vorbeigeschwommen,
und währenddem stand seine Liebste, des Zauberers
Töchterlein an seiner Seite. Als ganz zuletzt der
Rechte kam, gab sie ihm einen leisen Puff und er ergriff
so rasch als möglich den Fisch, stieß ihm das
Messer in den Leib, schlitzte ihn auf, riß ihm das
Herz heraus und schnitt dieses mitten entzwei.
Da fiel im selben Augenblick der böse Zauberer
todt um und in lauter Kieselsteine auseinander. Und
alle Fesseln, die der Zauberer gelegt hatte, sprangen
zu gleicher Zeit; und alle die wilden Thiere und
Vögel, die er zusammengefangen und unter der Erde
eingeschlossen hielt, kamen jetzt hervor und zerstreuten
sich im Walde und in der Luft. Und der Bursche
ging mit seiner Liebsten in das Schloß, das nun ihnen
gehörte, und da hielten sie ihre Hochzeit, und alle Könige,
die ringsumher regierten und sämmtlich Schuldner
des Zauberers, jetzt aber von allen Schulden befreit
waren, kamen zur Hochzeitsfeier und erwählten
den Burschen zu ihrem Kaiser, und er regierte sie in
Frieden miteinander und lebte mit seiner schönen
Frau Kaiserin in Herrlichkeit und Freuden auf seinem
Schlosse. Und wenn sie seitdem noch nicht gestorben
sind, so leben sie heute noch.
Die weiße Taube.
Es war einmal ein König und der hatte zwei Söhne.
Das waren ein paar recht verwegene Burschen, denen
alle Augenblicke eine andere Tollheit im Kopfe steckte.
So ruderten sie eines Tags in einem kleinen Nachen
allein ins weite Meer hinaus. Anfangs hatten sie
das schönste Wetter, als sie hinausruderten; kaum
waren sie aber eine Strecke weit vom Land entfernt,
erhob sich ein furchtbarer Sturm. Die Ruder wurden
ihnen gleich weggerissen und das kleine Boot schaukelte
wie ein Nußschälchen auf den wilden Wogen
auf und nieder, und wurde so hin- und hergeschleudert,
daß die Prinzen nichts anderes thun konnten, als
sich so fest als möglich an den Ruderbänken anzuhalten,
um nicht über Bord geworfen zu werden.
Da trafen sie auf ein wunderliches Fahrzeug, und
das war ein Backtrog, in dem ein einzelnes altes Weib
saß. Sie rief ihnen zu und sagte, daß sie glücklich ans
Land kommen könnten, wenn sie ihr den Sohn, den
ihre Mutter, die Königin bald bekommen werde, dafür
versprechen wollten. »Das können wir nicht!« riefen
die beiden als Antwort, »er gehört nicht uns und so
können wir ihn auch nicht hergeben.« – »Ja, dann
könnt ihr meinetwegen alle beide auf dem Grund des
Meeres verfaulen,« sagte das alte Weib; »und ich
möchte fast glauben, daß eure Mutter lieber ihre zwei
Söhne, die sie schon hat, behalten wollen wird, als
einen der erst auf die Welt kommen soll.«
Damit ruderte sie in ihrem Backtrog davon, während
der Sturm noch lauter als vorher heulte und das
Wasser das Boot der beiden Prinzen allmählich füllte,
sodaß sie bereits nahe daran waren unterzusinken. Da
dachten die Prinzen, daß doch etwas daran sei an
dem, was das Weib gesagt hatte, und sie s e l b s t
wollten auch gerne ihr Leben retten, und sie riefen
dem Weibe nach und versprachen ihr, daß sie bekommen
solle, was sie verlangte, nämlich ihren noch ungebornen
Bruder, wenn sie sie nur erretten wollte aus
dieser gräßlichen Lebensgefahr, in der sie sich da auf
dem offenen Meer befanden. Im selben Augenblick
legte sich der Sturm und hörte zu heulen auf, die Wellen
und Wogen beruhigten sich plötzlich und der Nachen
trieb mit den beiden unversehrten Prinzen vor
des Königs Schloß. Sie kamen also gut heim und
wurden mit offenen Armen von Vater und Mutter
empfangen, die schon eine gräßliche Angst ihretwegen
ausgestanden hatten.
Die Brüder sagten aber gar nichts von ihrem Versprechen;
jetzt nicht und auch dann nicht, als die Königin
den dritten Sohn, einen hübschen Knaben, den
sie über alles in der Welt liebte, gebar. Er wurde aufgezogen
und erzogen und unterrichtet und belehrt am
Hofe seines Vaters bis er erwachsen war, aber noch
immer hatten seine Brüder von der Hexe nichts gesehen
und nichts gehört, der sie ihn versprochen, bevor
er noch geboren war.
Da erhob sich eines Abends plötzlich ein schrecklicher
Sturm mit Finsterniß und Nebel; es brauste und
sauste um den Hof des Königs und zugleich pochte es
heftig an der Thüre des Saales, in welchem sich der
jüngste Prinz befand. Da ging er zur Thüre hin und
öffnete, und vor ihm stand ein altes Weib mit einem
Backtrog am Rücken und sagte zu ihm, daß er ihr augenblicklich
folgen müsse, denn seine Brüder hätten
ihr ihn dafür versprochen, daß sie ihnen das Leben
rettete. »Ja, wenn du meinen Brüdern das Leben gerettet
hast und sie mich dir dafür versprochen haben,
dann will ich dir auch folgen,« antwortete der Königssohn.
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