Das war zwar ein sehr unruhiges Leben, aber endlich
gewöhnte er sich daran, als er merkte, daß keine Gefahr
für ihn dabei war; und schließlich machte es ihm
sogar Spaß, alle die vielen Jäger sammt ihren Hunden,
die so sehr auf ihn versessen waren, zum Narren
zu halten.
So ging es ein ganzes Jahr, und als dieses um war,
rief ihn der Zauberer heim, denn er stand ja jetzt auch
in seiner Macht, wie alle anderen Thiere. Dann sagte
der Zauberer abermals einige Worte zu ihm, die er
nicht verstand, und augenblicklich war aus dem
Hasen wieder ein Mensch geworden. »Nun, wie gefällt
dir dein Dienst bei mir?« fragte der Zauberer,
»und wie gefällt es dir, ein Hase zu sein?« – »Oh, es
gefällt mir recht gut,« erwiderte der Knabe, »nie
konnte ich früher so schnell über Grund und Boden
dahin laufen.« Darauf zeigte ihm der Zauberer den
Scheffel Geld, den er schon verdient hatte, und der
Knabe war es wohl zufrieden, ihm auch das nächste
Jahr zu dienen.
Am ersten Tag des neuen Dienstjahres hatte er die-
selbe Arbeit zu verrichten, wie im vorigen Jahr: er
mußte wieder alle Thiere im Stalle des Zauberers füttern.
Und als er das gethan, sagte der Zauberer abermals
einige Worte zu ihm, und da flog er als Rabe
verwandelt hoch in die Luft empor. Das gefiel dem
Knaben recht gut, denn jetzt konnte er ja noch viel
schneller weiter kommen, als da er als Hase herumlief,
und hier konnten ihn auch keine Hunde hetzen,
so daß er rein zum Vergnügen herumfliegen konnte.
Aber gar bald merkte er, daß er auch hier keinen Frieden
hatte, wenn auch keine Gefahr für ihn vorhanden
war; denn alle Schützen und Jäger, die ihn erblickten,
nahmen ihn auf's Korn und knallten los, denn es war
weit und breit kein anderer Vogel als der Rabe zu
sehen, weil der Zauberer alle eingefangen hatte.
Aber er gewöhnte sich auch daran, als er merkte,
daß ihn niemand treffen konnte; und so flog er das
ganze Jahr herum, bis ihn der Zauberer wieder heim
rief und dann einige Worte zu ihm sagte, die ihm
seine menschliche Gestalt zurückgaben. »Nun, wie
gefiel es dir, als Rabe herumzufliegen?« fragte ihn der
Zauberer. »Oh, es gefiel mir recht gut, denn alle
meine Lebtage konnte ich früher nicht so hoch in die
Luft hinaufkommen.« Darauf zeigte ihm der Zauberer
die zwei Scheffel Geld, die er sich in diesem Jahre
verdient hatte und die an der Seite des einen Scheffels
vom vorigen Jahr standen. Und der Knabe blieb gerne
noch das dritte Jahr in des Zauberers Diensten.
Am nächsten Tag bekam der Knabe seine alte Arbeit:
nämlich alle wilden Thiere zu füttern. Und als es
geschehen war, sagte der Zauberer wieder einige
Worte zu ihm, und aus dem Knaben war dabei ein
Fisch geworden, der hinaus in den Waldbach sprang.
Er schwamm darin auf und nieder und es unterhielt
ihn ausgezeichnet, sich so mit dem Strome treiben zu
lassen; und schließlich schwamm er bis ins Meer hinaus,
und da schwamm er immer weiter und weiter, bis
er einmal zu einem gläsernen Schloß kam, das auf
dem Grunde des Meeres stand. Er konnte in alle Zimmer
und Säle hineinschauen, und da sah es prächtig
darin aus: alles Hausgeräthe war aus weißem Wallfischbein
gemacht und mit Gold und Perlen eingelegt
und mit den weichsten Kissen in allen Regenbogenfarben
gepolstert, und ringsum lagen Teppiche, die
wie das feinste Moos aussahen; und auch Blumen und
Bäume waren da mit wunderlich gekrümmten Zweigen
und Aesten, die sowohl grün und gelb, als roth
und weiß waren. Und kleine Springbrunnen quellten
aus den kunstreichsten Schneckenhäusern empor und
ließen ihr Wasser in klare Muschelschalen niederfallen
und machten damit die lieblichste Musik, die das
ganze Schloß erfüllte. Aber das allerschönste von
allem war doch ein kleines junges Mädchen, das da
ganz allein herumging. Das Mädchen ging von einem
Zimmer ins andere, aber man konnte nichts davon
sehen, daß es auch eine Freude an all' der Pracht, die
es umgab, gehabt hätte. Es ging so traurig in seiner
Einsamkeit umher, und es fiel ihm nicht einmal ein,
sich in den blanken Glaswänden, die sich ringsumher
befanden, zu spiegeln, wiewohl es doch das Schönste
und Niedlichste war, das man nur sehen konnte. Und
dasselbe meinte auch der Knabe, während er rund um
das Schloß herumschwamm und von allen Seiten hineinguckte.
»Da möchte ich doch zehnmal lieber ein Mensch
sein, als so ein armer, stummer Fisch, wie ich jetzt
einer sein muß,« sagte der Knabe zu sich selbst. »Wer
nur darauf kommen könnte, was für Worte der Zauberer
immer spricht, wenn er mich verwandelt.« Er
schwamm und grübelte und dachte nach, bis es ihm
endlich einfiel, wie die Formel lautete, die der Zauberer
sprach. Und da probirte er es sogleich, sie vor sich
hin zu sagen: – und im selben Augenblick stand er
auch schon als Mensch unten auf dem Grunde des
Meeres.
Da beeilte er sich in das gläserne Schloß hinein zu
kommen und ging zu dem jungen Mädchen hin und
sprach es an, das darüber beinahe auf den Tod erschrak.
Aber er redete dem Mädchen so freundlich zu
und erklärte ihr, wie er da herunter gekommen, so daß
es sich bald wieder von seinem Schrecken erholte und
dann recht froh war über die Gesellschaft, die es in
seiner greulichen Einsamkeit, in der es seine Tage
verbringen mußte, gefunden. Die Zeit verging nun den
beiden so rasch, daß der Bursche, – denn jetzt war er
ja schon ein vollkommener Bursche geworden und
längst kein Knabe mehr – ganz und gar vergaß, wie
lange er da gewesen war.
Eines Tages sagte das Mädchen zu ihm, daß es nun
an der Zeit sei, daß er sich wieder in einen Fisch verwandle,
denn der Zauberer werde ihn jetzt bald heimrufen
und er müsse dann fort. Aber noch vorher müsse
er seine Fischgestalt haben, sonst könne er nicht lebend
durchs Meer kommen. Jedoch schon früher, als
er so da unten war, hatte es ihm gesagt, daß es eine
Tochter desselben Zauberers sei, bei dem der Bursche
diente, und der hatte sie hier unten eingeschlossen,
damit er ruhig sein konnte, daß sie hier vollkommen
sicher wäre. Des Zauberers Tochter hatte nun einen
Rath ausfindig gemacht, wie sie es vielleicht ermöglichen
könnten, sich wiederzusehen und sich dann zu
bekommen und die Erlaubniß zu erhalten, bei einander
bleiben zu dürfen. Aber dazu waren viele Dinge
zu beobachten, und er mußte sehr genau Acht auf
alles geben, was sie ihm sagte.
Sie erzählte ihm, daß alle Könige in den Ländern
rings umher dem Zauberer, ihrem Vater Geld schuldig
seien; und der König in jenem Königreiche, dessen
Namen sie ihm jetzt nannte, komme zunächst an die
Reihe, seine Schuld bezahlen zu müssen; und konnte
er zur rechten Zeit nicht bezahlen, so sollte er enthauptet
werden. »Und er kann nicht bezahlen,« sagte
sie, »das weiß ich ganz bestimmt.« – »Nun mußt du
vor allem deinen Dienst bei meinem Vater kündigen,
denn jetzt sind die ausbedungenen drei Jahre um und
du kannst wieder weiter ziehen. Drum nimm deine
sechs Scheffel Geld und wandere in das Königreich,
das ich dir vorher bezeichnete, und tritt bei dem
König desselben in Dienste. Wenn es nun gegen d i e
Zeit geht, da, wie ich dir gesagt habe, die Schuld fällig
ist, dann wirst du leicht bemerken, daß der König
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