Dann gingen sie zusammen zum Strand hinunter
und er mußte sich mit der Hexe in den Backtrog
setzen, und sie segelte mit ihm fort übers Meer, oder
über eine Bucht des Meeres, heim in ihre Wohnung.
Nun war der Königssohn in der Gewalt der Hexe
und in ihren Diensten. Das erste, was er von ihr zu
thun bekam, war, daß er Federn schleißen sollte.
»Diesen Haufen Federn, den du hier siehst, mußt du
bis heute Abend, wenn ich wiederkomme, fertig geschlissen
haben,« sagte die Hexe, »sonst bekommst
du eine noch viel schwerere Arbeit.« Er machte sich
gleich darüber und zupfte und schliß, bis nur noch
eine einzige Feder übrig war, die er noch nicht in der
Arbeit gehabt hatte. Da erhob sich plötzlich ein Wirbelwind
und zauste alle Federn herum und fegte sie
auf dem Boden wieder zu einem Haufen zusammen,
daß sie so dalagen, wie sie gelegen als sie noch nicht
geschliffen waren. So mußte er seine Arbeit von vorne
an beginnen; aber es fehlte nur noch eine Stunde bis
zum Abend, an dem ja die Hexe zurück nach Hause
kam, und er sah leicht ein, daß es ihm rein unmöglich
war, zur bestimmten Zeit fertig zu werden.
Da hörte er etwas an der Fensterscheibe picken und
eine feine Stimme sagte: »Laß mich herein, dann will
ich dir helfen!« Und das war eine weiße Taube, die
vor dem Fenster saß und mit dem Schnabel an die
Scheibe pickte. Er öffnete und die Taube flog herein
und begann sofort mit dem Schnabel alle Federn auseinander
zu schleißen. Und ehe eine Stunde vorüber
war, lagen alle Federn wundernett geschlissen da; die
Taube flog zum Fenster hinaus und im selben Augenblick
kam auch die Hexe zur Thüre herein.
»Schau, schau!« sagte die alte Hexe, »das ist ja
mehr als ich dir zugetraut hätte, daß du die Federn so
hübsch in Ordnung bringen konntest! Es muß doch
etwas besonders Flinkes in den Fingern von so einem
Königssohn stecken.« Am andern Morgen sagte dann
die Hexe zu dem Prinzen: »Für heute sollst du eine
ganz leichte Arbeit bekommen. Hier draußen vor der
Thüre habe ich einen Haufen Brennholz liegen, das
sollst du mir alles klein spalten, damit ich es zum
Feuermachen brauchen kann. Das ist schnell geschehen,
aber du mußt fertig werden, bis ich wieder heimkomme.
«
Der Prinz bekam eine kleine Hacke und begab sich
sogleich an die Arbeit. Er hackte und spaltete munter
drauf los, und es schien ihm, als ginge es recht rasch
von der Hand, aber der Tag verging, und Mittag war
längst vorbei und er war bei weitem noch nicht fertig.
Es schien ihm, als würde der Holzstoß eher größer als
kleiner, so viel er auch davon wegnehmen mochte. Da
ließ er die Hände sinken, trocknete sich den Schweiß
von der Stirne und es wurde ihm recht übel zu Muthe,
denn er wußte ja, daß es ihm nicht gut ergehen würde,
wenn er bis zur Heimkunft der Hexe nicht fertig mit
seiner Arbeit wäre.
Da kam die Taube geflogen, setzte sich auf den
Holzstoß, girrte und sagte: »Soll ich dir helfen?« –
»Ja, ich danke dir recht schön dafür, daß du mir gestern
geholfen und heute helfen willst!« sagte der Königssohn.
Und sogleich machte sich die weiße Taube
an die Arbeit und spaltete ein Scheit Holz nach dem
andern mit ihrem Schnabel. Und es ging so schnell,
daß ihr der Königssohn das gespaltene Holz gar nicht
schnell genug wegräumen konnte. Und in kürzester
Zeit war alles Holz in ganz kleine Spähne gehackt
und gespalten.
Darauf flog die weiße Taube zu ihm hin und setzte
sich auf seine Schulter; und der Prinz dankte ihr,
schmeichelte und streichelte ihr die weißen Federn
und küßte sie auf den kleinen, rothen Schnabel. Da
war plötzlich keine Taube mehr da, sondern eine blühend
schöne Jungfrau stand an seiner Seite. Sie erzählte
ihm dann, daß sie eine Prinzessin sei, die die
Hexe entweder gestohlen oder auf dieselbe Weise, wie
jetzt ihn, in ihre Gewalt bekommen und dann zur
Taube verwünscht habe. Mit seinem Kuß aber bekam
sie ihre menschliche Gestalt wieder; und wenn er ihr
treu bleiben und sie zur Frau nehmen wolle, so könne
sie sowohl ihn, als sich selbst leicht aus der Gewalt
der Hexe befreien.
Der Königssohn war sogleich ganz eingenommen
von der Schönheit der Prinzessin und gerne bereit,
alles was immer zu thun, um sie für sich zu gewinnen
und als Gemahlin zu bekommen. Da sagte sie zu ihm:
»Wenn jetzt die Hexe heimkommt, so bitte sie, dir
einen Wunsch zu erfüllen, weil du alles, was sie dir
aufgetragen, so gut verrichtet hast. Und wenn sie »Ja«
sagt, so bitte sie gerade heraus um die Prinzessin, die
sie hier auf ihrem Hof hält und die jetzt als weiße
Taube herumfliegen muß. Zuerst mußt du mir aber
einen rothen Seidenfaden um den kleinen Finger win-
den, damit du mich in jeder Gestalt, in die sie mich
verwandeln wird, immer sogleich wiedererkennst.«
Der Prinz wand ihr schnell einen rothen Seidenfaden
um den kleinen weißen Finger und im selben Augenblick
war die Prinzessin wieder eine Taube und
flog davon. Und gleich nach ihr kam die alte Hexe mit
ihrem Backtrog auf dem Rücken heim. »Na, das muß
ich sagen,« rief sie verwundert aus, »du bist flink bei
deiner Arbeit; und so etwas sind Prinzenhände doch
sonst nicht gewöhnt!« Da sagte der Königssohn:
»Weil Ihr so zufrieden seid mit meiner Arbeit, werdet
Ihr mir wohl auch ein kleines Vergnügen bereiten
wollen und mir etwas geben, das ich zu besitzen Lust
hätte?« – »O ja, recht gerne,« sagte das Weib, »und
was ist es denn, was du haben willst?« – »Ich möchte
die Prinzessin, die sich hier auf deinem Hof befindet
und als weiße Taube verwandelt herumfliegt,« antwortete
der Prinz. »Ah, papperlapapp!« rief die Hexe,
»wie kommst du denn auf den Gedanken, daß Prinzessinnen
in meinem Hofe als weiße Tauben herumfliegen.
Aber wenn du schon durchaus eine Prinzessin
haben willst, so sollst du auch eine solche bekommen,
wie wir sie hier auf dem Hofe haben.« Und dann kam
sie dahergeschleppt mit einer kleinen, grauwolligen
und langohrigen Eselin. »Willst du diese haben?«
fragte das Weib; – »eine andere Prinzessin kannst du
nicht bekommen.«
Jetzt strengte der Königssohn seine Augen scharf
an und sah den kleinen rothen Seidenfaden um den
einen Huf der Eselin gewunden, und da sagte er
gleich: »Ja, die ist mir schon recht, gieb sie nur
her!« – »Ah, was willst du denn damit machen?«
fragte die Hexe. »Ich will darauf reiten,« antwortete
der Prinz. »Ja, thue es nur!« rief die Hexe und zog
aber zugleich die Eselin fort. »Wo kommt denn meine
Eselin hin?« sagte der Prinz, »sie gehört ja mein und
ich will sie haben!« – »Ja, ganz gewiß!« erwiderte die
Hexe und kam mit einem alten, runzlichen zahnlosen
Weib, das an den Händen zitterte, daher. »Eine andere
Prinzessin kriegst du nicht,« sagte sie, »willst du
diese haben?« – »Ja, die will ich,« antwortete der
Prinz, denn er hatte seinen rothen Seidenfaden am
Finger des alten Weibes schon gesehen.
Da wurde die Hexe so fuchsteufelswild, daß sie
tobte und herumfuhr und alles in Stücke schlug, was
sie nur erreichen konnte, so daß die Scherben dem
Prinzen und der Prinzessin, welche jetzt in ihrer eigenen
schönen Gestalt dastand, um die Ohren flogen
und sausten.
Darauf sollten sie also Hochzeit halten, denn die
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