etwa acht Tagen kam der Bauer wiederum, um sein
Kalb zu hören und zu sehen wie es ihm ginge. Aber
der Küster sagte, daß er es noch nicht sehen dürfe,
sonst bekäme der Peter zu großes Heimweh und
möchte am Ende alles wieder vergessen, was er schon
gelernt habe. Sonst ginge es aber recht gut mit dem
Lernen, aber der Bauer müsse noch mit weiteren hundert
Thalern herausrücken, weil der Peter noch
m e h r Bücher brauche. Der hatte das Geld gerade
bei sich und gab es dem Küster und ging wieder voll
der schönsten Hoffnungen nach Hause.
Und nachdem abermals acht Tage vorüber waren,
ging der Mann wieder zum Küster um sich zu erkundigen,
welche Fortschritte der Peter bis jetzt gemacht
habe. Es ginge schon leidlich gut, sagte der Küster.
»Ja, kann er denn schon etwas reden?« fragte der
Bauer. »Ja,« antwortete der Küster, »er kann
» M e h « sagen.« – »Ach, das arme Vieh ist gewiß
krank!« rief der Bauer aus; »M e t h wird der Peter
wollen! Da muß ich ihm doch gleich einen Krug voll
holen und ihm eingeben.« – »Da thust du wohl
daran,« sagte der Küster drauf, »der wird dem Peter
sicherlich gut thun.« Und noch am gleichen Tag
brachte der Bauer einen ganzen Krug voll guten alten
Meth daher. Den trank aber der Küster selbst und gab
dem Kalb lieber Milch, die diesem gewiß besser that
als der Meth, wie er glaubte.
Acht Tage später kam der Mann wieder, um zu erfahren,
was Peter j e t z t sagen könnte. »Er will noch
immer nichts anderes sagen als: Meh!« sagte der Küster.
»Ah! das ist doch ein feiner Schelm,« rief der
Bauer aus, »also will er noch mehr Meth haben? –
Nun, den will ich ihm wahrhaftig gerne kaufen, wenn
er ihm nur schmeckt. – Aber wie geht's denn sonst mit
dem Lernen?« – »Ja,« antwortete der Küster, »er ist
so weit gekommen, daß er noch um hundert Thaler
Bücher braucht, denn er kann aus d e n Büchern, die
er schon bekommen hat, nichts Richtiges mehr lernen.
« – »Nun ja!« antwortete der Bauer, »was er
braucht, das soll er auch haben.« Am gleichen Tag
brachte er dann dem Küster noch die dritten hundert
Thaler für Bücher und einen Krug mit gutem alten
Meth für den Peter.
Dann vergingen einige Wochen, ohne daß sich der
Mann nach dem Peter erkundigt hätte, denn er hatte
schon eine gewisse Angst davor, daß ihm dies neue
hundert Thaler kosten würde; und die hätte er nur
mehr mit Sträuben hergegeben, denn es that ihm allmählich
leid um das viele schöne Geld, das ihm Peters
Unterricht schon kostete. Inzwischen meinte der
Küster, das Kalb sei jetzt so fett geworden, als es
überhaupt fett werden konnte, und darum schlachtete
er es. Und als er dann alles Fleisch vorsichtig auf die
Seite gebracht hatte, ging er hin und zog seine
schwarzen Kleider an und ging dann zu den Bauersleuten
hin. Sobald er ihnen einen »Guten Tag« gewünscht
hatte, sagte er: »Der Peter ist doch wohl
schon zu Euch da h e i m gekommen?« – »Nein,
wahrhaftig nicht!« erwiderte der Bauer, – »er wird
doch nicht davongelaufen sein?« – »Ah, ich will nicht
hoffen,« – antwortete der Küster darauf, – »daß er
jetzt, nachdem ich mir so viel Mühe mit ihm gegeben
und ihm etwas Richtiges gelernt habe, noch so heimtückisch
böse sein sollte und mein Vertrauen s o mißbrauchen
würde! Denn ich habe mindestens noch hundert
Thaler von meinem eigenen Geld zu Büchern für
ihn ausgelegt, bis ich ihn endlich so weit brachte. Nun
konnte Peter schon alles reden, was nur vorkam und
was er nur wollte; und so sagte er heute, daß er sich
schon gar so sehr sehne, seine Eltern einmal wiederzusehen.
Da ich ihm das Vergnügen gern bereiten
wollte, aber fürchtete, daß er sich nicht allein heimfinden
würde, so machte ich mich fertig, zog mich an
und wollte ihn begleiten. Als wir aber vor dem Hausthor
waren, fiel es mir plötzlich ein, daß ich meinen
Stock daheim vergessen habe und so lief ich gleich
zurück um ihn zu holen. Als ich aber wieder zum
Hause herauskam, war Peter auf eigene Faust seiner
Wege gelaufen. Da glaubte ich nicht anders, als daß
er hieher zu Euch gelaufen sein muß. Sonst wüßte ich
nicht, wo er sein könnte.«
Da begannen die Leute zu jammern und zu klagen,
weil Peter gerade jetzt verloren ging, j e t z t , da sie
Freude an ihm hätten erleben können und nachdem sie
so viel Geld für seine Studien ausgegeben hatten. Und
was das Schlimmste war, sie hatten jetzt doch wieder
keinen Erben. Der Küster versuchte sie zu trösten so
gut er konnte und war auch sehr traurig darüber, daß
sich Peter so aufführte und ihm jetzt, da er seinem
Lehrer so viel Ehre hätte machen können, so etwas
anthat. Aber er hat sich vielleicht nur verirrt, meinte
der Küster und versprach ihn am nächsten Sonntag in
der Kirche öffentlich zu verlesen, ob er nicht vielleicht
von jemand gesehen worden sei. Dann sagte er
ihnen »Lebewohl« und ging heim und verspeiste
einen guten, fetten Kalbsbraten.
Eines Tags las der Küster, der sich Zeitungen hielt,
zufällig, daß sich in einer Stadt ein neuer Kaufmann
namens P e t e r O c h s niedergelassen habe. Da
steckte er das Zeitungsblatt in die Tasche und ging
sogleich zu den betrübten Bauersleuten, die ihren
E r b e n verloren hatten, hinüber. Er las ihnen diese
Notiz vor und sagte dann: »Man könnte beinahe glauben,
daß d a s Euer Peter Kalb ist.« – »Ja, ganz
gewiß!« rief der Bauer aus, »wer sollte es denn sonst
sein?« – Jetzt sagte auch die Frau: »Ja, Väterchen,
jetzt mußt du fort und ihn besuchen, denn ich weiß
ganz bestimmt, daß es nur unser Peter sein kann.
Aber du mußt tüchtig Geld mitnehmen, denn wer
weiß, ob er es nicht recht n o t h w e n d i g braucht,
jetzt, da er ein Kaufmann geworden ist.«
Andern Tags nahm der Bauer einen Sack voll Geld
auf die Schulter, steckte ein Butterbrod in die Tasche
und seine Pfeife in den Mund, und so reiste er fort in
die Stadt, in der der neue Kaufmann wohnte. Es war
das durchaus kein kurzer Weg und er mußte viele
Tage lang reisen, bis er endlich eines Morgens bei Tagesanbruch
dort anlangte; und er kam an Ort und
Stelle und fragte, ob der Kaufmann zu Hause sei.
»Ja,« antworteten ihm die Hausleute, aber er sei noch
nicht aufgestanden. »O, das macht gar nichts, denn
ich bin ja sein Vater!« sagte der Bauer, »führt mich
nur hinauf zu ihm.«
Und man führte ihn hinauf in die Schlafkammer des
Kaufmanns, der noch ledig war und allein in der
Kammer schlief. Und sobald ihn der Bauer erblickte,
erkannte er seinen Peter sogleich wieder; das war ja
dieselbe breite Stirne und derselbe dicke Hals mit
dem starken Nacken und dieselben rothen Haare, aber
sonst sah er jetzt ganz wie ein Mensch aus. Er ging
gleich zu ihm hin und wünschte ihm einen guten Morgen
und sagte: »Na, Peter, was hast du uns für einen
Kummer bereitet, sowohl mir als deiner Mutter, weil
du gerade damals davongerannt bist, als wir dir etwas
lernen ließen! Jetzt aber schaue nur, daß du auf die
Beine kommst, daß ich dich einmal recht sehen und
mit dir plaudern kann!«
Der Kaufmann glaubte nicht anders, als daß er
einen Verrückten vor sich habe, der zu ihm hereingeschlüpft
sei und hielt es für das Klügste, sich ruhig zu
verhalten. »Ja wohl, jetzt stehe ich gleich auf!« sagte
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