Wilhelm Busch
Ut oler Welt - Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime - 150 Seiten
Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime
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Inhaltsverzeichnis
Titel Wilhelm Busch Ut oler Welt - Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime - 150 Seiten Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum neobooks
I. Volksmärchen.
1. De häister un de willen duben.
Bi Fürst Erenst siner tît, ans dat swîn Dirk häite un de
käo Barteld, do könne de häister dat beste näist bäon.
Do käimen de willen duben na öne hen un säen:
»Nawer, will ji nich säo gäot wäsen un üsch1 dat ôk
lehren wo ji dat maoket?« »Jao, säe de häister, worümme
dat nich; awerst wat giäwe ji mi?« »Die bunte
kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« säen de willen
duben. Den häister was dat recht, un häi flog mêe.
Ans häi nu de ersten sprikker te hôp elegt harre, do
mênen de willen duben, säi können dat nu ôk all
sülbenst un säen: »Nawer, gaet nu man weer hen, wi
willt et nu woll sülbenst fertig maoken.« De häister
läit sik dat nich twäimaol seggen, namm sine bunte
käo un flog weg. – Do nu de willen duben awerst
sülbenst täo bäon anföngen, do käimen se man jümmer
säo wit, ans de häister et säi ewiset harre. Do
föngen se an täo schräinA1 un räipen: »Die bunte
kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« un mênen, de häister
schölleA2 de bunte käo weer herut giäwen;
awerst de häister was mit der käo wäge un blêw wäge.
Darümme küent de willen duben ôk vandage noch
näin orntliket näist bäon un räopet noch jümmer:
»Die bunte kuh, die bunte kuh, die bunte kuh!« bet up
düssen dag. Un däi mi düsse geschichteA3 vertellt
hat, mit däne hebbe ek sülbenst ekört.
Fußnoten
1 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A1 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A2 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
A3 In allen plattdeutschen Stücken ist sch mit westfälischer
Aussprache = s–ch oder s–k zu sprechen.
W.B.
2. Die Schwarze Prinzessin.
Es war einmal ein König und eine Königin, die kriegten
gar keine Kinder. Da sagte die Königin: »Ich
wollte, ich kriegte ein Kind und wenn es auch vom
Teufel wäre.« Nicht lange darnach ward die Königin
schwanger und gebar ein kleines Kind, das war eine
Dirne. Sie ward, wie sie wuchs, von Tage zu Tage
schöner, so daß sie ein jeder, der sie sah, von Herzen
gerne leiden mochte. Den Tag aber vor ihrem fünfzehnten
Geburtstage sagt sie auf einmal zu ihrem
Vater: »Morgen, Vater, muß ich sterben.« »Mein liebes
Kind,« sagte der König, »sprich mir doch nicht
von sterben.« »Doch Vater! Ich weiß gewiß, daß ich
morgen sterben muß. Eins mußt du mir aber versprechen:
daß mein Sarg in der Schloßkirche vor den
Altar gestellt und ein ganzes Jahr lang jede Nacht
Wache dabei gehalten wird. Wenn sich dann unter der
Wache Einer findet, der nichts Schlechtes gethan hat,
so kann der mich wieder erlösen.« Das mußte der
König versprechen und ihr die Hand drauf geben.
Wie die Königstochter gesagt hatte, so kam es
auch. Den andern Tag nahm sie noch von Vater und
Mutter Abschied, legte sich und starb und ward darnach
kohlschwarz. Der König ließ sie nun in ihrem
Sarge in die Schloßkirche vor den Altar stellen mit
einer Wache dabei, wie die Prinzessin es verlangt
hatte. Des Nachts, da die Glocke gerade Zwölf
schlug, fuhr die Prinzessin aus ihrem Sarge, packte
die Wache, drehte ihr den Hals um und warf sie in ein
finsteres Gewölbe, das da unter der Kirche war. Sobald
aber die Glocke Eins schlug, mußte sie wieder in
ihren Sarg hinein. In der zweiten Nacht ging es ebenso.
Als die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter
aus ihrem Sarge, drehte der Wache den Hals
um und warf sie in das Gewölbe, das unter der Kirche
war. In jeder folgenden Nacht ging es ebenso; jeden
Morgen war die Wache verschwunden und kein
Mensch wußte, wo sie geblieben war. Nun wollte zuletzt
keiner mehr bei der Königstochter wachen. Da
ließ der König im ganzen Lande bekannt machen: wer
seine Tochter erlösen könnte, der sollte sie zur Frau
haben und König werden.
Nun war da ein junger Schäfer mit gelben Haaren,
der hieß Jakob, der reiste nach der Königsstadt und
ließ sich anstellen als Wache bei dem Sarge der Prinzessin.
In der ersten Nacht, da es kurz vor Zwölfe war
und der Schäfer daran dachte, daß die andern Wachen
alle so sonderbar verschwunden waren, da ward er
bange und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter
ihm her: »Jakob, geh nicht fort, du kannst mich erlösen,
wenn du drei Nächte hintereinander an meinem
Sarge wachst.« Da kehrte der Schäfer wieder um und
versteckte sich unter den Sarg der Prinzessin. Als nun
die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter aus
ihrem Sarge und suchte die ganze Kirche durch; in
dem Augenblick aber, wo sie an den Sarg kam und
den Schäfer eben fassen wollte, schlug die Glocke gerade
Eins; da mußte sie wieder in ihren Sarg hinein.
In der zweiten Nacht, da es wieder bald Zwölfe war
und der Schäfer daran dachte, daß es ihm auch ergehen
könnte wie den andern Wachen, da ward er bange
und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter ihm
her: »Jakob, geh nicht fort; du kannst mich erlösen.«
Als der Schäfer das hörte, kehrte er wieder um und
versteckte sich in das Gewölbe, wo die Leichen der
früheren Wachen lagen. Er beschmierte sich Gesicht
und Hände ganz mit Blut, deckte einige der Toten
über sich und verhielt sich so ruhig, als ob er auch
eine Leiche wäre. Als nun die Glocke Zwölf schlug,
fuhr die Königstochter wieder aus ihrem Sarge, durchsuchte
die ganze Kirche und kam auch zuletzt in das
Gewölbe, wo der Schäfer unter den Leichen lag.
»Dem die Füße warm sind, der ist's!« rief sie und tastete
zwischen den Leichen herum. Schon war sie dem
Schäfer ganz nahe, das Blut gerann ihm in den Adern,
da schlug die Glocke Eins. Nun mußte die Prinzessin
wieder zurück in ihren Sarg. – Am andern Morgen
kam der König mit seinem ganzen Hofstaate in die
Kirche, um nach dem Schäfer zu sehen, und als sie
das viele Blut in seinem Gesicht und an seinen Händen
sahen, erschraken sie und meinten nicht anders,
denn es sei ihm ein Leid widerfahren. Jakob aber
sprach: »Wisset, daß ich gesonnen bin, auch noch die
dritte Nacht Wache zu halten; Morgen früh Glocke
Sechs, da kommt mit Pauken und Trompeten und der
ganzen Musik, denn entweder bin ich todt oder die
Prinzessin ist erlöst.« Das mußte ihm der König versprechen.
Kurz vor Zwölfe in der Nacht kroch der Schäfer
unter den Sarg der Prinzessin, und als sie nun mit
dem Schlage Zwölf herausfuhr, legte sich der Schäfer
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