„Oh, das ist ja wie in einem Krimi“, bemerkte Erwins Frau ganz aufgeregt und der Techniker gab ihr recht und sagte dann, dass er seine Nachforschungen an dieser Stelle eiligst eingestellt und nach Deutschland zurückgekehrt sei.
„Und wie ging der Krimi weiter?“, wollte Erwin wissen.
„Es dauerte nicht mehr lange und die Firmen, bei denen es mit den Pumpen Schwierigkeiten gab, machten Schadensersatz wegen ihrer Produktionsausfälle geltend. Der Chef weigerte sich, meine Feststellungen in Rumänien anzuhören und vertraute seiner Bekannten blind weiter. Und dann war es soweit und es wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Und jetzt kommt es knüppeldick“, sagte der Techniker und trank einen Schluck und fuhr dann fort: „Die Rumänin hatte sich von unserem Chef getrennt und für ein paar Euro vom Insolvenzverwalter unser Pumpenunternehmen erworben. Es kam ihr nicht auf die Fortführung des Betriebes, sondern nur auf die Konstruktionspläne der von uns entwickelten Pumpen und die Kundenprofile an.“
„Und wie ging es weiter?“ fragte Erwin und erhielt zur Antwort, dass die Rumänin sehr schnell verschwunden sei und der Chef dem Alkohol verfiel.
„Mein Technikerkollege und ich fanden einen anderen Job; der Chef verkam vollkommen und wurde eine Art Penner. Ich habe dann noch den Bundesnachrichtendienst von meinen Feststellungen in Rumänien informiert, aber nie mehr etwas vom BND gehört.“
Erwin sagte nur noch zum Schluss, dass Hubertus der brillanteste Ingenieur gewesen sei, den er kannte und sinnierte kurz: „Ja, die Weiber und der Suff, die reiben auch den Besten uff.“
2. Kapitel
Erwin lag die halbe Nacht wach. Es wollte und wollte ihm keine Lösung für diese junge Frau einfallen.
Am Vormittag ging er in den Supermarkt und fragte eine Verkäuferin, was Maoams seien. Die nicht gerade intelligent aussehende und sich ebenso verhaltende Verkäuferin ließ ihn einfach stehen und schüttelte nur mit dem Kopf.
Zum Glück war ein Kind in der Nähe, das Erwin ganz selbstverständlich und hilfsbereit zu dem Regal mit den Maoams führte. Noch bevor er sich bedanken konnte, war das Kind wieder verschwunden. Erwin hätte gern auch diesem Kind Maoams gekauft, aber es war unauffindbar.
Nach dem Einkauf konnte Erwin sich nicht entschließen, die Maoams zu probieren. Es hätte ihm zu viel Überwindung gekostet.
Am Nachmittag war er überpünktlich im Park. Helga und Maria erwarteten ihn schon.
„Erwin, Du bist einfach ein richtig cooler Typ“, sagte Maria und nahm hocherfreut die Maoams und zog Erwin zum Steinehüpfen.
„Kannst Du mir erklären, warum die Steine über das Wasser hüpfen und nicht einfach untergehen? Mama konnte es mir nicht erklären; die hat keine Ahnung.“
„Natürlich kann ich das erklären, ich bin ja schließlich...“ Erwin stockte einen Moment und fuhr dann fort: „Fachmann für Steinehüpfen.“
„Dann erkläre es mir bitte.“
„Also, das ist ganz einfach. Man braucht einen ganz flachen Stein, der aussieht wie eine Scheibe eines gekochten Eis.“
„He? Ein gekochtes Ei?“
„Eigentlich muss der Stein wie eine Ellipse aussehen, damit er die richtige Rotation erhält.“
„Sag das doch gleich, dass Du eine Ellipse meinst. Ich weiß, was das ist. Sieht aus wie ein gequetschter Kreis. Aber was ist eine Rotation?“
„Du bist ja ein ganz kluges Mädchen. Rotation ist eine Drehbewegung. Wenn der elliptische Stein die richtige Drehbewegung erhält, hüpft er umso öfter über das Wasser.“
„Und wie machen wir, dass der Stein rotatiert?“
„Wenn man dem Stein beim Werfen mit dem Zeigefinger zuletzt loslässt, rotiert er.“
„Er rotiert und rotatiert also nicht?“, fragte Maria.
„Genauso ist es!“
Beide brauchten fast eine halbe Stunde, bis Maria es schaffte, die Steine über das Wasser hüpfen zu lassen.
Helga hatte beiden zugesehen und war erstaunt, wie Erwin, der ihrer Meinung nach schon etwas dement war und sich stets wie ein Trottel verhielt, solche kindgerechten Erklärungen abgeben konnte.
„Erwin, ich wollte mich für meinen gestrigen Überfall bezüglich der Betreuung von Maria entschuldigen.“
„Warum wollen Sie sich denn entschuldigen. Es war einer meiner schönsten Nachmittage der letzten Zeit.“
„Ich heiße Helga Meister. Wir kennen unsere Nachnamen gar nicht, obwohl wir uns seit sechs Wochen fast täglich sehen.“
„Erwin Schminke, aber lassen wir es bitte bei den Vornamen; ich finde das schöner und persönlicher und für Maria viel angenehmer.“
„Einverstanden! Entschuldigung, aber der Name Erwin Schminke kommt mir sehr bekannt vor. Es gab hier an der Uni einen Professor Schminke, bei dem hat der Vater von Maria promoviert.“
„Ja, davon habe ich auch schon gehört. Bitte erlauben Sie mir die Frage, was aus Marias Vater geworden ist.“
„Nachdem er seinen Doktorhut hatte, ist er sofort nach Amerika gegangen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.“
„Sie sagten doch gestern, dass Sie eine promovierte Volkswirtin seien. Schminke lehrte doch aber an der TU Maschinenbau mit Schwerpunkt Obsoleszenz.“
„Ja, das weiß ich. Marias Vater hat an der TU studiert und ich habe in Frankfurt studiert.“
„Ach so. Ich war schon ganz durcheinander. Aber erzählen Sie mir bitte noch einmal, warum man Sie auf der Bank nicht genommen hat.“
„Das können Sie doch nicht verstehen, lieber guter Erwin. Mit meiner Qualifikation haben die Chefs Angst, dass ich mehr weiß als sie; das kann kein Chef ertragen.“
„Also ich wäre früher glücklich gewesen, wenn mal einer mehr als ich gewusst hätte.“
„Na, lassen wir das Ganze. Ich will noch eine Freundin besuchen. Wir sehen uns ja bestimmt morgen wieder hier im Park“, sagte Helga und verließ Erwin und die Parkbank am Weiher.
Auf dem Nachhauseweg erinnerte sich Erwin an eine seiner früheren Assistentinnen. Sie hatte den Uni-Betrieb verlassen und mit einem Partner in der Nähe von Dresden ein Beratungsunternehmen gegründet. Das Letzte, was er von ihr gehört hatte, war, dass der Laden recht gut laufen würde.
Am frühen Abend hatte Erwin die Telefonnummer seiner ehemaligen Assistentin gefunden und rief sie an.
„Hallo Monika, hier spricht Erwin Schminke. Ich wollte nur einmal hören, wie es Ihnen geht.“
Nach diesen Worten herrschte auf der anderen Seite der Leitung Funkstille.
„Hallo Monika, sind Sie es und vor allen Dingen noch am Apparat?“
„Das glaube ich einfach nicht. Sie rufen mich an, Herr Professor?“
„Ja, warum denn nicht?“
Jetzt sprudelte Monika ohne Punkt und Komma hocherfreut los und freute sich ehrlich über Erwins Anruf.
Im Laufe des Telefonates erfuhr Erwin, dass ihre Beratungsfirma einen kräftigen geschäftlichen Rückschlag erlitten hätte, weil Monikas Partner sich von ihr getrennt und eine Konkurrenzfirma aufgemacht hatte. Er habe die meisten Kunden mitgenommen und mache ihr mit Firmenspionage das Leben schwer. Außerdem war der Partner für die kaufmännischen Angelegenheiten zuständig und sie, Monika, für die fachlichen Dinge. Von den geschäftlichen Notwendigkeiten der Führung ihres Unternehmens habe sie recht wenig Ahnung und noch keinen zuverlässigen neuen Geschäftspartner gefunden.
„Monika, ich werde nächste Woche Dresden besuchen und wenn Sie möchten, bei Ihnen reinschauen. Vielleicht habe ich auch eine passende neue Partnerin für Sie.“
„Herr Professor, das wäre wunderschön, wenn Sie mich hier in Radebeul besuchen würden. Ich kann es gar nicht erwarten.“
Erwin beendete das Gespräch mit den Worten: „Also dann bis in ein paar Tagen bei Ihnen. Ich rufe kurz vorher an. Machen Sie es bis dahin gut und Wiederhören.“
Vor dem Schlafengehen las Erwin noch eine Stunde in „Eichendorfs Taugenichts“ und freute sich über die romantische Sprache. Er fand eine früher angebrachte Markierung fast am Ende des dritten Kapitels: ... und alles ists gleich, ob ich noch da bin, oder in der Fremde, oder gestorben. Da kam mir die Welt auf einmal so entsetzlich groß und weit vor und ich so ganz allein darin, daß ich aus Herzensgrunde hätte weinen können.
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