Die traditionelle Codierung Sozialer Arbeit mit dem Begriff Hilfe ist nicht nur konzeptionell klärungsbedürftig (
Kap. 1.4.2 1.4.2 Soziale Arbeit als soziale Kontrolle Bis hierin sind wir im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die Kernaufgabe Sozialer Arbeit darin liegt, Menschen bei der Bewältigung belastender und überfordernder Lebenslagen zu unterstützen. Diese Hauptfunktion, das Hilfemandat, beruht auf Grundentscheidungen der Verfassung, die mit Begriffen wie Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, dem Gleichheitsgebot und dem Sozialstaatsprinzip verbunden sind ( Kap. 5.1.2: Weitere Verfassungsprinzipien). Gegenstand der personenbezogenen Dienstleistungen sind aber nicht alleine individuelle, wie auch immer entstandene »Notlagen«, sondern auch – so bereits die Feststellung in Kapitel 1.3.2 – diverse Formen abweichenden Verhaltens (z. B. innerfamiliäre Gewalt). Abweichendes Verhalten ist zumeist kein Problem für die Person, die sich abweichend verhält, sondern ein Problem für ihre soziale Umgebung und die Gesellschaft insgesamt einschließlich ihrer Rechtsordnung. Wenn Sozialfachkräfte im Zusammenhang abweichenden Verhaltens tätig werden, geht es folglich nicht um ein Hilfebedürfnis der*des Einzelnen, sondern um das Interesse der Allgemeinheit, bestimmte Formen der individuellen Lebensführung nicht zu tolerieren. Die Tatsache, dass personenbezogene soziale Dienstleistungen einen zweifachen Adressaten haben (können), bezeichnet man als »Doppeltes Mandat« der Sozialen Arbeit (zuerst Böhnisch & Lösch 1973). Doppeltes Mandat bedeutet: Soziale Arbeit steht Menschen nicht nur bei, sie tritt ihnen auch als Repräsentantin der Gesellschaft gegenüber.
), sondern auch kritisch zu reflektieren (
Kap. 1.4.1). So erfasst der Begriff »Hilfe« nicht, dass Soziale Arbeit eine Instanz sozialer Kontrolle darstellt; das gilt nicht nur innerhalb sog. »Zwangskontexte« (
Kap. 1.4.2 1.4.2 Soziale Arbeit als soziale Kontrolle Bis hierin sind wir im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die Kernaufgabe Sozialer Arbeit darin liegt, Menschen bei der Bewältigung belastender und überfordernder Lebenslagen zu unterstützen. Diese Hauptfunktion, das Hilfemandat, beruht auf Grundentscheidungen der Verfassung, die mit Begriffen wie Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, dem Gleichheitsgebot und dem Sozialstaatsprinzip verbunden sind ( Kap. 5.1.2: Weitere Verfassungsprinzipien). Gegenstand der personenbezogenen Dienstleistungen sind aber nicht alleine individuelle, wie auch immer entstandene »Notlagen«, sondern auch – so bereits die Feststellung in Kapitel 1.3.2 – diverse Formen abweichenden Verhaltens (z. B. innerfamiliäre Gewalt). Abweichendes Verhalten ist zumeist kein Problem für die Person, die sich abweichend verhält, sondern ein Problem für ihre soziale Umgebung und die Gesellschaft insgesamt einschließlich ihrer Rechtsordnung. Wenn Sozialfachkräfte im Zusammenhang abweichenden Verhaltens tätig werden, geht es folglich nicht um ein Hilfebedürfnis der*des Einzelnen, sondern um das Interesse der Allgemeinheit, bestimmte Formen der individuellen Lebensführung nicht zu tolerieren. Die Tatsache, dass personenbezogene soziale Dienstleistungen einen zweifachen Adressaten haben (können), bezeichnet man als »Doppeltes Mandat« der Sozialen Arbeit (zuerst Böhnisch & Lösch 1973). Doppeltes Mandat bedeutet: Soziale Arbeit steht Menschen nicht nur bei, sie tritt ihnen auch als Repräsentantin der Gesellschaft gegenüber.
). Als Instanz sozialer Kontrolle ist sie auch Agentin des gesellschaftlichen Interesses an einer sozial akzeptablen Lebensgestaltung von Menschen.
Seit langem wird gefordert, das staatliche Doppelmandat um ein eigenes Mandat (drittes bzw. Tripelmandat) zu erweitern, das die Soziale Arbeit als Profession und Disziplin in besonderer Weise wissenschaftlich und ethisch bindet (
Kap. 1.5.1). Eng damit verbunden ist die Frage, ob die Soziale Arbeit nicht ein stärker politisches Selbstverständnis ausbilden muss (
Kap. 1.5.2).

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