Zurück aus meinen Gedanken sehe ich, dass wir schon an der Abfahrt Imola sind.
„Fahr ab, Anton! Schnell, hier in Richtung Imola.“
Anton muss sehen, dass er von der mittleren Spur nach rechts kommt. Wie alle Deutschen versucht er das mit viel Rücksichtnahme auf die Autos hinter sich. Das ist einer der großen Unterschiede zwischen deutschen und italienischen Autofahrern. Die Italiener benötigen eigentlich keine Rückspiegel. Jeder achtet darauf, dass er vorne niemandem drauffährt und damit muss man gar nicht wissen, was hinter einem los ist.
„Mensch fahr‘ einfach rüber, die bremsen schon.“ Anton folgt mir, aber ich sehe, wie Schweiß auf seine Stirn tritt.
Es klappt natürlich. Da hupt noch nicht mal einer. Wenn man das weiß, kann man ganz entspannt in Italien Auto fahren.
Wir müssen durch die Mautstelle für die Autobahngebühr … Mist, daran hatte ich nicht gedacht. Wir fahren am besten noch an eine Tankstelle.
„Ist dein Tank voll?“
„Nein, ich muss bald tanken.“
„Gut, dann ist das der Grund, warum wir hier abgefahren sind. Auf zur nächsten Tanke!“
A
nton fährt jetzt auf mein Geheiß Richtung SS9 . Das ist eine Landstraße, die nicht mautpflichtig ist. Wir sind grad dort, da kommen wir auch schon an eine Q8-Tankstelle.
„Tanke hier voll! Das wird uns noch helfen!“
„Na, sag mal, die wollen 1,56 Euro pro Liter. Sollen wir nicht ‘ne billigere suchen?“
„Junge, fahr da ran!“ sage ich nun laut und mit Nachdruck. "Ich erkläre dir das später.“
Er grummelt vor sich hin, irgendwas von „… ist ja nicht sein Geld …“. Er wird es später schon noch einsehen.
Nach einer Weile geht rechts die SS19 Richtung Poggio Piccolo ab. Wir fahren über die Autobahn hinweg und danach bis zum Kreisverkehr, dort links raus auf die Via Natale Salieri und nochmal links in die Via Poggio, die in die Via S. Biagio übergeht. Ein ganzes Stück vor der Brücke, die die Autobahn kreuzt, lasse ich Anton rechts in einen schmalen Weg fahren. Wir kommen an einem Bauernhaus vorbei und fahren weiter bis zum Ende, wo der Weg auf die Autobahn stößt. Hier ist das Feld, das ich von der anderen Seite aus gesehen habe und hier wird unser Torso seine Ruhestätte finden und wir sind alle Sorgen los. Das wäre doch gelacht!
„So, jetzt gehen wir erstmal zum Schein an den Feldrand und tun so, als würden wir pinkeln. Dabei schauen wir uns um, ob irgendjemand kommt.“
Nichts zu sehen, wir sind weit und breit allein. Anton hat sein Auto rückwärts Richtung Autobahn rangiert. Also nichts wie raus und endlich die schwere Last entsorgen.
Der Kofferraum ist auf und wir heben gemeinsam den Rumpf raus. Das Ding ist schwer zu tragen, rutscht immer aus den Händen. Mit Müh und Not schleppen wir ihn ins Maisfeld ganz nah am Zaun zur Autobahn. Dort legen wir ihn ab und atmen auf. Geschafft! Endlich sind wir ihn los.
Ein Tuckern ertönt wie von einem Traktor. Tatsächlich kommt ein Trecker Marke „Lambarene“ 11den Feldweg lang auf unser Auto zu.
Sollen wir uns verstecken und warten, bis der Bauer weg ist, sollen wir erstmal ohne den Torso zum Auto zurück oder schleppen wir das Ding wieder in den Kofferraum?
So oder so müssen wir ihn hier wegbringen. Wenn man ihn findet, wird schnell klar, dass wir das waren und dann hat der Bauer Automarke und Kennzeichen.
Also nehmen wir ihn wieder auf und rennen zurück zum Auto. Hoffentlich hat der Bauer nichts gesehen.
Unser ,Paket‘ rutscht mir aus den Händen und Anton kann es nicht auffangen. Es fällt zu Boden.
Aufheben und weiterlaufen ist eins. Wir sind in Panik.
Schließlich sind wir am Auto und schieben den Körper erneut in den Kofferraum. Anton bleibt hinten stehen und ich mache das mit dem Reden.
„Che cosa fa? Questo viottolo di campagna è proprietà privata. Vai via subito!”
Was machen Sie hier? Der Feldweg ist Privatbesitz. Verschwinden Sie sofort!
“Scusi abbiamo sbagliato strada. Qual è quella per Poggio Piccolo?”
Wir haben uns verfahren. Wo ist die Straße nach Poggio Piccolo?
“Deve ritornare fino alla SS19 e poi andare verso Poggio. Segua le indicazioni stradali. È facile!?”
Sie müssen zurückfahren bis zur SS19 und dann fahren Sie Richtung Poggio. Folgen Sie den Straßenschildern! Aber das ist doch einfach!?
Man hört den Zweifel raus. So ganz glaubt er mir wohl nicht und es ist auch unwahrscheinlich sich hierher zu verfahren, aber wir hatten ja noch den Rumpf zurückgeholt und können jetzt losfahren, als wäre nichts gewesen.
Er dreht und fährt mit dem Traktor zurück, anders kommt man hier nicht weg. Es ist klar, dass er vor seinem Haus warten wird, ob wir wegfahren.
Anton und ich steigen ein und fahren hinter ihm her. Mir rinnt der Schweiß in Strömen den Rücken runter. An meinen Händen wage ich nicht zu riechen. Das Ding fasst sich schon komisch an, so schwer und äußerlich weich. Ich schüttele mich.
„Der hat dir kein Wort geglaubt, Amor. Was der sich wohl denkt, was wir hier wollten? Gut dass wir unsere Fracht wieder eingepackt hatten. Stell dir mal vor, wir hätten sie liegenlassen und sie wäre gefunden worden. Dann wären wir sofort dran gewesen. Aber trotzdem Mist, dass wir sie immer noch an der Backe haben, was denn nun?“
„Der dachte, wir beiden wollten hier ein Schäferstündchen miteinander verbringen“ sage ich und lache mich kaputt.
Sie sollten mal Antons Gesicht sehen, als er mich ansieht. „Ehrlich?“
„Ach Quatsch! Der hat geahnt, dass wir hier was abladen wollten, Müll oder so, aber das ist jetzt auch egal, wir müssen uns was Neues suchen.“
-:-
Warum fällt mir jetzt das Buch „Puppenmord“ von Tom Sharpe ein?
E
s wird Zeit, dass wir ins Hotel kommen. Über unsere Bemühungen ist es spät geworden. Es bleibt nichts anderes übrig, als zurückzufahren.
Auf der Strecke zurück zur Autobahnauffahrt Imola kommen wir an einem Laden vorbei, der so ziemlich alles hat, was Bauern und Hobbybastler gebrauchen können. Angefangen von Unkrautvertilgungsmittel, über Wäschespinnen und Rasenmäher, auch ein große Auswahl an Folien. Es ist so ein Laden, wie es ihn nur in Italien gibt.
Mit der gekauften Folie fahren wir vom Parkplatz in einen der nächsten schmalen Wege und packen den Torso so dicht wie möglich ein.
Ich habe Probleme in anzufassen und Anton steht sowieso schon fünf Meter weiter und würgt. Das liegt an der Konsistenz und dem Geruch. Die Hitze hier hat für schnellen Verfall gesorgt. Es ist sehr dringend, ihn loszuwerden.
Hoffentlich hilft die Folie, dass sich der Geruch nicht so schnell weiter im Auto ausbreitet. Die Nacht über und auch morgen noch einige Stunden am Tage muss die Fracht noch im Kofferraum liegenbleiben.
„Noch ein bisschen und ich schmeiße das Ding “, wir hatten uns stillschweigend darauf geeinigt, nur noch von dem Ding zu sprechen, „auch in den Porto Canale!“ Anton ist noch ganz käsig um die Nase, als er das trotzig sagt.
„Na, das geht bestimmt in die Hose. Wo willst du es reinwerfen? Da sind überall rund um die Uhr irgendwelche Touristen. Ich frage mich schon die ganze Zeit, wie die die zwei Beine da rein werfen konnten.“
„Sieht fast so aus, als wären sie dabei erwischt worden und hätten den Rest dann bei mir im Auto deponiert. Wie sind die bloß an den Kofferraum rangekommen, ohne was zu beschädigen?“
Wir sind an der Ausfahrt nach Cesena und Anton zahlt die Mautgebühr. Direkt danach folgt ein Riesenkreisverkehr, kaum ist man aus dem raus folgt der nächste und so weiter.
„Mamma mia, da hat sich einer mit dem Bau von Kreisverkehren eine goldene Nase verdient. An jedem dicken Baum und sei die Kreuzung auch noch so klein und selten befahren, haben sie sie umgebaut.“
Читать дальше