Die Assistentin von Hans Tiefenthal, die in ihrem ganzen Herzen dem Intendanten sehr zugetan war, und ihn auch auf allen seinen Stationen begleitet hatte, verdrehte ihre Augen, krallte sich ganz fest mit ihren roten Fingernägeln in das Fleisch ihres Gegenübers ein, bis dieser kurz aufschrie. Aber dann wurde der Schal immer fester zugezogen, bis der Sekretärin ihre Sinne schwanden und ihr Kopf dann auf den Schreibtisch aufprallte, was wiederum ein schreckliches Geräusch verursachte.
Aber niemand hörte dieses Geräusch und niemand sah, wie die dunkle Gestalt das Zimmer verließ, nicht aber, um nochmals genau zu überprüfen, ob die schöne Ilona, wie sie genannt wurde, auch wirklich tot war.
Die dunkle Gestalt machte sich dann von dannen und keiner sah sie und keiner hatte es gesehen, wie Ilona Stein ermordet wurde.
Nachdem Kirsch und Eugen den Intendanten verlassen hatten, holte sich Tiefenthal noch einen Dessertteller, und sehr genüsslich verschlang er die süßen Speisen darauf.
Später spazierte er dann noch zur Probe des neuen Stücks ‚Kabale und Liebe‘. Dort hatte gerade Regisseur Berthold Breyer alle Kollegen einbestellt und besprach mit Ihnen die neue Situation. Denn mit Sonia Petzoldt war ja nun die Hauptdarstellerin für immer ausgefallen.
„Wer von den Damen könnte denn die Rolle übernehmen?“, fragte er mit fester Stimme in die Runde, denn Teamarbeit schätzte er sehr.
Wolfi Bauer schlug Eva Warnstede vor.
Doch Eva sträubte sich, weshalb auch immer, was weder der Regisseur, noch die Schauspielkollegen verstanden.
Es war ihr gar nicht recht, dass Wolfi Bauer sie vorgeschlagen hatte, denn sie wollte auf keinen Fall, dass ein Verdacht auf sie fallen würde, wenn sie die vakante Rolle von Sonia Petzoldt übernehmen würde.
Doch eigentlich war sie schon von Anfang an als Ersatz vorgesehen, wenn Sonia Petzoldt ausfallen würde, denn immerhin gab es bei ihr Hollywoodanfragen, und die wollte sich Sonia, der man schon einen gewissen Ehrgeiz nachsagte, auf keinen Fall entgehen lassen.
Alle Schauspieler sprachen wild durcheinander, denn so schnell war nun kein Ersatz für Sonia gefunden. Aber dann formte sich doch ein Name heraus, aber es war nicht der von Eva Warnstede, sondern einer noch relativ jungen Schauspielerin, die erst vor Kurzem nach Freiburg gekommen war. Ihr Name war Evelyn Rose.
Eva Warnstede schaute dann doch etwas irritiert in die Runde, als alle Kollegen sich dann doch ziemlich schnell für die junge Evelyn Rose ausgesprochen hatten.
Auch Wolfi Bauer suchte gleich den Blick von Eva, die ihn nur sorgenvoll ansah.
Wolfi schüttelte den Kopf und wollte die Kollegen etwas beruhigen.
„Ich bin für Eva Warnstede, sie kennt doch die Rolle, da sie ja schon als Ersatz vorgesehen war, und außerdem hat sie auch schon diese Rolle der Louise Miller am Theater in Braunschweig gespielt“, sagte er ganz laut.
Doch keiner reagierte. Plötzlich aber hörten sie eine Stimme, wie aus dem ‚Off‘.
„Eva Warnstede kennt den Intendanten Hans Tiefentahl und hatte eine Beziehung mit ihm.“
Eva schaute ziemlich bestürzt in die Runde.
Was wussten die Kollegen über sie und Hans Tiefenthal, dachte Eva.
„Ich weiß es ganz genau, Eva Warnstede war auch schon in Düsseldorf und in Braunschweig und sie kennt den Intendanten gut“, entgegnete dann Hans Melchior, ein Kollege, der schon oft mit Eva Warnstede aufgetreten war.
Jetzt mischte sich auch der Regisseur ein.
„Ob nun Eva den Intendanten kennt oder nicht, das ist hier nicht relevant. Ich bin auch für Eva Warnstede. Sie kennt die Rolle, weil sie eh schon als Ersatz vorgesehen war, und wir müssen nicht wieder von vorne mit den Proben beginnen.“
Eva blickte den Regisseur dankbar an und auch Wolfi. Das waren doch noch zwei Getreue und vielleicht bahnt sich ja auch etwas mit dem Regisseur an, wenn Sonia jetzt nicht mehr da ist, überlegte Eva, schämte sich aber gleichzeitig wegen ihrer Gedanken, denn gerade erst war ihre liebe Kollegin ermordet worden.
„Jetzt lassen wir mal die Personalfrage beiseite und fangen mit den Proben an!“, sagte der Regisseur bestimmt.
„Ich werde immer mal wieder Eva und auch Evelyn einsetzen und dann sehen wir, wer die Beste ist.“
Die anderen Kollegen murrten zwar ein bisschen, waren aber damit einverstanden.
Und dann nahm jeder seinen angestammten Platz auf der Bühne ein und die ersten Proben nach dem Tod der Hauptdarstellerin begannen etwas zaghaft.
Nach der Probe ging Eva noch mit Wolfi in ihr bekanntes Café in der Wiehre. Vielleicht hoffte sie ja auch, dass sie Jan Schwarz treffen würde. Aber der blieb weiterhin verschwunden.
Auch in der Redaktion war es nicht verborgen, dass Jan Schwarz noch immer fehlte und eigentlich war es selbst für den Chefredakteur unerklärlich, dass Jan Schwarz sich gar nicht meldete und einfach fortblieb.
Jan Schwarz wachte in seinem dunklen Verlies auf.
„Endlich“, dachte er, „wo bin ich denn?“, sprach er laut vor sich hin, um wenigstens einmal einen Ton oder eine Stimme zu vernehmen.
Jan Schwarz dachte nach und war sich dabei gar nicht sicher, wie viel Tage denn vergangen waren seit er in diesem Verlies eingeschlossen war. Er konnte sich gar nicht vorstellen, weshalb er hier überhaupt gefangengehalten wurde.
Was soll denn das, weshalb bestellt mich die Flohmarktlady in die Galerie M. ein, und ich werde dann im Hexental überfallen, das macht doch alles keinen Sinn, dachte er.
So langsam streckte er auch seine Glieder aus, denn sie waren teilweise total eingeschlafen. Er konnte sich überhaupt nicht bewegen. Auch seine Füße fühlten sich an, als seien Fesseln an ihnen.
„Und meine Arme, wo sind denn meine Arme?“, sagte er wieder laut.
So langsam dämmerte Jan Schwarz, dass er völlig hilflos hier in einem Verlies lag.
Wie komme ich denn hier heraus?, überlegte er immer wieder, aber er sah rein gar nichts, nur Dunkelheit herrschte im Raum.
„Krieg ich hier vielleicht auch mal was zu essen!“, rief Jan Schwarz ziemlich laut in den Raum, denn seine Stimme war ja noch intakt, und vielleicht hörte auch jemand von dieser Bande seine Stimme und würde in diesen Kerker kommen, überlegte er weiter.
Doch es rührte sich nichts, auch wenn er es mehrmals wiederholte. Es blieb alles still.
„Oh Gott, wie komme ich hier wieder raus?“, meckerte er und plötzlich vernahm er ein Geräusch.
„Hör ich jetzt schon Geräusche, wo gar keine sind?“, flüsterte er.
So ganz mutterseelenallein hier in diesem dunklen Kerker eingeschlossen, wo es so modrig roch und überhaupt kein Licht vorhanden war, gefiel es Schwarz gar nicht.
Sicherlich sitzen auch in den Ritzen Wanzen und in den Gängen halten sich Ratten auf, dachte er noch.
Und davor ekelte es ihn richtig, dass er eigentlich froh war, dass er sich nicht bewegen konnte.
Aber er hörte keine Ratten kratzen. Und kratzen konnte er sich auch selbst nicht, weil ihm die Arme und Beine zugebunden waren.
Wie kann ich mich überhaupt wehren, wenn jemand zur Tür hereinkommen würde, überlegte er, denn so blieben auch seine Gedanken wach und er schlief nicht wieder ein.
„Was hat mir denn die alte Hexe gegeben?“, sagte er wieder leise vor sich hin, denn irgendwie schwante ihm, dass ihm vielleicht K.-O.-Tropfen verabreicht wurden. Er spürte einen schalen Geruch im Mund.
Wasser würde mir jetzt besser schmecken als der beste Champagner der Welt, dachte er noch, als er wieder so ein komisches Geräusch vernahm.
Er überlegte kurz, ob er sich bemerkbar machen sollte, denn womöglich war da jemand, der ihn retten konnte oder wollte. Doch wer könnte das sein?
Zunächst dachte er an Kommissar Kirsch, doch der wusste ja nichts von seinen Recherchen. Das wusste eigentlich gar keiner aus seinem Umfeld. Nicht mal dem Chefredakteur gegenüber hatte er eine Andeutung gemacht, nie eine Flohmarktlady erwähnt, und schon gar keinen Bauernhof im Hexental.
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