Zu der Komturei gehörten ungefähr 100 Ritter. Davon 80 hier auf dem Schlachtfeld zu sehen, bedeutete die größtmögliche Hilfe, die man gewähren konnte, während gleichzeitig die Sarazenen weiter die Mauern berannten!
Schlagartig schien sich hier alles zum Guten zu wenden. Die Feinde bekamen jetzt große Probleme, auch wenn sie nach wie vor stark in der Überzahl blieben.
Es konnte nicht sein!
Sie hatten eine kleinere Truppe bei den Stadttoren Vallettas fast aufgerieben, eine große Streitmacht aus Kreuzfahrern nahezu niedergerungen und dann die Templer in ihrem Hauptquartier beinahe besiegt. Der Sieg war zum Greifen nah. Und nun diese Wendung!
Erst griff eine Gruppe Überlebender an den Stadttoren in die Schlacht ein. Und jetzt mischten auch die bedrängten Elitekämpfer, die kaum ihre brennende Komturei zu schützen vermochten, hier auf dem Platz mit!
Unsere Unterstützung nutzte den aufkommenden Schrecken. Beide Gruppen ritten in Keilformation in die Gegner hinein. Mit brachialer Gewalt verschafften sich die Einheiten Platz. Die Sarazenen begannen zu wanken. Ich hatte den Eindruck, als sei das Hauptziel der Templer nicht der Tod ihrer Gegner. Stattdessen verletzten sie möglichst viele von ihnen. Ein Soldat, der sich um Verwundete kümmern musste, band freie Kräfte und konnte schlechter angreifen …
Die Arnaud zu Hilfe kommenden Mönchsritter verschafften den Kreuzfahrern deutlich Luft. Diese versuchten nochmals, aus der tödlichen Umklammerung zu entkommen und drängten mit aller Macht weiter auf den Platz, herüber zu uns.
Rogér und ich achteten währenddessen weiterhin nur auf die eigene Verteidigung. Bis jetzt blieb unklar, zu wessen Gunsten sich der Kampf endgültig entwickelte. Unsere Helfer rissen die Reihen der Araber um die Kreise herum auf und sorgten für Angst und Schrecken.
Broderik griff weiterhin erbarmungslos an. Er ritt mit den Templern und doch ständig vor ihnen – unentwegt dort, wo die Gefahr am größten schien. Wollte der Mann seinen Tod regelrecht provozieren? Niemand sonst legte es bewusst darauf an, das Schicksal dermaßen zu reizen. Mir gegenüber war er immer kühl und berechnend aufgetreten wie jemand, der jeden Schritt im Voraus plante. Und nun solch ein lebensmüdes Vorgehen!
Rogér stieß mich an. Der alte Freund meines Vaters hatte meine Blicke gesehen.
»Wundert Euch nicht! Der Templer hat triftige Gründe. Lasst ihn gewähren! Führt Ihr dagegen die Krieger weiter so klug wie bisher!«
Mehr und mehr Sarazenen fielen – zu wuchtig blieben die Angriffe der Mönchsritter und Kreuzfahrer. De Moncadrieuxs Soldaten drängten weiter heran und hatten uns fast erreicht. Schließlich brachen die Kreuzritter endlich zu uns durch. Gleichzeitig vereinigten sich auch die beiden Gruppen der Tempelritter. Sie hatten ungefähr 50 Gefolgsleute verloren. Anstatt jedoch ebenfalls zu uns vorzustoßen, bildeten die Retter einen großen Halbkreis, dessen offene Seite die Mauern der Komturei begrenzten. Die Lücken zwischen den einzelnen Reitern füllten Arnauds Einheiten hastig aus. In seinem Innern befanden sich die überlebenden Sarazenen. Schnell zog sich die tödliche Umklammerung zu. Die Eingeschlossenen machten keinerlei Anstalten, aufzugeben. Mit einem Aufschrei aus zahllosen Kehlen stürzten sie los. Ihre Feinde nahmen die Aufforderung mit einem vielstimmigen Aufschrei an.
Während des erbarmungslosen Ringens wanderte die Sonne vielleicht vier Handbreit weiter. Dann war dieser Kampf wie die vorhergehende Schlacht beendet.
Wir hatten endgültig gesiegt!
Langsam sammelten sich unsere Soldaten und suchten den Platz nach eigenen Verwundeten ab.
Verletzten Gegnern gegenüber gab es keinerlei Gnade. Zu tief saß der Hass nach den Ereignissen in der Stadt. Ich war mir sicher, dass beide Seiten nach einem Sieg so gehandelt hätten. Trotzdem blieb mehr zurück als ein fader Beigeschmack.
Noch nie hatte ich solch ein Gemetzel erlebt!
Mir war speiübel. Im Kloster versuchte man ständig Menschlichkeit zu leben. In der Welt draußen dagegen überlebte man nur um jeden Preis oder starb schnell!
Andererseits gab es keinen Grund zur Trauer.
Eine fast sichere Niederlage war in einen Sieg verwandelt worden. Eigentlich hätten hier über 1800 Christen liegen müssen. Außerdem hatten wir die Komturei der Templer vor der Vernichtung bewahrt. Und Maltas Übernahme durch ein arabisches Heer war ebenfalls verhindert worden!
Ich blieb unendlich stolz, dass meine Reserve in der Stadt dermaßen viel bewirkt hatte.
Rogér schickte einige Männer über das Schlachtfeld.
Trotz intensiver Suche waren weder der Statthalter noch der Anführer seiner Verbündeten unter den Gefallenen zu finden. Elisabeths Vater sandte eine große Gruppe Soldaten zum Hafen Vallettas, um ihn abzuriegeln. Unabhängig davon würden wir unseren ursprünglichen Plan fortführen – den Sturm des Statthalterpalastes. Vielleicht hatte sich Henry de Fontes dort verschanzt, wenn er nicht schon längst geflohen war!
Einige überlebende Angreifer wurden herangeführt und umgehend ausgefragt. Nur zögernd berichteten sie, wie dieser unglaubliche Hinterhalt hatte entstehen können.
Saladins Verstärkungen waren in der Nacht vor unserem Angriff mit Schiffen über das Meer gekommen.
Außer Sichtweite setzten sie unzählige kleine Boote vor der Insel ab. Im Schutz der Dunkelheit gingen die Feinde an den felsigen Strandstreifen hinter dem Statthalterpalast an Land. Kein Inselbewohner hatte etwas bemerkt.
Wie aus dem Nichts tauchten die Eindringlinge auf und besetzten Valletta. Die gesamte Stadt wurde anschließend von Henrys Truppen abgeriegelt, während die Sarazenen den Hinterhalt vorbereiteten. Vor den geöffneten Toren konnte man nichts erkennen, da das tägliche Leben scheinbar wie immer ablief. Die Bewohner Vallettas vermochten niemanden zu warnen, weil der Statthalter sie mit der drohenden Ermordung ihrer Familien zum Schweigen brachte.
Unsere Männer liefen in eine perfekte Falle.
Eigentlich sollten die Araber erst später eintreffen, aber das Heer war überraschend schon eher aufgebrochen. Warum, vermochten die Gefangenen nicht zu sagen.
Erstaunlich – kaum zogen wir die eigenen Kämpfer zusammen, erschienen die Sarazenen plötzlich unmittelbar vor uns am Ziel.
Wieder das Werk eines Verräters! Möglicherweise desjenigen, von dem Broderik gesprochen hatte? Jemand schien genauestens über jeden Schritt informiert zu sein und versuchte, uns endgültig zu vernichten!
Der Unbekannte war sogar in der Lage, eine Armee von 1000 Feinden schnell und unerkannt nach Malta kommen zu lassen, um den Angriff auf de Fontes zu vereiteln!
Diesmal hatten wir Glück gehabt …
In Gedanken ging ich wieder und wieder sämtliche Personen in meinem Umkreis durch, ohne einen Hinweis zu finden. Wer auch immer es sein mochte – der Unbekannte hatte eine perfekte Tarnung und machte keinerlei Fehler!
Trotz aller Widrigkeiten änderte sich nichts an unserem Vorhaben.
Die Verwundeten blieben zurück; Vallettas Ärzte und die der Ordensritter nahmen sie in ihre Obhut. Alle anderen machten sich marschbereit. Sollte Henry nicht längst schon geflohen sein, durfte er keine Möglichkeit zu weiteren Vorbereitungen bekommen!
Die Krieger marschierten in drei Gruppen. Arnaud durchsuchte den größten Teil der Stadt, Broderik und ich die anderen.
Der Unterdrücker musste endlich gefunden werden! Wenn wir ihn jetzt nicht unschädlich machten, würde er sämtliche Bewohner Maltas umbringen, die auch nur den leisesten Hauch fehlender Treue zeigten. Zudem war dann jeder Templer auf der Insel endgültig seiner Vernichtung sicher, von de Moncadrieux und dessen Familie ganz abgesehen.
Es musste nun endgültig ein Ende haben!
Die Straßen Vallettas blieben menschenleer.
Vor dem Areal des Statthalters erfolgte die Vereinigung unserer Truppen. Sie stürmten die unbesetzten Tore und schwärmten aus. In dem weitläufigen Gelände konnte sich der Gesuchte überall versteckt halten. Wir drehten jeden Grashalm um, doch die Suche blieb erfolglos. Nirgendwo eine Spur des Gesuchten …
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