Auf dem Platz schlugen unzählige Kämpfer aufeinander ein. De Moncadrieuxs Truppen umfassten bei ihrem Eindringen in die Stadt 1450 Männer, dazu kam ein deutlich stärkerer Gegner. Hier mochten weit über 3000 Krieger versammelt sein!
Dann endlich sah ich Arnauds Banner – weit entfernt von der Komturei. Eine Entlastung der Ordensritter durch seine Kräfte hatte es bisher nicht gegeben. Das Zeichen des Maltesers wehte inmitten des eigenen Heeres, blieb jedoch ständig in Bewegung. Entweder war der Ritter auf der Flucht, oder er versuchte verzweifelt, die Männer anzutreiben und näher an das belagerte Bollwerk heranzubringen. Seine Soldaten schienen große Verluste erlitten zu haben. Etliche der vor dem Eindringen in die Stadt stolz hoch gehaltenen Fahnen konnte man nirgends mehr erkennen.
Die Sarazenen führten einen Kampf an zwei Fronten. Ihre Kräfte schienen ausreichend genug, um die Komturei und die Kreuzritter gleichzeitig erfolgreich zu bedrängen. Sämtliche umliegenden Gebäude waren zudem mit Bogenschützen besetzt, und aus den angrenzenden Straßen rückten weitere Einheiten gegen Arnauds Heer vor. Man nahm den Eingeschlossenen bewusst jeden Raum für einen freien Kampf, den sie mit ihrer schweren Panzerung und vollen Bewaffnung dringend brauchten. Die Krieger waren dem Untergang geweiht!
Der letzte Trumpf der geschrumpften Armee blieben die Templer. Sie hatten unbedingt aus dem belagerten Hauptquartier herauszukommen!
Unsere Handvoll Männer musste bis dahin helfen – so lächerlich es mir auch vorkam …
Ich besprach mich kurz mit Rogér, der seine Sinne mittlerweile wieder beisammen hatte.
Wir würden die gleiche Taktik wie auf dem Platz am Stadttor benutzen. Meine 30 Reiter sollten zusammen mit mir in einem Keil zwischen die Feinde stoßen und die entstehende Überraschung ausnutzen. Währenddessen hatten sie sich Arnauds Truppen zuzuwenden. Die Fußsoldaten unter Rogér würden direkt folgen und die Bresche hinter den Berittenen vergrößern. So konnten wir vielleicht nicht nur die Schlacht beeinflussen, sondern zusätzlich die Komturei entlasten. Entscheidend bei sämtlichen Überlegungen blieb die Erwartung, dass die Ordensritter die Situation erkannten und uns im Gegenzug sofort mit einem Ausfall beistanden. Ansonsten würde die gesamte Gruppe von der Menge der Sarazenen wie zwischen Mühlsteinen zerrieben werden. Auch Arnaud und Broderik wären dann endgültig dem Tode geweiht!
Hatte ich Angst oder Aufbegehren von den Gefährten erwartet, belehrten sie mich umgehend eines Besseren. 200 überlebende Soldaten Rogérs, 30 Reiter und 50 Schützen sahen mir offenen Blickes entgegen. Trotz der Erschöpfung durch die bereits hinter ihnen liegenden Kämpfe gab es kein einziges mutloses Gesicht. Alle blieben fest entschlossen, zu siegen oder mit den anderen zu sterben. Diese alten Wegbegleiter Raimunds waren aus einem harten Holz geschnitzt!
Die 50 verbliebenen Bogenschützen erhielten ebenfalls eine Einbindung in den bevorstehenden Angriff. Kleine Gruppen der regulären Krieger sollten mit ihnen zusammen die umliegenden Häuser besetzen und die Feinde dort beseitigen. Die Schützen hatten anschließend bei unserem Vorstoß für Entlastung zu sorgen, während ihre Begleiter sie bewachten. 25 Gruppen machten sich alsbald auf den Weg. Jeweils zwei Fernkämpfer wurden von vier Männern abgesichert. Diese Einheiten und die Berittenen abgerechnet, blieben Rogér somit noch ungefähr 100 schwer bewaffnete Soldaten, Verwundete nicht einbezogen. Jedem war bewusst, dass möglicherweise von uns das Überleben sämtlicher Truppen auf dem Platz abhing!
Wir warteten. Bald folgten die verabredeten Zeichen – unsere Männer hatten sämtliche umliegenden Häuser von Sarazenen geräumt und Position bezogen. Sie würden mit dem Beschuss beginnen, sobald ich mit den Gefährten anritt. Auf dem Platz schien niemandem aufzufallen, dass das Sperrfeuer aus den Gebäuden plötzlich ein Ende hatte.
Ich gab Rogér den Hund mit einem Strick an die Hand. Das Tier verhielt sich wie toll, aber dies blieb die einzige Möglichkeit, meinen Freund nicht noch mehr zu gefährden. Bei dem bevorstehenden Reiterangriff käme er mit Sicherheit um. So aber sah ich ihn vielleicht wieder, wenn wir die Schlacht gut überstanden hatten …
Die Keilformation wurde gebildet.
Unsere Pferde gingen schnell in den gestreckten Galopp über. Kurz vor dem Aufeinandertreffen erfolgte das Senken der Lanzen. Trotz des Schlachtenlärms hörten viele Gegner den Hufschlag.
Zu spät!
Der Aufprall war fürchterlich. Meine 30 Gefährten preschten ungebremst in die dichte Masse der Feinde und schlugen eine tiefe Schneise mitten hindurch. Mit der gleichen Wucht ging es weiter hinein, in Arnauds Richtung. Die meisten Lanzenspitzen waren abgebrochen, aber auch die langen Stümpfe blieben tödliche Waffen. Auf mein Zeichen griffen wir zu den Morgensternen und hielten grausame Ernte.
Bis zur Mitte des Platzes lagen bereits über 100 Feinde in ihrem Blut. Erschüttert bemerkten die Gegner das Gemetzel. Die ersten drängten für einen Moment weg von den vorstürmenden Pferden, doch dann schloss sich die Menschenmenge wieder. Jeglicher Angriffsschwung kam abrupt zum Erliegen. Trotzdem forderte der Ansturm in dem Gedränge viele Opfer, denn die Pferde rissen alles um, was vor ihnen stand. Wir trieben sie weiter vorwärts, aber die Sarazenen hatten sich darauf eingestellt. Mit jedem Galoppschritt nahm ihr Hauen und Stechen zu. Kein Arnaud kam heran, kein Broderik ließ sich blicken! Wir waren auf diesem großen Schlachtfeld allein und würden es nicht schaffen!
Rogér hatte unsere Not gesehen. Rücksichtslos ließ er die Soldaten rennen, um schneller helfen zu können. Während sich die Feinde noch auf meine Reiter konzentrierten, nutzten seine Fußtruppen den Moment. Erbarmungslos halfen uns die Gefährten aus der tödlichen Umklammerung, trotz schlimmer Angriffe von allen Seiten. Gleichzeitig versuchten die Bogenschützen, aus den Gebäuden heraus jegliche Bewegung zu unterstützen. Erneut trieben wir die Pferde an. Nur weiter – tief in die gegnerische Menge hinein, de Moncadrieux entgegen!
Ohne den wuchtigen Attacken etwas entgegensetzen zu können, erlitten die Sarazenen erneut Verluste. Ihre Lücken schlossen sich zwar schnell wieder, aber der gezeigte Mut beeindruckte sie unübersehbar. Kurz wirkte es, als hätten Kreuzfahrer und Templer die neue Unterstützung endlich bemerkt. Die Gegenwehr der Verbündeten wuchs sichtbar. Vielleicht verstanden sie den Vorteil, den ihnen dieses unverhoffte Eingreifen verschaffte!
Immer mehr Araber lösten sich aus dem Ansturm gegen Kreuzritter und Komturei, um der neuen Gefahr zu begegnen. Auch in Arnauds Einheiten kam Bewegung. Langsam suchten die Bedrängten ebenfalls den Weg vorwärts. Unser Plan war aufgegangen!
Nun lag es an den Mönchskriegern, die neue Situation zu nutzen. Allein ihr Ausfall würde das Blatt wenden!
Rogérs Fußtruppen waren abgedrängt worden.
Die 100 Männer kämpften jetzt wieder ein ganzes Stück entfernt und hatten die ersten Verluste. Wir mussten sie unbedingt erreichen. Mit zwei getrennten Gruppen würden die Gegner sonst leichtes Spiel haben!
Meine Reiter gaben den Tieren die Sporen. Kurz darauf bremste uns eine undurchdringliche Wand aus Schilden, Schwertern und Menschen. Der Aufprall ließ die meisten stürzen. Bereits im Fallen schlugen die Feinde auf sie ein. Plötzlich riss eine Welle von Pfeilen aus sämtlichen Richtungen die umstehenden Angreifer weg. Es gab ein wenig Platz. Meine Überlebenden standen mühsam auf, während ihnen ein zweiter Pfeilhagel weiteren Raum verschaffte. Die Rücken zueinander gedreht, inmitten verletzter und um sich schlagender Pferde, versuchten sie nicht unterzugehen. Wo blieben die Ordensritter? Die Verteidiger hatten doch von den Mauern herab alles mitangesehen!
Außer mir waren noch drei Reiter im Sattel geblieben. Jeder Versuch, die Tiere erneut anzutreiben, erstarb. Die Sarazenen hatten uns dermaßen dicht eingeschlossen, dass die Tiere nicht einmal mehr steigen konnten. Auch wir wurden nun heruntergestochen. Eine Lanze streifte den linken Oberarm, durchdrang das Kettenhemd und hob mich regelrecht aus dem Sattel. Schon bevor der Schmerz einsetzte, schoss der Gedanken an meinen Vater hoch. Er und mein Großvater müssten ihren Kampf um Freiheit und Recht allein zuende bringen müssen. Ich dagegen würde meine Mutter wiedersehen!
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