Ein innerliches Lächeln stieg auf …
Bäuchlings schlug ich auf dem Boden auf. Der harte Aufprall drückte die Luft unbarmherzig aus der Lunge. Trotzdem tasteten die Finger nach dem Schwert. Währenddessen prasselten zahllose Schläge von oben herab. Unwillkürlich drehte ich mich sofort auf den Rücken und riss die Waffe zum Schutz quer über den Oberkörper. Eine Mannslänge höher gab es keinen Himmel mehr, nur hasserfüllte Gesichter. Sie würden mich totprügeln!
Die Feinde setzten unentwegt nach, doch ihnen blieb kaum Platz. Zu sehr drängte und schob die kämpfende Menge. Das war mein Glück. So konnte niemand einen gezielten, tödlichen Hieb anbringen. Plötzlich brach einer der Angreifer zusammen. Er fiel mit einer gefleckten Masse im Nacken vornüber.
Mein Hund!
Lautes Knurren drückte sich durch den Schlachtenlärm, während das Tier den strampelnden Gegner kampfunfähig machte – auf meiner Brust. Ich versuchte, es irgendwie vor herabkommenden Hieben zu schützen. Ein mühevolles Unterfangen, denn der Tote ließ sich nicht abwälzen, und der Hund schnappte bereits nach einem weiteren Gegner. Dabei schrien zwei Sarazenen über uns auf und fielen vornüber, ebenfalls auf mich. Der Versuch, einzuatmen, erstarb in einem kurzen Röcheln. Lang auf dem Boden liegend, inmitten stampfender Beine, mit drei Toten auf der Brust, schossen Panik und das Gefühl hoch, zu ersticken. Mir schwanden die Sinne. Einen Moment später zog jemand die leblosen Körper weg. Schwer atmend wurde ich auf die Füße gestellt, zu jeder Abwehr unfähig. Nur langsam klärte sich der Blick wieder. Mitten im Getümmel jaulte der Hund vor Freude und sprang an mir hoch. Daneben stand Rogér, flankiert von einigen Gefährten mit blutigen Waffen.
Die Fußkämpfer hatten wieder aufgeschlossen!
»Noch nicht sterben, Freund! Wir brauchen Euch!«
Dann kam die Erinnerung zurück.
»Meine Reiter?«
Raimunds alter Freund deutete mit der Hand auf zwei Verwundete einige Schritte entfernt.
»Alle anderen haben es nicht geschafft!«
Die Berittenen waren ausschließlich Arnauds Gefolge zuzurechnen. Tapfere Ritter, die bei dem letzten Angriff bereits mit dem Tod gerechnet hatten!
Die nächsten Sarazenen stürzten heran. Inmitten der Angriffe bildeten unsere Männer hastig zwei ineinander liegende Kreise. Sie standen Schild an Schild.
Eilig rechnete ich die Überlebenden zusammen. Rogér hatte in den vergangenen Jahren ganze Arbeit bei der Ausbildung der Krieger geleistet. Seine Elitesoldaten verzeichneten lediglich zwei Tote, die anderen Gefährten insgesamt nur 16. Die 30 Reiter lebten nicht mehr. 50 Bogenschützen und 100 Mann zu ihrem Schutz saßen in den umliegenden Häusern. Bei 18 Umgekommenen unter seinen Anhänger blieben noch 82 Kämpfer übrig!
Arnaud führte sicherlich ungeachtet der Verluste weiterhin deutlich mehr als die zehnfache Anzahl an. Die Truppen des Kreuzritters waren wieder zum Stehen gekommen. Wütend hatten die Feinde sie erneut eingeschlossen und jegliche Vorwärtsbewegung erstickt. Welche Fehler diese Einheiten auch machten – so würden alle sterben!
Wenn Rogérs und meine bisherigen Bemühungen sowohl von Kreuzrittern als auch Templern weder in ihrem noch unserem Sinne genutzt wurde, dann war es nun vorbei mit der Unterstützung! Längst hatten wir genug mit dem eigenen Überleben zu tun und konnten keine weitere Hilfe mehr leisten!
»Nehmt ihn! Ihr seid nicht nur hier unersetzlich, sondern auch später im Heiligen Land!«
Kraftvoll warf Rogér mir einen großen Schild zu, den er vom Boden aufgehoben hatte. Die Araber drängten und schoben vorwärts – bisher ohne Erfolg. Wir standen mit dem Hund in der Mitte des inneren Kreises und führten die Krieger lauthals. Diese schützten sich gegenseitig, und so konnten die Gegner niemanden aus dem äußeren Ring herausschlagen. Die Sarazenen zogen daraufhin noch mehr Kräfte zusammen. Anscheinend wollten sie eine weitere Front neben den Kreuzrittern und den Templern endgültig unterbinden!
Der Druck wurde größer. Deutlich wankte der äußere Kreis unter der Anstrengung. Sämtliche Verteidiger benahmen sich äußerst geschickt. Der erste Ring wehrte die Angriffe ab, während die Krieger dahinter schnelle Vorstöße aus der Tiefe der Formation führten. Rogér mischte aus dem Kreisinnern heraus ständig mit. Grob riss ich ihn zurück.
»Hört auf damit! Wenn die Gefährten wanken, ist Euch der Tod gewiss bei derartigen Vorstößen! Ihr sollt die Männer in Outremer ebenfalls führen!«
Schlagartig wurde er ruhig, als stünden wir allein auf einem Marktplatz anstatt inmitten eines mörderischen Getümmels.
»Falko, ist noch immer nicht deutlich geworden, mit wem wir hier kämpfen? Ihr befindet Euch unter den besten Männern, die Raimund je hatte! Selbst bei den Arabern oder Ritterorden finden sich keine gleichwertigen Krieger! Sie sind nicht mehr jung, aber bis heute nie geschlagen worden. Früher nannte man einige von ihnen die »Unbesiegten"!«
Das war die fehlende Erklärung!
Die eingespielten Manöver, die flüssigen Bewegungen – hier stand die Truppe meines Vaters aus seiner Zeit vor dem Ordensbeitritt! Sie hatten ihm über mehr als zwei Jahrzehnte lang die Treue gehalten und zeigten sich nun in ihrer ganzen Stärke!
Es gab weder hektische Bewegungen noch überstürzte Reaktionen bei den heftigen Angriffen. Schier unendliche Erfahrung glich fortgeschrittenes Alter völlig aus. Jeder Handgriff saß, und die Verteidigung blieb absolut tödlich. Ihr Zusammenspiel war einzigartig!
Das Anrennen der Sarazenen nahm nicht ab.
Dieser Kampf schien bereits Ewigkeiten anzudauern. Auch wir hatten jetzt Verluste, denn der Druck wuchs stetig. Immer wieder musste ein Krieger in den äußeren Verteidigungsring rücken, um eine Lücke zu füllen. Die Gefährten waren am Ende, aber noch hielten sie durch. Zumindest Broderik hätte längst erscheinen müssen. Von den Mauern konnte man jede Einzelheit des Geschehens zweifellos gut erkennen. Wieso verging so viel Zeit, ohne dass die Templer einen Ausfall unternahmen? Wir hatten doch wohl genügend Feinde auf uns gezogen, um den beiden anderen Gruppen ausreichende Entlastung zu verschaffen! Und nun wurden meine Soldaten hier aufgerieben, nur weil Kreuzfahrer und Ordensritter zur Hilfe unfähig oder zu feige waren!
Die Bogenschützen lichteten die Reihen der Angreifer weiterhin erbarmungslos. Ohne sie wären wir längst verloren gewesen. Plötzlich sah man auf einigen Dächern Handgemenge. Der Gegner versuchte, unsere Schützennester zu beseitigen!
Unruhig sahen meine Gefährten immer wieder in die Höhe. Etwas später zischten wieder aus allen Häusern ungehindert Pfeile herunter auf den Platz. Die Sarazenen hatten ihr Ziel nicht erreicht!
Hier unten schienen sie daraufhin weitere Kräfte auf die Verteidigungsringe zu konzentrieren. Erneut wankte der Außenkreis deutlich unter dem Druck. Nun wurde deutlich, welch großer Vorteil sich durch die eingesammelten Waffen ergab. Anstatt wie die meisten Krieger auf den Schlachtfeldern irgendwann unter Mangel zu leiden, waren wir übermäßig gut ausgerüstet und vermochten weiterhin gegenzuhalten.
Längst verschwendete ich keinen Blick mehr hinüber zu den Kreuzfahren oder den Templern. Die Zeit schien endlos und doch stehengeblieben zu sein. Seit gefühlten Ewigkeiten gab es lediglich einen alles beherrschenden Gedanken. Wir waren allein und blieben es wohl auch! Allein die Bogenschützen und deren Leibwachen verlängerten unser Überleben weiterhin …
Ich dachte einen Moment lang an bloße Einbildung, als man Pferde herangaloppieren hörte.
Die Templer eilten uns doch noch zu Hilfe!
Etwa 100 Reiter, darunter vielleicht 40 Ritter, schlugen sich den Weg frei zu Arnauds Männern. Eine zweite Gruppe mit Broderik an der Spitze hielt kurz darauf direkt auf uns zu, ungefähr so stark wie die erste. Der Orden schickte seine Hauptmacht, um zu helfen!
Читать дальше