Die Zweite Welt ... von Stein und Stahl
Andreas Egger
Für Stein und Ehr! Für Bier und Wehr!
Gott erschuf die Erde und mit ihr die Grundlagen jeglicher Evolution. Erst Pflanzen und später Tiere tummelten sich zur Freude Gottes auf seinem Planeten. Irgendwann gediehen Lebewesen, die aufrecht gingen. Im Laufe der Zeit entwickelten sie Intelligenz. Gott freute sich, dass aufgrund dessen, wie er die Welt formte und den Gesetzen, die er ihr auferlegte, diese Wesen, nach seinem Ebenbild geraten waren. Er ersah bald, dass dies die Krönung seiner Schöpfung war und ergötzte sich an ihrem Treiben. Kulturen entwickelten sich, Zivilisationen, Zusammenhalt und Krieg, Schönes wie Schlechtes. Gott lachte und weinte mit seinem Volk, beobachtete diese Wesen und gab ihnen einen Namen: Menschen.
Eines Tages sah er ein weibliches Menschlein von solcher Reinheit und Schönheit, dass er beschloss, es zu sich zu holen. Ihr gemeinsames Glück war grenzenlos und bald erwuchsen Kinder aus ihrer Liebe. Ihr erster Sohn war Aran, den zweiten nannten sie Naar und den dritten Gomod. Die Zeit verging, und die Menschenfrau Gottes wurde älter. Dennoch wollten sie noch ein gemeinsames Kind. Sie wurde im Laufe der Schwangerschaft krank. Gott konnte nichts gegen das Älterwerden seiner Geliebten und ihre Krankheit unternehmen. Würde er Hand an die Gesetze legen, welche ihr Leiden hervorriefen, müsste er die Gesetze seiner ganzen Schöpfung brechen und ändern. Dies würde die Welt zwangsläufig in Chaos stürzen, wenn nicht gar zerstören. Seine Verzweiflung wuchs. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seiner sterblichen Frau und der Freude und Verantwortung gegenüber seiner Schöpfung. Er beschloss darauf zu vertrauen, dass sie sich nach der Geburt ihres vierten Kindes erholen würde. Das Kind wurde geboren, doch die Frau war nicht stark genug. Ihre Krankheit und die Strapazen der Geburt töteten sie. Das Kind überlebte zwar, aber schon bald waren körperliche Verkrüppelungen zu erkennen. Gott war von Trauer zerfressen, die Liebe zu der von ihm geschaffenen Welt war gleichzeitig der Quell seines Zwiespalts und Schmerzes.
Seine Söhne wuchsen zu starken Halbgöttern heran. Doch Gott konnte seine Augen nicht in Freude auf sie richten, denn der vierte Sohn, den er Gror nannte, litt unter seinen körperlichen Mängeln. Er war kleiner als Naar, aufgedunsen und kraftlos. Er hatte kurze, krumme Beine, gelbe Zähne und ein blindes Auge. Sein Geist war von Kindesbeinen an von Hass geprägt. Alles Gesunde und Reine war ihm zuwider, konnte er doch selbst niemals so sein.
Die Freude an der von ihm geschaffenen Welt ging Gott verloren. Jedes Mal, wenn er auf sie niederblickte, erkannte er in seinem Volk sein totes Weib. Voller Gram wandte er sein Antlitz ab. Auch der Anblick seiner Söhne bereitete ihm immer größeren Kummer. Er liebte Aran und erfreute sich an der Unbekümmertheit des kleingewachsenen Naar. Doch der unnachgiebige Blick Gomods, der ihm nie verziehen hatte, dass er seiner Mutter nicht beigestanden hatte, und der unverhohlene Hass Grors machten ihn traurig und schwach.
Eines Tages saß Gott mit Aran, seinem Ältesten zusammen. Er war der einzige seiner Söhne, der je verstanden hatte, nach welchen Gesetzen Gott wirkte, wie er Materie verdichtete zu Stein und Wasser. Auch war er der einzige, der darum wusste, wie die universelle Energie sich ersehen ließ, wie das schwache Auge den Fluss der Energie wahrnehmen konnte, wie man sich ihrer, durch Manifestation, in verschiedenster Form bedienen mochte.
Sie sprachen über die beiden jüngsten Söhne und waren höchst bekümmert über die Bösartigkeit, mit der Gomod und vor allem Gror über Gott sprachen.
Auch Aran wurde von ihnen kaum gebilligt. Schließlich war er der Liebling Gottes, sein Erstgeborener und sicherlich auch jener, der ihm am ähnlichsten war. Auch über die Menschen sprachen sie und über das traurige Schicksal Gottes, das es ihm verwehrte, Freude an seiner Schöpfung zu empfinden. Nach vielen fruchtlosen Gedanken, kam Aran die Idee, gemeinsam mit seinen Brüdern und seinem Vater eine neue Welt zu schaffen. Er hoffte darauf, dass sein Vater neue Freude finden möge und seine Brüder etwas schaffen konnten, das ihre Gedanken in andere Bahnen lenkte, als Unmut und Hass. Er hoffte darauf, dass dieses gemeinsame Wirken die Brüder zusammenführen würde. Gott überlegte und gab zu bedenken, dass er nicht mehr die Energie und Stärke habe, die er einstmals darauf verwendet hatte, um die Erde zu schaffen, und lehnte den Vorschlag deshalb ab.
Die Zeit verstrich und die Situation änderte sich in keinster Weise. Im Gegenteil. Gomod sonderte sich spürbar ab und saß über dunklen Schriften, die weder seine Brüder noch sein Vater je zu Gesicht bekamen. Gror hingegen fing an, seine Wut und seinen Hass gegen Naar zu richten, da dieser der Schwächste der Brüder war. Damit war er das einfachste Opfer seiner verdorbenen Gedanken. Naar machte sich nicht viel daraus. Er war so bedenkenlos und frohgemut wie immer, vergalt den Hass Grors mit Belustigung und sarkastischen Witzen, was die Angespanntheit aller nur noch verstärkte.
Als Gott dieser Entwicklung gewahr wurde, rief er nach Aran und beriet sich wiederum mit ihm. Wieder machte sein Sohn den Vorschlag, eine gemeinsame Welt zu schaffen. Gott dachte lange nach und fragte Aran dann, wie er diese Welt schaffen wolle und wie er seine Söhne einbeziehen könne. Keiner von ihnen, nicht einmal Aran, verfügte annähernd über die Macht, wie sie Gott zu eigen war. Aran hatte sich bereits darüber Gedanken gemacht. So erläuterte er Gott seinen Plan. Seiner Ansicht nach solle Gott eine neue Welt schaffen, die der ersten ähnlich sei. Jedoch solle jeder seiner Söhne ein eigenes Volk erschaffen und ein eigenes Land, in dem sie lebten. Gott könne die Wünsche und Gedanken seiner Söhne in sich aufnehmen und ihre Pläne in der zweiten Welt verwirklichen. Wieder war Gott im Zwiespalt. Er war sich nicht sicher, ob er so viel Kraft aufbringen könne. Andererseits wollte er nicht länger mit ansehen, wie seine Söhne sich immer fremder wurden. Die Liebe zu einer gemeinsamen Welt würde sie einen, so dachte er. Er versprach Aran alles zu überdenken und zog sich zurück. Seine Entscheidung kam rasch, denn er wagte zu hoffen, diese Welt würde auch ihm wieder Freude schenken. Er vergaß seine Schwäche und freudige Erwartung trübte sein Denken. Aran wurde beauftragt, seine Brüder zu rufen und alsbald saßen sie alle zusammen und Gott sprach zu ihnen über die zweite Welt. Mit ausladenden Gesten umschrieb er sein Vorhaben und die Rolle eines jeden seiner Söhne darin. Aran kannte den Plan, stand nur mit freudigem Lächeln da und harrte der Reaktionen seiner Brüder. Naar lachte laut auf. Für ihn war dies ein Spiel und er liebte Spiele. Gomod ließ seine Gedanken nicht erkennen, doch er willigte bereitwillig ein und versicherte seine Freude über dieses neue Betätigungsfeld. Gror saß da und ein böses Kichern drang über seine Lippen. Er sagte nichts, nickte nur.
Durch seinen eigenen Enthusiasmus geblendet, erkannte Gott die Gefahr nicht. Aran jedoch hatte alles genau beobachtet und sprach am folgenden Tag zu Gott. Er berichtete von seiner Sorge darüber, dass ein Volk, geschaffen durch Gomods Hand, wahrscheinlich Probleme bereiten könne. „Möglicherweise führt er Übles im Schilde, vielleicht handelt er nicht im versöhnlichen Geist unserer edlen Absicht“, gab er zu bedenken. Auch hatte Gror mit Sicherheit keine guten Intentionen, dessen war sich Aran sicher. In diesem Punkt musste Gott ihm zustimmen. Wenn er sich auch über Gomods mögliche Vorhaben nur geringe Sorgen machte. Gott blickte Aran in die blauen Augen, sprach mit Bedacht zu ihm, beschwor ihn etwas zu ersinnen, was sicherstellen würde, dass das Gleichgewicht der zweiten Welt nicht über Gebühr strapaziert werde, etwa durch eine kriegerische Rasse, die Gror wohl erdenken mochte.
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