Andreas Parsberg
Die Rückkehr der Dämonen, Teil 1 (Indien, 1747 n. Chr.)
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Inhaltsverzeichnis
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Prolog
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Impressum neobooks
Oberägypthen, Stadt Theben
Königspalast von Pharao Ahmose I.
1528 v. Chr.
„Wie geht es ihr, Hem-netjer-tepi-en-Amun?“, fragte Pharao Ahmose mit seiner kräftigen Stimme. Die geschminkten Augen des Herrschers waren zu schmalen Schlitzen gezogen. Neben ihm saß seine Halbschwester Ahmose Nefertri, seine erste Gemahlin und Mutter der gemeinsamen Tochter Satamun, Prinzessin von Theben.
„Anch, Wedscha, Seneb“, antworte Djehuti, Hohepriester des Amun. „Sie wird sterben, neb-pechti-Re.“
Tief neigte er sein Haupt und nahm eine unterwürfige Haltung an. Der Hohepriester war ein stattlicher Mann mit dicken Augenbrauen, markantem Gesicht und eckigem Kinn.
Der Pharao atmete tief ein, seine erste Gemahlin stieß einen angsterfüllten Schrei aus. Der Herrscher wurde blass, seine Hand zitterte leicht.
Satamun, die wunderschöne Prinzessin, lag seit Tagen im Fieber. Der mächtige Pharao hatte bereits seinen ältesten Sohn Ahmose-anch im Kindesalter verloren. Zu seinen weiteren Söhnen, Amenophis und Saamun, konnte der Pharao keine Gefühle aufbringen. Seine einzige Tochter war sein Herz, sein Augenstern und seine Liebe.
Satamun, Prinzessin von Theben, war gerade neunzehn Jahre alt.
Jeder am Nil kannte sie. Sie war zart und schön wie eine Blume. Mit ihren langen blauschwarzen Haaren und den leuchtenden grünen Augen glich sie einer Göttin.
Nun lag sie im Sterben. Niemand fand eine Erklärung dafür. Das Fieber hatte plötzlich und stark eingesetzt. Eine gewöhnliche Infektion schlossen die Ärzte aus.
Der Pharao blinzelte eine Träne aus seinen Augen.
Er wollte keine Schwäche zeigen, nicht vor Djehuti, dem mächtigen Hohepriester des Amun. Die Priester aus Karnak hielten eine bedeutende wirtschaftliche und politische Macht in ihren Händen.
Da stürzte eine Dienerin der Prinzessin in den Thronsaal.
„Neb-pechti-Re“, stammelte die Frau und sank vor dem mächtigen Herrscher auf die Knie. „Anch, Wedscha, Seneb.“
Der Pharao neigte huldvoll seinen Kopf, als Zeichen, dass die Dienerin sprechen durfte.
„Satamun, Prinzessin von Theben, ist tot!“
Die Frauen weinten. Sie liefen aufgeregt durch den Palast in Theben.
Die Kunde vom Tod der schönen Satamun verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Die Menschen rieben sich als Zeichen ihrer Trauer die Gesichter mit Erde ein.
Im Palast wurde die tote Prinzessin in ein Meer aus Blumen gebettet. Der Pharao ließ die höchsten Priester aus den Tempelanlagen Karnak kommen. Seit Stunden murmelten sie geheimnisvolle Sprüche.
Djehuti, der Hohepriester des Amun, beschwor die Geister des Jenseits, die vom Körper losgelöste Seele ungehindert auf ihrem Weg ins Reich der Götter ziehen zu lassen.
Nefertari, Halbschwester von Pharao Ahmose, war die Hohepriesterin des Gottes Month. Sie hielt die Statue eines schwarzen Falken in der Hand und flüsterte Gebete.
Chandranath, Hohepriester des Gottes Apophis, hielt eine silberne Schlange in der Hand und schlug jammernd mit dem Schmuckstück auf den Boden.
Nach den Beschwörungen wurde der Leichnam weggetragen.
Die Ärzte entfernten das Gehirn der Toten. Es wurde mit goldenen Haken aus der Nase gezogen. Mit scharfen Steinmessern öffneten sie anschließend die Bauchhöhle, entnahmen die Eingeweide und legten sie zusammen mit dem Gehirn in steinerne Krüge.
Dann begann die Waschung des leeren Körpers.
Bevor die Einsalzung des Leichnams begann, kam die heilige Stunde des Hohepriesters. Er sollte die tote Prinzessin in die Arme des Gottes Amun führen. Für diese Tätigkeit verlangte Djehuti, alleine mit dem Leichnam zu sein.
Die Totenfrauen zogen sich zurück.
Der gründlich gereinigte Körper des schlanken, zartgliedrigen Mädchens lag vor ihm. Die große Bauchwunde war mit einem duftgetränkten Leinentuch abgedeckt.
Das ausdrucksvolle Gesicht war lieblich, wie der Kopf einer Porzellanpuppe. Die kleine Nase, der schöngeschwungene Mund, die hohen, etwas hervorstehenden Backenknochen, die dem Gesicht einen unverwechselbaren, typischen Ausdruck verliehen. Alles wirkte so, als hätte ein Künstler dieses Antlitz geformt.
Djehuti atmete bei diesem Anblick tief ein. Niemand hätte ihm seine Erregung angemerkt. Er war mit der Prinzessin allein. Unwillkürlich wandte Djehuti den Kopf, blickte sich im Raum um und vergewisserte sich, dass sich außer ihm niemand in der Kammer befand.
Um seine Lippen zuckte es.
Er erlebte einen ersten Triumph!
Die Öllichter waren so aufgestellt, dass sie den weißen, makellosen Leib in matten Schein tauchten. Das unruhig flackernde Licht trug mit dazu bei, den Eindruck zu erwecken, als ob die Prinzessin nur schliefe und sanft atme.
Djehuti leckte über seine trockenen Lippen. Er fühlte eine innere Anspannung und Nervosität. In seinen dunklen Augen glomm ein seltsames Licht.
Er öffnete die buntgefärbte Tasche, die er bereits sein gesamtes Leben beschützte. Hierin befand sich das Totenbuch des Gottes Seth, das er für das geheimnisvolle magische Ritual benötigte. Er holte mehrere, etwa zehn Zentimeter hohe gläserne Gefäße heraus. Hierin befanden sich zerriebene Kräuter und Harze.
Dann begann er!
Er warf das aromatisch duftende Leinentuch einfach zur Seite und fing an, den toten Körper mit einer glasklaren Essenz einzureiben. Verschiedene wohlriechende Düfte verbreiteten sich in der Kammer. Über eine Stunde rieb Djehuti den Körper von innen und außen ein, wie man ein Tier einsalzt, dem man die Eingeweide herausgenommen hat. Es roch, als ob ein Dufthändler verschiedene Parfüme mischte. Seltene Harze und Öle fanden Verwendung, die normalerweise auch bei der Einbalsamierung verwendet wurden.
Aber die genaue Zusammenstellung der Essenzen kannte nur er, denn Djehuti besaß das Totenbuch von Seth. Sonst niemand!
Sorgfältig verschloss er wieder die Fläschchen und verstaute sie tief in seiner Tasche. Er nahm ein kleines, goldblitzendes Messer aus der Tasche und klappte es auf. Neben sich legte er das Totenbuch und murmelte leise die dort geschriebenen Worte.
„Seth, Gott der Kraft und Neuordnung, leite mich auf den fünf Schritten zur Ewigkeit. Lass Satamun, Tochter des Ahmose, meine Nummer eins sein. Halte und bewahre sie für mich im Zwischenreich, bis vier weitere reine Seelen gefolgt sind.“
Dann flüsterte er fremdklingende Worte, beschwor immer wieder den Gott Seth. Seine Gestalt wurde in ein helles Licht getaucht.
Jetzt kam eine entscheidende Phase.
Er holte ein kleines Messer hervor, nahm die Hand der Toten, drehte sie herum und schnitt tief in die Haut über ihre Pulsadern. Dann ritzte er mit dem Messer die Kuppe seines Zeigefingers auf. Ein dicker, dunkler Blutstropfen quoll hervor. Er drückte den verletzten Finger auf die leere Pulsader der Prinzessin.
„Durch mein Blut entsteht ein magisches Band. Deine Seele wird mir im Zwischenreich als Sklavin dienen“, murmelte er mit dumpfer Stimme. Auf seiner hohen, glatten Stirn perlte der Schweiß. Seine großen, kräftigen Hände zitterten. Eine geheimnisvolle Spannkraft erfüllte ihn. „Du bist meine Nummer eins auf dem Weg zum ewigen Leben.“
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